Liebe Sara Stubenbaum, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Aus dem Bett schlafwandeln, eine Zeit lang Löcher in die Luft starren, Gedanken vorbeiziehen sehen, etwas aus dem Kleiderschrank fischen und ab ins Atelier. Entweder auf dem Drahteselchen oder gemütlich zu Fuß mit meinem Betreuungshund, Abstecher durch den Park inklusive.
Dann bei einem kleinen Frühstück erörtern, was an dem Tag am dringendsten gemacht werden möchte (inhaltlich sehr unterschiedlich). Tee aufsetzen und öfters mal vor lauter Gedanken vergessen. Ein kurzer Blick auf die Mails und auf in den Kampf! Morgens meistens Recherchen oder dort weitermachen, wo am Abend das jeweilige Arbeitsgerät fiel… Wenn mittags der Hunger ruft, wird erstmal der Kochlöffel in der Atelierküche geschwungen (Atelierkollegin freut sich).
Nach dem Essen Tauziehen mit der feuchten Schnauze, Ideen sammeln und aufzeichnen, malen, an Entwürfen arbeiten oder weiter nach potenziellen Kunden suchen. Zwischen 16 und 17 Uhr plötzlicher Energieabfall. Ein guter Zeitpunkt, um spazieren zu gehen und den Hund nach Hause zu begleiten oder eine Einkaufstour zu machen.
Dann auf zur Abendschicht im Atelier. An manchen Tagen bewegt sich die Arbeit solide und stetig bis 22 Uhr, an anderen schleppt es sich voran, bis plötzlich nach 22 Uhr alles glasklar wird und ein Turboantrieb freigeschaltet wird. Der muss natürlich genutzt werden, denn an solchen Abenden passiert manchmal mehr als an mehreren Tagen zusammen!
Radle dann zufrieden um 2 oder 3 Uhr in den kühlen Feierabend. An den weniger produktiven Tagen versuche ich, mich wenigstens so lange am Tisch zu halten, bis wenigstens eine Sache vernünftig vorankam, doch die Ergebnisse daraus sind meist wenig zufriedenstellend.

multidisziplinäre Künstlerin und Designerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die Verbindung zu sich selbst nicht verlieren, bei allem Lärm der uns umgibt. Mehr im Inneren als im Äußeren suchen. Sich im Klaren darüber sein, was man wirklich fühlt und was einem wichtig ist. Seinem eigenen Urteil vertrauen. Wirklich zuhören, hinterfragen, versuchen ernsthaft zu verstehen und nicht vorschnell mit dem „Ver-urteilen“ sein. Stempel und Schubladen, dort lassen wo sie hingehören (im Büro). Sich nicht von Ängsten leiten lassen. Nicht alles zu ernst nehmen. Leben und leben lassen. Stetig seinen Weg beschreiten, mit wachem Auge auf all die Möglichkeiten, die auch trotz äußeren „Beschränktheiten“ bestehen (oder wegen ihnen entstehen). Denn beide wachsen mit der Aufmerksamkeit. Mit seinen Träumen in die Realität rudern. Hier kommt die Kunst ins Spiel! Die halte ich für überlebensnotwendig.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Wir leben gleichzeitig in stetem Wandel und doch ewigem Stillstand. Die Kunst ist dabei immer wesentlich. Vielleicht verändert sich ihre Form, doch es wird sie immer geben. Solange wir es zulassen wird sie immer alles können und wir mit ihr. Was gibt es Schöneres, als in ihr eine ewige Gefährtin und Verbündete zu wissen?
Was liest Du derzeit?
„Room to dream“ David Lynch, „Der vierte Musketier“ Ralf Junkerjürgen, „Heute kaufe ich alle Farben“ Karin Anema, „Was die Seele essen will“ Julia Ross
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.“ – Astrid Lindgren
“In dem Augenblick,
in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt,
bewegt sich die Vorsehung auch.
Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären,
geschehen, um einem zu helfen.
Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt
durch die Entscheidung, und er sorgt zu den eigenen Gunsten
für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle,
Begegnungen und materielle Hilfen,
die sich kein Mensch vorher
je so erträumt haben könnte.
Was immer Du kannst, beginne es.
Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie. Beginne jetzt.”
– Johann Wolfgang von Goethe
Vielen Dank für das Interview, liebe Sara, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Sara Stubenbaum, multidisziplinäre Künstlerin und Designerin
Zur Person/über mich: Ich bin Designerin und multidisziplinäre Künstlerin, aufgewachsen in Friedrichshafen am Bodensee. Ich lebe und arbeite derzeit in Trier, wo ich 2023 mein Masterstudium im Fach Modedesign beendete. Aktuell arbeite ich als freiberufliche Textildesignerin und Künstlerin.
In meinem Schaffen gibt es keine Grenzen zwischen Kunst und Design, alles fließt selbstverständlich ineinander über. Das war für mich schon als Kind das natürlichste der Welt; ich zeichnete, entwarf Kleider, modellierte, malte, alles war eins und das ist es heute noch. Das wohl einzige das sich hier geändert hat, ist die Erkenntnis, dass die Meisten das wohl anders sehen.
Kunst bedeutet für mich die unendliche Freiheit, nämlich die, eine eigene Welt erschaffen zu können und andere daran teilhaben zu lassen. Sie unterliegt nicht den Beschränkungen des Alltags, nährt Seele und Geist. Bekleidung bietet hierfür ein reiches Medium, wenn sie mit derselben Intention kreiert wird. Man kann sich in künstlerischer Konzeptentwicklung, plastischem sowie zeichnerischem/malerischem Arbeiten, unendlichen Möglichkeiten im Zusammenspiel mit Farbe, Form und Material und dessen Oberflächenbearbeitung, Installation und Performance ausleben und Gleichzeitig arbeitet man wie ein Dirigent oder Regisseur und orchestriert seine Vision, sein Gefühl verdichtet zu einem Werk, das in dem Fall in dem Träger sowie dem Betrachter etwas bewegt, eine besondere Erfahrung beschert.
Mode im Sinne von Trend interessiert mich hingegen wenig. Für mich zählt einzig das Potenzial, das Bekleidung bietet mehr Kunst in unser Leben zu tragen.
Mehr Infos unter: www.sarastubenbaum.de
Foto: privat
Walter Pobaschnig _ 28.8.2024