Lieber Willi van Hengel, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich als Lektor arbeite – vor allem im Deutschen Bundestag abends –, lass ich den Tag auf mich zukommen. Ich lektoriere dann, was anliegt (auch Aufträge für Romanverlage und Werbeagenturen). Oder aber der Bleistift – es liegt überall einer herum – will gespitzt und Worte wollen auf ein Blatt gekritzelt werden und plötzlich ist eine Seite vollgeschrieben … ach, manchmal kann das Leben wirklich schön sein …

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
… dass wir immer wieder Ruhe-Räume in und um uns finden. Ein Leben zwischen vollkommener Zurückgezogenheit und ins Geschehen mit (anderen) Menschen tauchen. Wissen, wann die Nervenflügel geschont und wann sie beansprucht werden können. Aus der so geschöpften Kraft kann man dann vielleicht wieder an Grenzen gehen …
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Für mich ist der Bezug auf sich selbst am wichtigsten. Der Einzelne stößt dabei immer auch auf das Andere in sich, das, was nicht kontrollierbar und mitunter erst im Nachhinein verstehbar ist. Deshalb ist neben dem Verstehen auch das Nicht-Verstehen elementar. Dadurch lässt man sich auf einen unabschließbaren Prozess ein, der vorübergehend in Antworten und Erklärungen zur Ruhe kommt. In jedem von uns schlummert unentwegt etwas anderes – und das gilt es zu respektieren. Und das sollte Kunst – und da denke ich freilich in erster Linie ans Schreiben – immer wieder klarmachen. Die Sprache selbst ist ja eine defizitäre Angelegenheit, die niemals das ausdrücken kann, was in all seiner Gänze geschieht.
Was liest Du derzeit?
Stimmungsabhängig für kurze Momente oder aber auch längere Phasen zum einen Julia Kulewatz: „Orkaniden“ – dann Stefan Zweig: „Der Kampf mit dem Dämon“ – und natürlich Friederike Mayröcker: „cahier“. Man kann willkürlich eine Seite aufschlagen und loslesen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Glattes Eis, welch Paradeis, für den, der gut zu tanzen weiß“
Friedrich Nietzsche aus der „Fröhlichen Wissenschaft“
Vielen Dank für das Interview lieber Willi und viel Erfolg für Deine wunderbaren Literatur-, Theaterprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen: Willi van Hengel, Schriftsteller
Zur Person: Willi van Hengel, 1963 geboren in Oberbruch, hat seine Magisterarbeit über die „Dekonstruktion im Blick auf Nietzsche“ geschrieben und arbeitet als Lektor im Deutschen Bundestag.
2006 hat er seinen ersten Roman veröffentlicht: „Lucile“. Eine Liebesgeschichte aus Frauensicht geschrieben, in der die Protagonistin vor Sehnsucht verrückt wird.
2008 erschien der Roman „Morbus vitalis“ und 2010 das Gedichtbuch (mit Zeichnungen) „Wunderblöcke“.
Im Jahr 2008 verschlug es ihn schließlich an den Weißensee nach Berlin. 2018 wurde sein 1. Theaterstück „de Janeiro – ein Punk ertrinkt in Weißensee“ in der Brotfabrik in Berlin aufgeführt. Es folgte in 2021 das Theaterstück „flanzendörfer“ – ebenfalls in der Brotfabrik in Berlin-Weißensee. 2022 erschien dann der Roman „Dieudedet oder Sowas wie eine Schneeflocke“.
Anfang 2024 wurde das Hörbuch „Wir werden über die Einfachheit unserer Liebe“ (zusammen mit Magnus Tautz am E-Piano) aus dem Zyklus „Desinteresse und Nicht-Verstehen“ veröffentlicht. Der Roman „Entstellung des Gesichts“ (bisheriger Arbeitstitel) soll im März 2025 erscheinen.
