
Erinnerung an_ Barbara Frischmuth, Schriftstellerin *5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Interview _ Bettina Frfr. von Minnigerode, Schriftstellerin
Liebe Bettina, welche Erinnerungen hast Du an Barbara Frischmuth als Kollegin? Ga es persönliche Begegnungen und wie hast Du diese erlebt?
Als Barbara Frischmuth im Alter von 27 Jahren ihren Debütroman „Die Klosterschule“ veröffentlichte, wurde ich „in dunkelblauem Faltenrock und weißer Bluse“ wie einst Frischmuth an einem Mädchengymnasium eingeschult. Ihren Roman las ich erst mit Ende Zwanzig, nachdem ich, wie sie, mein Studium am Dolmetsch-Institut der Universität Graz abgeschlossen und einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet hatte. Ich veröffentlichte jedoch keine Literatur, sondern heiratete und wurde schwanger.
Was macht für Dich das Werk von Barbara Frischmuth aus und wie ist dieses in die österreichische Literaturgeschichte einzuordnen?
Barbara Frischmuth hätte altersmäßig meine Mutter sein können, eine junge allerdings, aber sie entsprach nicht meiner eigenen Erfahrung mit Müttern. Sie war emanzipierter als meine Mutter, kritischer und selbstbewusster. Frischmuth schilderte in ihrem Debütroman eine restriktive Schulerziehung, wie ich sie, wenngleich nicht konfessionell gebunden, in ähnlicher Form zwei Jahrzehnte später in Deutschland erlebte. Viele Werke Frischmuths standen im Bücherregal meiner Mutter, die sie begeistert las. Den Widerspruch zwischen Lektüre und eigenem Leben mochte meine Mutter wohl gespürt, aber nicht überwunden haben.
Gibt es ein Lieblingsbuch von Ihr und warum dieses?
Barbara Frischmuth war eine unter vielen österreichischen Schriftstellerinnen, die ich im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt begeistert las, ich schrieb selbst wie besessen, traute mir aber den Weg zur Autorin, den Traum (von) der Literatur nicht zu. Entdeckte in der Studienzeit in Graz das Forum Stadtpark und die damit verbundene „Grazer Gruppe“. Nahm wie meine Mutter den Widerspruch zwischen Lektüre und eigenem Leben zur Kenntnis, ohne diese Selbstbeschränkung zu überwinden.
Welche Inspiration hinterlässt Ihr Schreiben, Ihre Weltsicht, Ihr Künstlerinsein?
Meine Begeisterung für österreichische Literatur aber prägte unter anderem Barbara Frischmuth, ich bedauere heute sehr, ihr nie persönlich begegnet zu sein. Sie steht für mich stellvertretend für Literatinnen, die gezeigt haben, dass Österreich viel mehr ist als das idyllische Urlaubsland für Berg-begeisterte Deutsche. Und da, wie Klaus Kastberger nicht müde wird, zu betonen, die Geschichte der deutschsprachigen Literatur ein einziges Missverständnis zwischen Deutschland und Österreich sei, dass nicht von Kenntnis, sondern gegenseitigen Spiegelungen geprägt sei, freue ich mich, dass Walter Pobaschnig mich gebeten hat, aus meiner deutschen Sicht Barbara Frischmuth zu würdigen. Eine der Wortkünstlerinnen aus dem kleineren deutschsprachigen Land, die uns vorgeführt hat, dass geografische Größe nichts mit literarischer Größe zu tun hat.
Gibt es ein Zitat/eine Textstelle von Ihr, die Du uns noch mitgeben möchtest?
„Sich anschließen oder sich ausschließen: als ob wir die Wahl hätten!“
Das ist aus Klosterschule, 1. Satz Kapitel 2. Das ist nur einer von hunderten Lieblingssätzen
Vielen Dank für das Interview!

*5.7.1941 Altaussee +30.3.2025 Altaussee
Barbara Frischmuth, Schriftstellerin
geboren 1941 in Altaussee, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und war seitdem freie Schriftstellerin. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin lebte seit 1999 wieder in Altaussee. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Romane „Die Klosterschule“ (1968), „Die Mystifikationen der Sophie Silber“ (1976) oder „Kai und die Liebe zu den Modellen“ (1979), aber auch ihre zahlreichen Gartenbücher. Zuletzt im Residenz Verlag erschienen: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“ (2021)„Schaufel, Rechen, Gartenschere“ in der Reihe „Dinge des Lebens“ (2023) und „Die Schönheit der Tag- und Nachtfalter“ (2025). Der Residenz Verlag trauert um Barbara Frischmuth 31.3.2025

Zur Person_ Bettina von Minnigerode wurde in Hannover geboren. Sie machte 1978 in Hannover Abitur, um alsbald die Stadt zu verlassen: ihre Stationen waren Konstanz, London, Graz, München, Erlangen. Wissenswertes…? Na ja…
Studien: Psychologie, Anglistik, Germanistik und Geschichte. Abschluss als Übersetzerin in Graz. 2008 – 2012 erneut Psychologiestudium in Erlangen (diesmal erfolgreich…)
Berufliches:
Technische Übersetzerin und technische Redakteurin sowie Redakteurin in Abteilung für Produktnamen und Produktbroschüren im Marketing bei Siemens, alles München; Kunsthandel mit Prints and Drawings (Gillray, Cruikshank, Rowlandson, Hogarth) in London; Freiberufliche Übersetzerin für technische Texte, Sachbücher und Museen in München; Ausbildung in systemischer Beratung / Psychotherapie in Nürnberg; Mitautorin Theaterstücke im Autorenkollektiv Poetisches Theater, Nürnberg; Freie Autorin seit 2015, diverse Lesungen in und um Nürnberg. Mitautorin im Poetischen Theater Nürnberg Mitglied im VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller), im Pegnesischen Blumenorden (Sprachgesellschaft in Nürnberg seit dem Barock) und in der Autorengruppe Wortwerk (Nürnberg und Erlangen).
Zahlreiche Veröffentlichungen u.a.
– “Perspektiven – Ein multiples Narrativ”, Bettina v. Minnigerode & Karsten P. Sturm, Iatros Verlag, Sonnefeld 201
– “Lyrical Lapses – Verse und Verfehlungen”, Bettina v. Minnigerode, Iatros Verlag, Sonnefeld 2019
– “Raben spät verlegen”, Kulturmaschinen Verlag, 2022
https://kulturmaschinen.com/wir-kulturmaschinen-autorinnen-2021/bettina-von-minnigerode/
Fotos_
Portrait Barbara Frischmuth: Franz Johann Morgenbesser
Portrait Bettina Frfr. von Minnigerode: privat
Walter Pobaschnig 1.4.2025