Liebe Heidi König-Porstner, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Jeder Tag ist anders. Manche verbringe ich fast zur Gänze vor dem Computer, mit Gedichten, Übersetzen, Recherchearbeiten…Ich versuche dann, zumindest abends noch eine Stunde Sport oder wenigstens Spazierengehen einzuplanen, aber das gelingt nicht immer, es ist oft schwer, sich von Texten zu trennen.
An anderen Tagen sind Veranstaltungen zu planen oder auch – mit einem neu gegründeten Verlag – Autor :innen zu treffen: das bringt viel Bewegung und frischen Wind!
Einziger Fixpunkt ist eigentlich das Frühstück mit meinem Mann, für das wir uns immer sehr viel Zeit nehmen, bevor dann jeder für sich zu seinen Tätigkeiten aufbricht. Erst einmal ausgiebig plaudern bei Kaffee und Toast mit Marmelade, das Handy auf stumm geschaltet…das ist unser Morgenritual.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Mehr echte, unmittelbare Kommunikation zwischen Menschen, eine Gesprächs- und Diskussionskultur, die auf wirkliches Verstehen ausgerichtet ist – im Gegensatz zur bloßen Meinungsabgabe via „Likes“ oder roten Stricherln im virtuellen Raum. Dazu gehört auch Neugierde: wie erleben andere die Welt, wie sind sie zu den Standpunkten gekommen, auf denen sie jetzt stehen? Und sich auch selbst bei der Nase nehmen: wie bewusst bin ich mir meiner eigenen Meinungsfindungsprozesse? Lebe ich womöglich selbst in einer „Blase“ und wiederhole bloß besserwisserisch immer wieder, was „wir“ für richtig halten?
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Eine ganz entscheidende. „Without art, our ability to think, to see freshly, and to renew our world would wither and die.“ schreibt Salman Rushdie in „Knife“. Erneuerung nährt sich seit jeher aus Kunst und Literatur: aus dem mutigen Aufzeigen der Bruchstellen gegebener Systeme, dem Finger, der sich auf die Wunde legt, und andererseits aus den sich Raum träumenden, oft überbordenden Phantasien darüber, was vielleicht einmal sein könnte. Also: mutig zeigen und sagen, was ist; träumen, was werden könnte… – ohne darauf zu schielen, was „ gut ankommt“ oder was vielleicht einen Shitstorm auslösen könnte. Ich habe in letzter Zeit gerade von jungen Künstler :innen öfter gehört, dass ihnen der Hass in den Sozialen Medien große Sorgen macht. Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Umso größer mein Respekt vor jenen, die sich davon nicht beirren lassen.
Was liest Du derzeit?
Derzeit bin ich auf den ersten Seiten von Orhan Pamuks „Schnee“.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein weiteres von Salman Rushdie, das mir sehr wichtig ist:
„Art is not a luxury. It stands at the essence of our humanity, and it asks for no special protection except the right to exist.
It accepts argument, criticism, even rejction. It does not accept violence.“
Vielen Dank für das Interview, liebe Heidi, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen: Heidi König-Porstner, Übersetzerin, Autorin, Verlegerin
Zur Person: Heidi König-Porstner, geboren 1965, kam 1984 aus dem niederösterreichischen Mostviertel nach Wien – ursprünglich, um zu schreiben und Sprachen zu studieren.
Über die Beschäftigung mit japanischer Dichtung gelangte sie zum Karate, das sie nach wie vor ausübt und – als eine der ersten Frauen – lange Zeit hauptberuflich lehrte (u.a. von 1993-2013 am Universitätssportinstitut Wien).
In derselben Zeit publizierte sie unter ihrem Mädchennamen Adelheid Anna König erste literarische Texte (u.a. „Lippenmale“, Edition Doppelpunkt 1993), hielt zahlreiche Lesungen in Wien und Umgebung und erhielt 1993 das Nachwuchsstipendium für Literatur des BMUK.
Nach Abschluss eines Übersetzerstudiums war sie als Forschungsmitarbeiterin am Institut Wiener Kreis und Institut für Zeitgeschichte tätig und publizierte u.a. zur Rezeption der Einstein’schen Relativitätstheorie (Adelaide, Australien 2006) und zur Philosophie Moritz Schlicks (Springer, Wien 2012)
Heidi König-Porstner ist es ein Anliegen, historische und politische Forschung mit literarischem Schreiben und Literaturübersetzung zu verbinden.
2017 publizierte sie Biographie und Texte der als „erste Feministin“ bekannten mexikanischen Dichterin Sor Juana Inés de la Cruz. („Sor Juana Inés de la Cruz: Nichts Freieres gibt es auf Erden“, konkursbuch-Verlag, Tübingen 2017.)
Für die Übertragung der Gedichte Sor Juanas ins Deutsche erhielt sie 2018 den Spanischen Übersetzerpreis.
Seit 2017 arbeitet sie historisch zur Geschichte des Massakers von Jonestown 1978 und zeichnet u.a. verantwortlich für die Literaturprojekte Jonestown-ein Lesebuch und Lyrik aus Jonestown. (San Diego, 2017-2024)
Im Jahr 2024 gründete sie in Wien den LEIWAND-Verlag.
Aktuelle Buchpräsentation: „Christa Urbanek“
UNIKAT – Geschichten von und über Christa Urbanek

