„zu verstehen wie unterschiedlich wir alle sind“ Valentin Alfery, Tänzer und Choreograf _ Wien 3.11.2024

Lieber Valentin Alfery, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Mein Tagesablauf ist seit Jahren unregelmäßig und deshalb schwer zu definieren. Ich reise viel und befinde mich oft in verschiedenen Projekten die mit Choreografie, Tanz oder im weiteren Sinn mit Kreativität zu tun haben und häufig ihre eigene, intensive Dynamik haben. Generell trinke ich morgens Tee und nutze als Frühaufsteher die Zeit um Nachrichten zu lesen oder zu schauen. Ab dann ist es wirklich sehr unterschiedlich – ich versuche in irgendeiner Form immer etwas mit Bewegung im Tagesplan unterzubringen, bin aber auch zu viel Organisationsarbeit gezwungen, also Emails. Aktuell kommt auch ein höheres Lernpensum dazu, da ich gerade ein Masterstudium in Choreografie in den Niederlanden absolviere.

Valentin Alfery, Tänzer und Choreograf

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich glaube zu verstehen wie unterschiedlich wir alle sind – deshalb ist es auch so schwer diese Frage an irgendetwas Konkretem fest zu machen. Unterschiedliche Umstände und Einflüsse erzeugen ein sehr breites Spektrum an Lebensrealitäten – weit diverser als viele sich vorstellen können. Je mehr Sinn wir dafür entwickeln können und je interessierter wir an anderen sind – gerade als einzelne Person – desto größer kann unsere Akzeptanz für einander werden.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Mir selber hat Kunst viele Türen geöffnet und gemacht, dass ich andere und mich selbst besser verstehen kann. Neben den von Künstler*innen und deren Werken transportierten Inhalten, wird man auf ästhetischen oder emotionalen Ebenen angesprochen. Wenn man dafür offen ist – ehrlich interessiert und trotzdem kritisch – erhält man Zugang zu Welten, die man sich davor gar nicht hat vorstellen können. Hat man ein paar positive Erfahrungen gemacht und eine gewisse Schwelle überwunden, lassen sich durch die Bank und in allen Genres, von Tanz, Malerei, Fotografie, Musik, Theater über Literatur, Architektur, Medienkunst, usw. wahre Schätze heben, Dinge die dich wirklich weiterbringen. Da bleibt kein Auge trocken und Gänsehaut ist garantiert, wenn man dranbleibt. Es ist schon anstrengend, aber auch riesengroß und wunderschön, mit allen Facetten die das Leben so bietet. Das erdet enorm in dieser Zeit in der man gefühlt wenig Halt hat.

Hungry Sharks _ Die Tanzkompanie Hungry Sharks wurde 2011 von Choreografen Valentin Alfery und Fotografin/Creative Producer Dušana Baltić gegründet.
Foto: Destination FCKD – Szene Salzburg 2024 _ folgende

Was liest Du derzeit?

The birth of breaking von Serouj Aprahamian. Für mich ein wirklich wichtiges Buch über die Entstehung von breaking in New York.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

If you want to be a grocer, or a general, or a politician, or a judge, you will invariably become it; that is your punishment. If you never know what you want to be, if you live what some might call the dynamic life but what I will call the artistic life, if each day you are unsure of who you are and what you know you will never become anything, and that is your reward.

Oscar Wilde

Hungry Sharks
– Destination FCKD –
Szene Salzburg
2024
_ folgende
Valentin Alfery, Tänzer und Choreograf

Vielen Dank für das Interview, lieber Valentin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Tanz-, Kunstprojekte und persönlich alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen: Valentin Alfery, Tänzer und Choreograf

