
Romanschauplatz _ Malina _ Wien _
Malina, Roman, Ingeborg Bachmann 1971.
















































































































Romanschauplatz _ Malina _ Wien _
Malina, Roman, Ingeborg Bachmann 1971.
Sandra Schößler, Schriftstellerin _Wien_performing „Malina“ _
„Malina“ Ingeborg Bachmann. Roman, 1971.
Fotos_Romanschauplatz Malina_Wien.
Zum Projekt: Das Bachmann Projekt „Station bei Bachmann“ ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Theater/Performance und Bildender Kunst.
Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.
Künstler:innen werden eingeladen an diesem Projekt teilzunehmen und in ihren Zugängen Perspektiven zu Werk und Person beizutragen.

Liebe Sandra Schößler, wir sind hier an literarischen Bezugsorten des Romans „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann in Wien. Sind Dir die Orte hier vertraut?
Ich hatte noch eine vage Vorstellung, als ich Bachmanns Roman las. In der Ungargasse besuchte ich früher das Italienische Kulturinstitut. Die breite Schienenstraße mit den hohen Gründerzeithäusern ist mir dabei als ein Stück „altes Wien“ aus meiner Jugendzeit in Erinnerung geblieben.

Welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Ingeborg Bachmann und dem Roman Malina?
Ich habe Malina letzten Sommer zum ersten Mal gelesen und Ingeborg Bachmanns Sprache hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die gnadenlose Innenschau, die sich mithilfe so differenzierter Mittel der Sprache offenbart, machte es stellenweise fast unerträglich, in die psychischen Vorgänge der Protagonistin einzutauchen.

Welche Eindrücke hast Du von den Schauplätzen in der Ungargasse, die wir besucht haben?
Wir haben hauptsächlich in der Ungargasse 9 fotografiert, also dem Haus, in dem Ivan im Roman wohnt. Mich auf die ambivalenten Emotionen einzulassen, die die Ich-Erzählerin mit der Beziehung zu Ivan verbindet, war durchaus eine Herausforderung. Während in Ivans Haus Hoffnung und Liebesglück erfahrbar waren, konnte ich die dunkle Seite der Verzweiflung in einer mutmaßlich traumatisierten emotionalen inneren Welt erleben, als wir die Aufnahmen im verzweigten Keller des Hauses machten.













Wie siehst Du den Aufbau und das Konzept des Romans?
Die drei Teile des Romans sind so facettenreich und steigern sich in ihrer Intensität fast ins Unerträgliche. Im ersten Kapitel erleben wir den positiven Aufbruch der Protagonistin, die sich hoffnungsvoll auf die intensive Liebe mit Ivan (oder ihren Traum davon?) einlässt. Der zweite Teil schildert die vielfache Misshandlung durch den Vater in alptraumhaften Sequenzen. Im dritten Kapitel schließlich beginnt sich die Welt der Protagonistin schrittweise aufzulösen und am Ende gänzlich zu zerstören.








Was sind für Dich zentrale Themen und Aussagen des Romans?
Am stärksten beeindruckt hat mich der wortgewaltige Zugang zu intensiven Emotionen – Liebe, Angst, Hoffnung, Verzweiflung, Selbstaufgabe. Die Frau, die zwischen zwei Männern steht, kämpft am Ende des Tages gegen ihre eigenen Dämonen aus der Vergangenheit.


Wie ist die Beziehung zwischen Mann und Frau im Roman dargestellt und wie ist dies heute zu sehen?
Die Beziehungen der Ich-Erzählerin spiegeln ihren inneren Kampf in einem patriarchalen System wider. Weder Malina noch Ivan können sie annähernd als die Person wahrnehmen, um deren Identität sie selbst ringt. Es wird erwartet, dass sie ihre Rollen einnimmt – für Malina ist sie die funktionierende Partnerin, für Ivan die genügsamen Geliebte, die sich in dessen Leben einzugliedern hat, weil er „zu beschäftigt“ ist.

Wie beurteilst Du die Protagonisten Ivan, Malina, Ich-Person in Ihrem literarischen Kontext bzw. dem Kontext der Autorin und Ihrer Biographie?
Es gibt Hinweise, dass Bachmann in Malina ihre schwierige Beziehung zu Max Frisch autobiografisch verarbeitet hat. Die Beziehung zu Ivan verkörpert meiner Ansicht nach die Sehnsucht der Ich-Erzählerin (und mutmaßlich Ingeborg Bachmanns) nach echter Nähe und Intimität in einer Liebesbeziehung, zu der weder sie noch ein in seiner starren männlichen Identität festgefahrener Ivan fähig sind. Bachmanns gewaltsames Ende wird auf traurige Weise in dem Roman fast vorweggenommen und macht zusätzlich betroffen.

Wie siehst Du das literarische Konzept des dreistufigen Aufbaus des Romans?
Siehe oben J

Welches Frauen- und Männerbild spricht Ingeborg Bachmann in Malina an und wie aktuell ist dies heute?
Wir erleben die Ich-Erzählerin in einem inneren Kampf – ihr Spielraum ist eng und sie bewegt sich in einem patriarchalen System in vorgegebenen Rollen.
Auch wenn sich seit Ende der 60er Jahre die Situation für Frauen in einer männlich dominierten Gesellschaft verbessert hat, gilt es mehr denn je, das Bewusstsein für die immer noch teils unbewusst wirkenden tradierten Rollenbilder zu schaffen – im beruflichen wie privaten Kontext.

Welchen Einfluss hatte und hat der Roman auf die Entwicklung von Literatur, Kunst und Emanzipation und Gesellschaft?
–

Wie siehst Du das Ende des Romans?
Die erfahrene Misshandlung verletzt das Selbstwertgefühl der Protagonistin so nachhaltig, dass sie als Person von den beiden Männern in ihrem Leben weder gehört noch gesehen wird. Emotionale Isolation und innere Zerrissenheit sind die Folge und führen zu tiefem Leid und letztendlich zu ihrem Scheitern und der unausweichlichen Auflösung.



Gab es in Deinen Literatur-, Kunstprojekten Berührungspunkte zu Ingeborg Bachmann?
Die Beschreibung psychologischer Zustände ist für mich seit jeher eine Herausforderung, der ich mich in meinen Texten widme. Eine derart sprachliche Dichte wie Bachmann in Malina zu erfahren, hat mich tief beeindruckt.




Was sind Deine derzeitigen Projektpläne?
Mehr Zeit dem Schreiben von Kurzgeschichten zu widmen. Das Thema künstliche Intelligenz und die Auswirkung auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen möchte ich dabei gerne verarbeiten.

Hättest Du mit Ingeborg Bachmann gerne einen Tag in Wien verbracht und wenn ja, wie würde dieser aussehen?
Selbstverständlich. Ich wäre gern mit ihr am Stadtrand spazieren gegangen und hätte mit ihr über den kreativen Prozess beim Schreiben und den Umgang mit den eignenden Emotionen gesprochen.

Darf ich Dich abschließend zu einem Malina Akrostichon bitten?
M acht es euch nicht zu einfach
A uch wenn es sich bequem anfühlt
L assen eure Argumente so vieles unbedacht
I n eurem eigenen Interesse, meine Herren
N och von euren Werten dominiert
A n euch richten sich die Fragen




Romanschauplatz _ Malina _ Wien _
Malina, Roman, Ingeborg Bachmann 1971.

Ungargasse/Wien 5/24.
Alle Fotos & Interview_Walter Pobaschnig