+Alain Delon, Schauspieler, Produzent * 8. November 1935 in Sceaux/F; † 18. August 2024 in Douchy/F.
Lieber Herr Krenn, Sie haben sich in Ihrem viel beachteten Buch „Romy&Alain – Eine Amour Fou“, Aufbau Verlag 2013 mit Leben, Werk, Liebe des Schauspielers Alain Delon beschäftigt, was machte für sie den Menschen, Liebenden und Künstler aus?
Delon war im Grunde sicher ein einsamer Mensch, der sich in dieser Rolle aber auch durchaus wohlfühlte. Im Gegensatz zu dem humorvollen und sehr zugänglichen Star Jean-Paul Belmondo hat er sich ganz bewusst als unerreichbarer Solitär inszeniert, der nur Wenigen Zugang zu seiner Persönlichkeit erlaubte. Schöne Frauen verführte er oder ließ sich von ihnen verführen. Als Künstler konnte er viele Jahre hindurch aus interessanten Angeboten wichtiger Regisseure auswählen und hat daher relativ spät eher simpel konstruierte Actionfilme gemacht. Gravierende Abstiege in seiner Karriere blieben ihm erspart, gegen Ende seines Lebens musste er aber erkennen, dass die Filmwelt nicht mehr die seine war.
Wie hat Sie die Nachricht vom Tod Alain Delons erreicht und was war Ihre Reaktion?
Die Nachricht kam nicht unerwartet, da man schon längere Zeit von Delons angegriffenem Gesundheitszustand wusste. Mir war bewusst, dass damit ein Leidensweg zu Ende ging, denn die vergangenen Jahre waren sicher nicht nach der Vorstellung eines lebenshungrigen Mannes wie Delon es früher war.
Was machte für Sie den Schauspieler Delon aus und welche Bedeutung hatte dieser für die französische wie generelle Filmgeschichte?
Alain Delon konnte auf eine Traum-Karriere zurückblicken. Er hat sich zu Beginn der 1960er Jahre ohne nennenswerte schauspielerische Ausbildung durch die Führung einiger brillanter Regisseure wie Luchino Visconti, Jean-Pierre Melville oder Michelangelo Antonioni zu einem der führenden Schauspieler Frankreichs entwickelt, der darüber hinaus auch weltweit Bekanntheit erlangte. Er spielte die Hauptrolle in einigen Filmen, die heute als Klassiker gelten. Dadurch erreichte er schon zu Lebzeiten eine Art Unsterblichkeits-Status. Er zählt zu den Akteuren, die sofort wiedererkennbar sind, deren Nimbus weiterwirkt.
Wie ging der Schauspieler mit seiner französischen Konkurrenz wie Depardieu oder Belmondo um bzw. wie akzeptiert war Delon?
Er war in jeder Hinsicht ein Alpha-Tier, schätzte jedoch die Qualität anderer Akteure wie etwa Jean Gabin, Maurice Ronet oder Jean-Paul Belmondo, mit denen er auch gemeinsam vor der Kamera stand. Unter seinen Kollegen war Delon zweifellos akzeptiert, vielleicht auch nolens volens… Wie sehr man sich persönlich mochte, ist schwer zu sagen. Belmondo etwa war zu Beginn beider Karrieren jahrelang sein Rivale, man kann die legendäre Prügelszene der beiden im Film Borsalino nicht ohne Schmunzeln betrachten. Es war aber auch bewegend zu sehen, wie Delon Belmondo nach dessen Schlaganfall bei einem gemeinsamen Auftritt stützend seinen Arm bot. Da waren beide längst über 70 Jahre alt. Absolut pflegeleicht war Delon bedeutenden Regisseuren gegenüber, denen er sich vertrauensvoll überließ.
Die Kindheit Delons war sehr schwierig. Wie waren die Umstände und wie prägend war dies für ihn persönlich und für seinen künstlerischen Weg?
Betrachtet man Delons Kindheit, fühlt man sich an einen Roman von Charles Dickens oder Victor Hugo erinnert. Nach der Scheidung seiner Eltern wurde er mit vier Jahren Pflegeeltern überantwortet, die starben, als er elf Jahre alt war. Danach flog er aus diversen Internaten, kam in eine Lehre als Fleischhauer und ging als Soldat nach Indochina. Der Umgang mit dem Tod dort, das Martialische an sich, prägte ihn für sein weiteres Leben. Nach ein wenig Schauspielunterricht wurde er für den Film entdeckt, damit begann seine kometenhafte Karriere.
Welche Schlüsselereignisse würden Sie im Leben Delons hervorheben?
Die traurigen Erfahrungen in seiner Kindheit, sein militärischer Einsatz an der Front in Indochina, sowie sein über lange Zeit gepflogener Umgang mit Gangsterkreisen haben seine frühen Jahre bestimmt. Künstlerisch wichtig war die Chance, mit Filmen von Luchino Visconti und Jean-Pierre Melville Kinogeschichte zu schreiben.
Was machte die „Amour Fou“ mit Romy Schneider aus, wie prägte diese beide?
Alain Delon hat im Laufe der Jahre verstanden, dass er und Romy Schneider in gewisser Weise für immer zusammengehören werden, zumindest in der Phantasie des Publikums. Warum die Beziehung nicht hielt, ist schwer zu sagen, es lag auch daran, dass sich ihre beiden Karrieren zu dem Zeitpunkt, als sie ein Paar waren, sehr unterschiedlich entwickelt haben. Delons Karriere war im Höhenflug, die von Schneider stagnierte zu dem Zeitpunkt. Man war oft getrennt. Und Delon dürfte kaum ein Abenteuer mit einer anderen Schauspielerin ausgelassen haben. Aber in den späteren Lebensjahren entstand aus der einstigen Beziehung eine echte Freundschaft, in der Delon immer wieder in entscheidenden Momenten für Romy Schneider da war, man kann sagen, bis über ihren Tod hinaus.

