Erinnerung an Barbara Frischmuth _ „die Härte und Klarheit realistischen Erzählens ins Märchenhafte, Mystische gleiten zu lassen“ Ines Edith Oppitz, Schriftstellerin _ Wels OÖ 4.4.2025

Erinnerung anBarbara Frischmuth, Schriftstellerin  *5.7.1941 Altaussee   +30.3.2025 Altaussee

Interview _ Ines Edith Oppitz, Schriftstellerin

Liebe Ines, welche Erinnerungen hast Du an Barbara Frischmuth als Kollegin? Gab es persönliche Begegnungen und wie hast Du diese erlebt?

Zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrtausends hatte die geniale  Kulturvermittlerin und Begründerin verschiedener großformatiger kultureller Ereignisse über lange Zeit, Jutta Skokan, die literarischen Sprechtage Wels ins Leben gerufen. Schriftstellerinnen und Schriftsteller von Rang und Namen waren eingeladen und gaben sich Jahr für Jahr ein Stelldichein in unserer Stadt. Und auch wir ansässig Schreibende erhielten die Chance zahlreicher Lesungen. An einem dieser Sprechtage las auch Barbara Frischmuth, weckte großes Interesse und Begeisterung für ihre Literatur und Freude an der wohlwollenden, humorvollen, offenen Zugewandtheit zu uns Youngsters. Es bot sich uns allen die Gelegenheit, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ich aber war dafür viel zu schüchtern, saß während einer Lesung in der Zuhörerreihe hinter ihr und spürte mein Herz rasen, als sie sich strahlend lachend zu mir umwandte …..  Jahre später war u.a. Elke Erb eingeladen. Ihr konnte ich bereits selbstbewusster begegnen, welch ein Glück für mich!

Was macht für Dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?

Ungemein reizvoll und spannend war und ist es wohl noch immer (ich werde das eine und andere Buch sicher wieder lesen) für mich, wie souverän Barbara Frischmuth die Härte und Klarheit realistischen Erzählens ins Märchenhafte, Mystische gleiten ließ und darin Inhalt und Anliegen immer wieder so wandeln konnte, dass sie selbstverständlich auch die Meinen wurden. „So wird aus dem Nebeneinander von Geschichte und Gegenwart plötzlich ein Ineinander; mystische Erfahrung und politisches Bewusstsein sind nicht mehr absolute Gegensätze“  schrieb mir die Frankfurter Allgemeine über den Roman „Das Verschwinden des Schattens in der Sonne“ (dtv 1980) aus dem Herzen. Diese Erzählweise ist gewiss einzigartig in die österreichische Literaturgeschichte eingegangen.

Gibt es ein Lieblingsbuch von Ihr und warum dieses?

Auf Anhieb geradezu hineingefallen bin ich in die Trilogie „Die Mystifikation der Sophie Silber“, „Amy oder Die Metamorphose“ und „Kai und die Liebe zu den Modellen“. Als junge Frau allmählich und schrittweise in die Gesellschaft hineinzuwachsen und sich aus den üblichen weiblichen Lebensläufen (mir von meinem Vater suggestiv, aber unwidersprechlich eingeimpft) hinauszuwagen, betraf mich selbst und wurde mir als Möglichkeit durch die Lektüre vor Augen geführt. Dass es besonderer und langwieriger Umwege bedurfte, war natürlich auch klar. „Traum der Literatur – Literatur des Traums“ war mir ebenfalls unverzichtbar geworden und mir eine wunderbare Grundlage für literaturpädagogische Seminare. Lädt alles zum Wiederlesen ein, da diese Begegnungen mit Frischmuths Literatur doch sehr weit zurückliegen.

Welche Inspiration hinterlässt Ihr Schreiben, Ihre Weltsicht, Ihr Künstlerinsein?

Frischmuths literarisches und zeitgenössisches Engagement für ein friedliches Miteinander, respektvollen, geduldigen, offenen Umgang im politischen und mitmenschlichen Diskurs ist aktueller denn je. Ihr Einsatz für ein rücksichtsvolles, feinfühliges, achtsames Leben, eingebunden in die Natur, als Teil der Natur und Mitgeschöpf menschlicher und tierischer Mitgeschöpfe wäre endlich unbedingt ernst zu nehmen, rettend und konsequent ins eigene Dasein umzusetzen. Die Einklangstifterin (Frankfurter Allgemeine im Nachruf auf die Dichterin) hat ein unmissverständliches Vermächtnis für Leben und /in Kunst hinterlassen.

Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von Ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?

Eine Textstelle aus „Traum der Literatur – Literatur des Traums“ möchte ich uns mitgeben und ihrer Erfinderin – sich erfüllend – wünschen: „Wünsche offen zu haben, wie diesen obskuren, privaten: nach dem eigenen Tod jemandem zu begegnen, der oder die lacht – und zurücklachen.“

Vielen Dank für das Interview!

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin 
*5.7.1941 Altaussee   +30.3.2025 Altaussee

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin

geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025).    Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth  31.3.2025

Ines Edith Oppitz, Schriftstellerin

Ines Edith Oppitz, Schriftstellerin _ Wels/

Fotos_

Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser

Foto_ Portrait: Ines Edith Oppitz: Monika Primenz

Walter Pobaschnig 3.4.2025

https://literaturoutdoors.com

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