Christa Urbanek (1947 – 2021) war eine Ausnahmekünstlerin. Eine, die ihr Leben als Realsatire auf die Bühnen brachte und dabei so authentisch war, „wie es eine Kunstfigur nie sein könnte“ (Claus Tieber)
Eine, deren Ungeniertheit und Direktheit oft schockiert haben, auf der Bühne wie privat – und deren weit offenes Herz denen, die sie kannten auf immer in Erinnerung bleibt.
Eine die Solidarität gelebt hat – und immer wieder großartig mit Kunst zu verbinden wusste.
Für ihr soziales Engagement wurde ihr 2012 von Stadträtin Sonja Wehsely das „Goldene Wienerherz“ verliehen.
Gemeinsam mit Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern erinnert Christa sich in diesem Lesebuch an ihren Werdegang, ihre Jahre als Akteurin der legendären Rockband Drahdiwaberl, ihre ersten Gehversuche in Schauspiel und Kabarett und ihre
Erfolgsprogramme „Unikat“ und „Remasuri“: ein Streifzug durch die Kleinkunst- und Theaterszene der 80er bis 10er Jahre – und das Porträt einer ungewöhnlichen Künstlerin, die für diese Szene gelebt hat.
Unikat
Autor: Christa Urbanek, Karl König u.a.
LEIWAND Verlag
ISBN: 978-3-200-09748-3
EUR 21,50
Christa ist nicht mehr, deshalb werden Freund_innen und Künstler_innen die Ihr nahe standen, am 15.9. das posthum erscheinende Buch im Rahmen eines vielschichtigen Abends in memoriam Christa Urbanek der Öffentlichkeit präsentieren.
Am 18.12. steht dann zu ihrem Gedenken auch nochmal ein „Weihnachtsspäschl“ mit zahlreichen Künstler_innen auf dem Programm, dessen Erlös der Vinzi Rast zu Gute kommen wird
Ein Abend in memoriam Christa Urbanek mit:
El Awadalla, Tanja Ghetta, Maria Sukup,
Claus Tieber, Sonja Penz, Richard Weihs u.v.a.
Moderation: Heidi König-Porstner (Verlegerin)
Aera _15.9.2024 (20.00 Uhr) 1010 Wien; Gonzagagasse 11
Kartenreservierung unter: leiwandverlag@gmail.com
Eintritt: € 10,-

WEIHNACHTSSPÄSCHL 18.12.2024 (20.00Uhr)

in memoriam „Christakind“ Urbanek
zu Gunsten der Vinzi-Rast mit:
El Awadalla, Erik Trauner, Claus Tieber, Richard Weihs u.v.a.
(die komplette Liste der Mitwirkenden wird im Herbst feststehen)
AERA 1010 Wien; Gonzagagasse 11
Kartenreservierung unter: leiwandverlag@gmail.com
Eintritt: € 15,–
Pressebetreuung: GAMUEKL – Gabriele Müller-Klomfar
Fotos: Heidi Koenig-Porstner_privat; Christa Urbanek+ _Greindl.
Walter Pobaschnig _ 20.8.2024