
Bachmannpreisträger 1995 _
Fotos_Prater Wien 5/2022 folgende

Romanneuerscheinung: Franzobel, Hundert Wörter für Schnee. Roman. Zsolnay Verlag _ Erscheinungsdatum: 18.02.2025

Lieber Franzobel, in Deinem aktuellen Roman geht es um den Forschungswettlauf zum Nordpol gegen Ende des 19.Jahrhunderts. Der US-Amerikaner Robert Peary gewinnt diesen und nimmt auf der Rückreise auch 6 Inuit Ureinwohner mit. Einer davon, Minik, überlebt und ist nun einer modernen Zivilisation tragisch ausgesetzt.
Wie kam es zu diesem Thema und wie gestaltete sich der Schreib- bzw. Rechercheprozess dazu?
Geschichten aus der Polarregion haben mich schon immer fasziniert. Während der Wettlauf zum Südpol recht bekannt ist, weiß man von der Nordpoleroberung wenig. Auf Minik bin ich zufällig gestoßen. Mich hat vor allem sein Bild gepackt. Die Recherche war nicht ganz einfach, die umfangreichste Darstellung über Miniks Leben gibt es nur auf Dänisch, das ich nicht beherrsche. Durch etwas Glück habe ich eine der weltweit besten Inuit-Expertinnen kennengelernt – Verena Traeger, die mir sehr geholfen hat. Sie hat mich auch nach Nordgrönland begleitet, mir viel erzählt, und so sind wir auch in Kontakt mit Einheimischen gekommen.

Minik erleidet ein tragisches Schicksal im Zusammenprall mit der modernen Zivilisation. Wie wäre es denn im Gedankenspiel umgekehrt Peary&Crew ergangen, wenn sie in der Polarregion im Volk der Inuit hätten leben müssen. Wie groß wäre ihre Überlebenschance gewesen?
Peary hat viele Jahre in der Arktis gelebt, konnte also mit den technischen Mitteln der Zivilisation (Gaskocher, Ofen, etc.) ganz gut überleben. Er hat viele Methoden der Einheimischen kopiert (Schlittenhunde, Kleidung), aber trotzdem sind immer wieder welche wahnsinnig geworden. Während einer früheren Expedition soll es sogar zu Kannibalismus gekommen sein.

Auch heute ist die Polarregion, Grönland wieder im Mittelpunkt politischer Begehrlichkeiten. Was sollten wir da alle aus dem Stoff Deines Romans gelernt haben bzw. müssen wir lernen?
Die Grundsätze der Inuit „Nimm dir nur so viel, wie du brauchst, sei dankbar und teile“ oder „Du darfst am Lauf der Welt teilhaben, ihn aber nicht verändern“ sind völlig konträr zum westlichen Wachstumswahn. Die Lebensweise dieser Leute ist immer noch bewundernswert und könnte ein Vorbild für viele sein.

„Irgendwann bleib i dann dort“ – ist die Polarregion für Franzobel auch ein Sehnsuchtsort bzw. was macht diese Region für Dich spannend?
Mich hat Nordgrönland sehr fasziniert, und sowohl ich als auch meine Freundin, die Künstlerin Ramona Schnekenburger, wollen da unbedingt wieder hin. Es ist eine atemberaubende Gegend, die Menschen sind großartig.
Darf ich Dich abschließend bitten, den Satz zu vervollständigen – „Ein Buch lesen ist…
wie Serie schauen, nur sehr viel intensiver.“

Vielen Dank für das Interview, lieber Franzobel, viel Freude und Erfolg für Deinen aktuellen Roman!

Franzobel, Hundert Wörter für Schnee. Roman. Zsolnay Verlag.
Erscheinungsdatum: 18.02.2025
528 Seiten Zsolnay Hardcover
ISBN 978-3-552-07543-6
Deutschland: 28,00 €
Österreich: 28,80 €

Bachmannpreisträger 1995 _
Fotos_Prater Wien 5/2022
Interview und alle Fotos _ Walter Pobaschnig
Walter Pobaschnig 2/25