Bibliographie
Theaterstücke:
- „De Janeiro“ – Theaterstück (65 Min.) Brotfabrik Bühne Berlin/Weißensee
(Regie: Jens Heuwinkel – gefördert von Bundesstiftung Aufarbeitung)
30.05. – 10.06.2018 (10 Vorstellungen) = mit Abschlusslesung am 10.06.2018
(ein Jahr später weitere 10 Vorstellungen, inklusive einer Vorstellung in Greiz)
Insgesamt: 20 Vorstellungen.
zusätzlich: 29./30./31. Juli 2021 Brotfabrik Bühne Berlin-Weißensee (zum Tode des Protagonisten des Stückes, Rio Korn).
(https://www.youtube.com/watch?v=iJ6rASPQrEk&t=14s&ab_channel=WillivanHengel)
- „flanzendörfer“ – Theaterstück (60 Min.) Brotfabrik Bühne Berlin/Weißensee
(Regie: Jens Heuwinkel – gefördert von Bundesstiftung Aufarbeitung, dem Bezirkskulturfonds der Berliner Senatsverwaltung sowie vom Kulturamt Pankow)
02./03./04./16./17.09.2021
September 2021 (5 Vorstellungen) –
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=6VEOoT6VPTI&ab_channel=WillivanHengel
und: https://vimeo.com/655366596/a078b67acf
– ganze Vorstellung nachzuschauen:
– https://www.youtube.com/watch?v=KwL2YZRx7cA&ab_channel=WillivanHengel
und: https://vimeo.com/633065266/9113cab1a1 – Psswort: pfLANZE21))
- „Hinter den Brennnesseln“, Kaltlesung mit 7 Schauspielern und Schauspielerinnen, in der Reihe: „Was für ein Drama – Neue Theaterstücke im Container“, Haus der Statistik, 12.09.2022
- „Umverfröhlichung“ – Theaterstück (25 Min.), aufgeführt bei der 24-h-Nacht im Juni 2013, Brotfabrik Bühne Berlin/Weißensee
- „Die Unsterblichkeit der …“ – Theaterstück (25 Min.), aufgeführt bei der 24-h-Nacht im Oktober 2013, Brotfabrik Bühne Berlin/Weißensee
- „Out of Wirklichkeit …“ – Theaterstück (25 Min.), aufgeführt bei der 24-h-Nacht im September 2018, Brotfabrik Bühne Berlin/Weißensee
- „Titel: vergessen“ – Theaterstück (25 Min.), aufgeführt bei der 24-h-Nacht am 10.2019, Brotfabrik Bühne Berlin/Weißensee
- „Respice finem: Trotz – Taub – Tod“, (Text zu Beethoven), in: Decadent Review, 02/2020
Bücher:
„Wir werden über die Einfachheit unserer Liebe staunen“
(zusammen mit Magnus Tautz am E-Piano) aus dem Zyklus
„Desinteresse und Nicht-Verstehen“ – Hörbuch (Januar 2024)
„Dieudedet oder so was wie eine Schneeflocke“ – Roman (Juni 2022)
Kurzfilm zum Buch (von Heiner Schäfer): https://www.youtube.com/watch?v=yoqup1ZWSYI
„Lucile“ – Roman (ISBN-10: 3-939305-08-1) edition LIThaus, Berlin 2006
Fernsehporträt: in der Sendung „west.art“ (WDR) am 13. Juli 2006, 22.15 Uh (anzuschauen auf meiner Homepage: https://vanhengel.de/filme/)
Radiointerview: in „100,5 – Das Hitradio“, Sonntag, 17. Dezember 2006, 15.40 Uhr
„Morbus vitalis“ – Roman (ISBN: 978-3-940756-36-7)
„Wunderblöcke“ – Lyrische Miniaturprosa mit Zeichnungen (ISBN: 978-3-940756-96-1)
Foto: Tim Noack.
Walter Pobaschnig _ 3.8.2024