Zur Person/über mich: Valentin Alfery

Valentin Alfery ist ein autodidaktischer Tänzer und Choreograf, der aus der Street-/Club-Szene kommt. Während er in der europäischen Jam- und Battle-Szene verwurzelt ist, begann er 2004 als freiberuflicher Tänzer in Theaterprojekten zu arbeiten. Zusammen mit Dušana Baltić ist Valentin Mitbegründer und Co-Leiter der österreichischen Tanzcompagnie Hungry Sharks. Nach seinem ersten großen Bühnenwerk Falling aus dem Jahr 2009 realisierte er mit den Hungry Sharks sieben abendfüllende Produktionen, die Unterwasser-Tanzperformance Zeitgeist und mehrere Kurzstücke sowie Kreationen in Auftrags-, akademischen oder projektbezogenen Kontexten. Die Arbeit der Hungry Sharks wird von drei österreichischen Bundesländern Wien, Salzburg und Kärnten sowie von der Kulturabteilung des Landes Österreich gefördert. Seit 2016 werden die Stücke regelmäßig von brut Wien und Szene Salzburg koproduziert.

2019 wurde Young Sharks als Projektreihe für aufstrebende Tänzer*innen aus dem urbanen Bereich initiiert, um Erfahrungen in theatralen Kontexten zu sammeln. Valentin Alfery arbeitete 2021 als Gastlehrer und Choreograf an der HF Bühnentanz in Zürich, sowie 2022 an der SEAD (Salzburg Experimental Academy of Dance) und der MUK (Tanzausbildung der Musik- und Kunstuniversität Wien). Neben seiner Arbeit als freischaffender Choreograf und Performer (u.a. mit Simon Mayer) ist er seit 2013 als Puppenspieler in Opernprojekten der Blind Summit Puppet Company tätig. Seit 2020 ist er Teil der Puppenbesetzung der Repertoireoper Madama Butterfly von Anthony Minghella an der Wiener Staatsoper, die laufend gezeigt wird.

Von 2018-2022 kuratierte er als künstlerischer Co-Direktor Street Art, Tanz, Performance und Musik im Rahmen des Ganzjahresprogramms der kulturschiene Salzburg (30 Outdoor-Events pro Saison, Budget 150.000 €). Valentin Alferys Kreationen sind in einem breiten künstlerischen Spektrum zu verorten und unterscheiden sich voneinander. Sie beziehen sich oft auf soziale Themen und beinhalten eine starke urbane Bewegungssprache, die Arbeit mit abstrakten Elementen und eine strukturelle Logik, die sich meist durch das Sortieren von Material oder das Finden von Mustern und Verbindungen zwischen Themen entwickelt. Kennzeichnend für seine Praxis sind Körper, die sich in sich wiederholenden Bewegungsmustern bewegen, die Arbeit mit Schleifen oder Wiederholungen, das Komponieren von Bildern mit Körpern oder die Verwendung von Klebeband. Valentin ist Teil verschiedener Projekte, Gruppen und Kollektive und tritt bis heute regelmäßig auf der Straße auf, um sich eine gewisse Perspektive auf seinem künstlerischen Weg zu bewahren.

Hungry Sharks

Die Tanzkompanie Hungry Sharks wurde 2011 von Choreografen Valentin Alfery und Fotografin/Creative Producer Dušana Baltić gegründet und entwickelt sich seitdem in Co-Leitung stetig weiter. Über wechselnde Formate, Orte und Konstellationen werden regelmäßig Stücke für die Bühne sowie ortsspezifische Räume geschaffen, die durch hohe Physikalität, einer starken visuellen Ebene, das Aufgreifen gesellschaftlicher Themen und einen konzeptionell-choreografischen Ansatz gekennzeichnet sind. Ihre Produktionen touren regelmäßig durch Europa und wurden bereits in den USA und Sri Lanka gezeigt. 

Aktuelle Projekte_

Vorstellungen im brut Wien:

Hungry Sharks _ Destination FCKD

15.–19. November, 20:00, brut nordwest

https://brut-wien.at/de/Programm/Kalender/Programm-2024/11/Hungry-Sharks

Fotos: Portrait_Elena Jankovic; Hungry sharks _ Bernhard Müller.

Walter Pobaschnig _ 26.10.2024

https://literaturoutdoors.com

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