Erinnerung an Barbara Frischmuth _ „Ihr Denken ging weit über den eigenen Tellerrand hinaus“ Tanja Scheichl-Ebenhoch, Schriftstellerin, Violinistin _ Götzis/Vbg. 2.4.2025

Erinnerung anBarbara Frischmuth, Schriftstellerin  *5.7.1941 Altaussee   +30.3.2025 Altaussee

Interview _  Tanja Scheichl-Ebenhoch, Schriftstellerin, Violinistin und Pädagogin  _Götzis/Vbg.

Liebe Tanja, welche Erinnerungen hast Du an Barbara Frischmuth? Gab es persönliche Begegnungen und wie hast Du diese erlebt?

Persönlich begegnet bin ich Barbara Frischmuth nie. Sie war für mich in meiner Schulzeit in der Oberstufe eine jener Autorinnen, mit denen man sich als Schülerin offiziell „herumschlagen“ musste – Schullektüre eben.

Doch insgeheim bewunderte ich schon damals ihre kraftvolle und poetische Sprache. Auch der Mut, sich nicht anzupassen, sondern unbequeme Wahrheiten auszusprechen, beeindruckten mich. Vielleicht verstand ich nicht immer alles sofort, aber ich spürte, dass hier eine starke Frau schrieb.

Was macht für Dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?  

Barbara Frischmuth zeigt in ihrer Literatur strukturelle Nachteile und Ungerechtigkeiten auf, indem sie Geschichten erzählt. Ihre Sprache wirkt dabei nie künstlich oder bemüht, sondern natürlich und „organisch“. 

Was Frischmuths Werk so besonders macht, ist vielleicht, dass man immer Persönlichkeit und ganz viel Menschlichkeit darin spürt. Sie interessiert sich für das Menschsein in allen Facetten, für Zusammenhänge und Verbindungen. Ihre enge Beziehung zur Natur spiegelt sich in den Themen, aber auch in ihrer Haltung: respektvoll, manchmal kritisch. Aber immer mit dem Wunsch zu verstehen.

Gibt es ein Lieblingsbuch von Ihr und warum dieses?

Das literarische Debüt „Die Klosterschule“ ist eines jener Bücher, bei denen man sofort spürt: Hier steckt etwas Persönliches, Authentisches, ja Autobiografisches dahinter. Frischmuth wirft im Erstlingswerk einen kritischen Blick auf autoritäre und patriarchale Strukturen, die Kirche und die Rolle der Frau in einer von Konventionen bestimmten Umwelt. Diese Themen sind auch heute noch nicht „durch“. Das macht das Buch so aktuell und relevant in einer Gesellschaft, die sich nur langsam bewegt.

Welche Inspiration hinterlässt Ihr Schreiben, Ihre Weltsicht, Ihr Künstlerinsein?

Barbara Frischmuth hinterlässt nicht nur literarisch, sondern auch menschlich eine Inspiration. Schon die Entscheidung, Orientalistik zu studieren in der damaligen Zeit, zeigt, dass sie eine besondere Persönlichkeit war. Ihr Denken ging weit über den eigenen Tellerrand hinaus. Und es resultierte im Bemühen um ein gegenseitiges Verstehen oder zumindest um eine Akzeptanz zwischen Kulturen. Gerade in einer zunehmend polarisierten Welt ist diese Haltung wichtig. Das allein macht die österreichische Autorin schon zu einem riesigen Vorbild.

Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von Ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?

Anlässlich eines Interviews zum Weltfrauentag sagte Barbara Frischmuth:

„Es könnte der Welt nicht schaden, wenn sie etwas weiblicher würde.“

Genau so sehe ich das…

Vielen Dank für das Interview!

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin 
*5.7.1941 Altaussee   +30.3.2025 Altaussee

Barbara Frischmuth, Schriftstellerin

geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025).    Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth  31.3.2025

Tanja Scheichl-Ebenhoch, Schriftstellerin, Violinistin und Pädagogin  _Götzis/Vbg.

Zur Person: Tanja Scheichl–Ebenhoch ist studierte Musik- und Instrumentalpädagogin und arbeitete als Violinpädagogin und Ensembleleiterin an mehreren Vorarlberger Schulen sowie als freiberufliche Violinistin in diversen Orchestern im In- und Ausland. Für ihre besondere Leistungen erhielt sie 1997 den renommierten Würdigungspreis der Republik Österreich zuerkannt. Sie lebt mit ihrer Familie in Götzis und hat bereits vier Bücher veröffentlicht. „Die Geigerin – Spiel ums Leben“ ist nach „Die Geigerin – im freien Fall“  der zweite Band einer Trilogie.

https://altach.at/veranstaltungen/auf-buchfuehlung-mit-tanja-scheichl-ebenhoch/

Fotos_

Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser

Portrait Tanja Scheichl–Ebenhoch: privat

Walter Pobaschnig 1.4.2025

https://literaturoutdoors.com

Hinterlasse einen Kommentar