Liebe Stefanie Gregg, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe auf und beginne, mit einem Kaffee, das, was mein Leben ausmacht: dem Schreiben.
Was nicht bedeutet, dass man Worte aneinanderreiht. Man denkt nach, man möchte etwas sagen, etwas ausdrücken, etwas erzählen. Man ringt mit dem, was man mitteilen möchte. Man recherchiert, für ein Buch jahrelang, man schreibt, man ändert jeden Satz, man zweifelt an jedem Wort. Man bringt etwas zu Papier, das nach langer Zeit und viel bürokratischem Branchenaufwand Menschen erreicht.
Und dann hofft man, dass von dem Gemeinten etwas bei den Menschen ankommt.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Jede Sekunde müssen wir jetzt aufmerksam sein, wach, wachsam. Und klar sein, gegen jene Menschen, die vorgeben, Wahrheiten zu haben und Lösungen für alles. Denn für große Probleme gibt es keine einfachen Lösungen und so unangenehm und schwer dies ist, müssen wir das, sanft und mühsam erklären.
Wir müssen achtsam sein, zwischen den Zeilen lesen, wir müssen warnen, und, wenn es nötig ist, müssen wir mutig und laut sein.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Literatur muss wehrhaft sein, immer, aber nun ganz besonders. Literatur muss zum selbständigen Denken aufrufen, muss einfache Wahrheiten anzweifeln und überprüfen, muss neue Wege suchen und immer nach dem Einen suchen: nach dem Menschen.
Was liest Du derzeit?
Juli Zeh: Corpus Delicti.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Rainer Maria Rilke

Vielen Dank für das Interview, liebe Stefanie, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Stefanie Gregg, Schriftstellerin
Zur Person/über mich: Stefanie Gregg, geboren 1970 in Erlangen, studierte Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie promovierte über „Das Lachen“.
Ihren beruflichen Einstieg hatte sie im Bereich Bucheinkauf bei Bertelsmann. Als Unternehmensberaterin arbeitete sie dann bei der Top-five-Unternehmensberatung Kearney mit Schwerpunkt Medien.
Nun schreibt die Münchner Autorin Romane, Kriminalromane und Kurzgeschichten.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt über sie: »Sensorium für Hintergründiges – Die Autorin Stefanie Gregg schaut gerne in die Tiefen der Psyche.«
Stefanie Gregg ist Mitglied im PEN Berlin.
Zudem im Autorenverband DAS SYNDIKAT und im Netzwerk der Krimiautorinnen MÖRDERISCHE SCHWESTERN
https://www.stefanie-gregg.de/
Aktuelle Bucherscheinung:

Stefanie Gregg, Koffer voller Briefe. Roman
Eine Frau und eine große Liebe.
Ein Tod und ein Neuanfang.
Koffer voller Briefe haben sie gefunden, erklären zwei Polizisten dem erstaunten Elias.
Alle an ihn gerichtet. Geschrieben jeden Tag seit dreißig Jahren von einer Frau, die ihn liebte. Und die gestorben ist, ohne ihn je wiedergesehen zu haben, nachdem er sie als Achtzehnjähriger nach einer kurzen Beziehung verlassen hatte.
Elias begibt sich auf die Suche nach dem Leben dieser Frau, und damit auch auf die Suche nach sich selbst.
edition federleicht
16,00 € inkl. MwSt
https://www.edition-federleicht.de/produkt/koffer-voller-briefe
Foto_ Angelika Bardehle
Walter Pobaschnig 23.1.2025