
Erinnerung an Barbara Frischmuth, Schriftstellerin *5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Erinnerung _Andrea Wolfmayr, Schriftstellerin
Liebe Andrea, welche Erinnerungen hast du an Barbara Frischmuth als Kollegin? Gab es persönliche Begegnungen und wie hast du diese erlebt?
Es gab einige, sogar nicht wenige Begegnungen mit Barbara Frischmuth. Die junge Autorin hat in unserer Buchhandlung Plautz in Gleisdorf gelesen, aus der „Klosterschule“ natürlich, sehr passend, hatten wir doch eine in Gleisdorf, heute noch kündet das „Forum Kloster“ als Kunst- und Kulturveranstaltungsraum davon, und auch in diesem hat sie dann in ihren späteren Jahren gelesen, soweit ich mich erinnere. Ich bin ihr ziemlich oft begegnet, bei Lesungen und Veranstaltungen, bei Buchmessen, und natürlich auch in meiner politischen Zeit in Wien und in ihrem Haus in Alt Aussee. Sie hat sich ja immer engagiert und Anteil genommen an der Politik, insbesondere dem Umweltschutz, wenn auch zurückhaltend, in der für sie typischen unaufgeregten Art – mir gegenüber war sie auf dem parlamentarischen Parkett eher reserviert und sichtlich nicht sehr angetan von meiner Position, aber wir hatten ein klärendes Gespräch diesbezüglich und akzeptierten die jeweilige Haltung der anderen. Unser Verhältnis war also eher ein pragmatisches, distanziertes, und nicht sehr emotional. Wir mochten einander, kannten die Arbeiten voneinander (wohl nur teilweise), unsere Begegnungen waren getragen von Respekt und Achtung.
Was macht für dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?
Ein wichtiges, sogar ganz besonders gewichtiges Werk, das – wie so oft bei künstlerischer Arbeit von Frauen – gern „zurechtgestutzt“ wird, ganz automatisch verkleinert, weil ja doch so viele „Frauenthemen“ vorkommen. Als wäre das nichts, ein Schreiben mit und über Beziehungen und Kinder, Pflanzen und Gärten und Tiere, – die allerdings für mich, und darin bin ich mit ihr vollkommen einige, die wahrhaft und eigentlich großen Themen sind, politisch, durch und bis ins tiefste, innerste Mark AUCH politisch.
Zusammen mit zwei anderen überragend bedeutenden Frauen gehört sie für mich somit zu den drei wichtigsten österreichischen Autorinnen: – alle 3 grundverschieden in der Art, im Stil, in den Aussagen, aber ganz eindeutig Weltliteratur: Jelinek, Mayröcker und Frischmuth.
Gibt es ein Lieblingsbuch von ihr und warum dieses?
„Amy oder Die Metamorphose“. Überhaupt diese drei aus den siebziger Jahren stammenden, für mich eine Einheit bildenden Bücher, die auch gern als Trilogie bezeichnet wurden: „Die Mystifikationen der Sophie Silber“, „Amy oder Die Metamorphose““ und „Kai und die Liebe zu den Modellen“ – diese drei haben mich persönlich und auch in meinem Schreiben stark geprägt, motiviert und ermutigt in ihrer halb autobiographischen, halb magischen und zugleich pragmatischen und den „Zeitgeist“ markierenden Art.
Welche Inspiration hinterlässt ihr Schreiben, ihre Weltsicht, ihr Künstlerinsein?
Aufgeregtheit und Poltern sind nicht notwendig fürs Agieren und Sein. Stille, klare Botschaften aussenden, das wirkt nachhaltig und ruhig, besonnen. Wahrhaftig sein und sich immer um Kenntnis des anderen Standpunkts bemühen. Weitgehendes Akzeptieren – aber auch klare Abgrenzung – etwas, in dem ich nicht besonders gut bin, was ich aber von ihr lernen konnte und noch kann. Sie konnte es jedenfalls ganz ausgezeichnet.
Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?
„Noch wundert sie sich darüber, wie sehr sich nun alles in ihr verbalisiert, wie sehr alles Schauen und Beobachten die Form von Wörtern annimmt. Wie sehr es in ihrem Kopf schreibt. Aber nur in ihrem Kopf. Sie weiß, dass es noch nicht anders geht. Dass viele, unendlich viele Sätze in ihrem Kopf als geschriebene stattgefunden haben müssen, bevor auch nur der erste auf Papier entlassen werden kann.“ (Amy oder Die Metamorphose, S. 179f.)
Vielen Dank für das Interview!

*5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Barbara Frischmuth, Schriftstellerin
geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025). Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth 31.3.2025

Andrea Wolfmayr, Schriftstellerin
Zur Person: Wolfmayr, Andrea – Edition Keiper
Fotos_Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser
Portrait Andrea Wolfmayr: privat
Walter Pobaschnig 8.4.2025