Die Liebesgeschichte von Alain Delon und Romy Schneider begann in Wien. Wie waren die Umstände und wie fanden sie zueinander?
Sie trafen sich vor den Dreharbeiten zu Christine 1958 in Paris und waren sich zunächst gar nicht sympathisch. „Geschmacklos und uninteressant“ urteilte Schneider über ihn, er wiederum nannte sie eine „blonde Gans“. Während der Dreharbeiten lernten sie einander besser kennen und verliebten sich. Nachdem der Film abgedreht war, hoffte Romys Mutter, dass ihre Tochter den Flirt bald vergessen würde, denn es warteten Ferien und dann ein neuer Film auf sie. Aber Romy Schneider reiste nicht zu ihrer Familie nach Hause sondern folgte Delon nach Paris. Das war der entscheidende Bruch mit ihrer Familie.

Wie ging die Familie Romy Schneiders mit dem Freund, Verlobten ihrer Tochter um?
Delon war für Romy Schneiders Familie das personifizierte Feindbild. Ein junger Mann mit zwielichtigem Vorleben, der die bis dahin fügsame Tochter abspenstig machte, die zu ihm nach Paris in eine unsichere Zukunft zog. Es bestanden schließlich noch laufende Verträge für Filme, wobei die Verleiher, die gerne eine makellos brave Romy verkauften, bald lieber ohne Fräulein Schneider planten. Damit bangte die Familie um eine veritable Einnahmequelle, um „das beste Pferd im Stall“. Zudem war Delon Franzose und man darf nicht vergessen, wie belastet das deutsch-französische Verhältnis nach dem Krieg noch für Jahrzehnte war.
Welche Bezugspunkte ihrer Liebe gibt es in Wien? Wo hielten sie sich auf, was schätzten sie an Wien?
Da ist wohl hauptsächlich das Hotel Sacher und dessen Umgebung zu nennen. Magda und Romy Schneider logierten bei Wiener Dreharbeiten regelmäßig dort, ihre Zimmer waren mit einer Doppeltür verbunden. Delon wohnte auch dort und verletzte mit Bluejeans, saloppen Pullovern und ungekämmtem Haar regelmäßig die damals üblichen Bekleidungsvorschriften. Als Mutter Schneider eines Tages unangemeldet im Sacher auftauchte, fand sie das Liebespaar in flagranti vor…
Was machte für Romy Schneider die Faszination Delon aus?
Es ist leicht nachzuvollziehen, dass man einer enigmatischen, blendend aussehenden Persönlichkeit wie Alain Delon verfallen kann. Zudem verkörperte er, was sich Romy Schneider 1958 – mit zwanzig Jahren also – sehnsüchtig herbeiwünschte: Aus dem geschützten Familienverband, der sie teilweise auch bevormundete, auszubrechen in persönliche Freiheit mit allen Vorteilen und Risiken. Das prägte sie und in gewisser Weise blieb Delon der vielzitierte „Mann ihres Lebens“, wobei sich die Liebe nach einer Phase der Trennung in tiefe Freundschaft umwandelte.
Was wird von Leben und Werk Delons unvergesslich bleiben?
Einige bedeutende Filme wie Rocco und seine Brüder, Der Leopard, Der eiskalte Engel oder Der Swimming Pool, eine jederzeit wiedererkennbare ikonische Präsenz und die Gewissheit, dass faszinierende Künstler nicht unbedingt die einfachsten Menschen sind. Aber warum auch?
Vielen Dank für das Interview!
Sehr gern!

Zur Person: Günter Krenn, geboren 1961, Studium der Philosophie und Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Zahlreiche Publikationen zum Film u. a. über Billy Wilder, Louise Brooks und Walter Reisch. Er lebt in Wien und ist dort Mitarbeiter des Österreichischen Filmmuseums.
Im Aufbau Verlag ist „Die Welt ist Bühne. Karl-Heinz Böhm. Die Biographie“ erschienen und im Aufbau Taschenbuch „Romy Schneider. Die Biographie“ sowie „Romy & Alain. Eine Amour fou“. (Text_Aufbau Verlag)

Portrait_Günter Krenn_privat.
Portrait _ Romy Schneider et Alain Delon_ Postkarten_ 1958_Sam Levin; Romy&Alain AKG; Alain Delon au festival de Cannes 2013 _ Georges Biard.
Walter Pobaschnig 26.8.2024