Erinnerung an Barbara Frischmuth_ „etwas ausgesprochen Erfrischendes und Mutiges“ Andreas Unterweger, Schriftsteller _ Graz 2.4.2025

Erinnerung anBarbara Frischmuth, Schriftstellerin  *5.7.1941 Altaussee   +30.3.2025 Altaussee

Interview _  Andreas Unterweger, Schriftsteller,
Herausgeber der Literaturzeitschrift man
uskripte_ Graz

Lieber Andreas, welche Erinnerungen hast Du an Barbara Frischmuth als Kollegin? Gab es persönliche Begegnungen und wie hast Du diese erlebt?

Ich habe Barbara Ende der Nuller Jahre als lesende Autorin bei einer manuskripte-Präsentation kennengelernt. Seit Ende 2016, als ich selbst bei der Zeitschrift zu arbeiten begann, hatten wir häufig miteinander zu tun, am öftesten rund um die rotahorn-Preis-Jurysitzungen. Während sie erfreulich oft sehr leidenschaftlich argumentierte, war ihr Urteil immer gut begründet, auch gut vorbereitet. Ihre präzisen, oft poetischen Formulierungen prägten die Jurybegründungen dieses von Mäzen Hans Roth 2011 gestifteten Literaturpreises.

Bei den gemeinsamen Essen nach den Sitzungen erzählte sie oft von ihren Erfahrungen. Ihre Geschichten über die frühen Abenteuer der Grazer Gruppe, über ihre Zeit als Studentin an der Atatürk Universität in Erzurum in Ostanatolien oder auch ihre Rants gegen Rasenmäherroboter (sie hatte mit jedem Wort recht!) bleiben mir in besonderer Erinnerung.

Was macht für Dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?

Die Bücher von Barbara Frischmuth haben für mich etwas ausgesprochen Erfrischendes und Mutiges – nomen est omen, könnte man sagen. In ihren formal experimentellen Anfängen absolut auf der Höhe der wilden 1960er hat sie später gleich mehrere Gattungen neu erfunden. Darunter die Feengeschichte (Die Mystifikationen der Sophie Silber) oder auch das Gartenbuch. Und in ihrem Spätwerk lieferte sie gleich mehrere Paradebeispiele für die hochaktuelle Strömung des Nature Writing.

Die österreichische Literatur verdankt Barbara Frischmuth jedenfalls viel mehr, als ihr bislang bewusst ist. Ich denke, sie wird als eine der wichtigsten österreichischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts in Erinnerung bleiben.

Gibt es ein Lieblingsbuch von Ihr und warum dieses?

Ihr Erzählband Dein Schatten tanzt in der Küche hat mich sehr beeindruckt. Für einen Vorabdruck in manuskripte 230 (2020) durfte ich unter mehreren Geschichten auswählen. Das war alles andere als einfach, denn sie waren alle so gut! Blurbmäßig gesagt: „Packende und berührende Erzählungen von zeitloser Klasse!“

Welche Inspiration hinterlässt Ihr Schreiben, Ihre Weltsicht, Ihr Künstlerinsein?

Aus persönlicher Sicht: Ich weiß noch, dass ich es als äußerst befreiend empfand, dass ihre Texte die ohnehin schon so vielfältige österreichische Avantgarde-Literatur formal auch in Richtung der Fabel erweiterten. Wer weiß, vielleicht wäre ich ohne diese Erfahrung nie auf die Idee gekommen, ein Buch wie Das gelbe Buch mit seinen vielen Tiergeschichten zu schreiben.

Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von Ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?

Aus ihrem letzten Buch, Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter (Residenz 2025):

„Und wir werden immer wieder ins Paradies zurückfinden, solange es ein Paradies gibt.“

Vielen Dank für das Interview!

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin 
*5.7.1941 Altaussee   +30.3.2025 Altaussee

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin

geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025).    Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth  31.3.2025

Andreas Unterweger, Schriftsteller,
Herausgeber der Literaturzeitschrift man
uskripte_ Graz

https://andreasunterweger.wordpress.com/category/manuskripte/

http://www.andreasunterweger.at/

Fotos_

Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser

Fotos_Portrait Andreas Unterweger: privat

Walter Pobaschnig 2.4.2025

https://literaturoutdoors.com

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