„ich denke, ich schreibe, das tut mir  gut“ Ali E. Danabas, Schriftsteller _ München 4.8.2024

Lieber Ali E. Danabaş, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

wenn wir meinen vollzeitjob außer acht lassen, das sind fast acht stunden, schlafe ich. das sind nochmal acht stunden. die reichen leider nicht immer aus.

bleiben also acht stunden für mich. ich hänge leider oft am handy rum. den rest der zeit leistet mein körper widerstand gegen die schnelllebigkeit der zeit und gegen die anstrengenden menschen. gegen dummheiten, machtkämpfe, eitelkeiten, neid, missgunst, überheblichkeit, boshaftigkeit, ignoranz und heuchelei bin ich ohnmächtig. ich muss darum faul sein. gehe vielleicht mal in die sauna oder zum schwimmen. irgendwie muss ich meinen körper ja fit halten. habe zeit, für meine liebsten, sofern sie da sind. eine warme mahlzeit, die ich eigenhändig und mit liebe zubereite, muss sein.

die woche hat 168 stunden. in der verbleibenden zeit denke, schreibe, male oder musiziere ich. aber am meisten denke ich. das meiste davon ist schrott. wenn mir davon trotzdem was gefällt, schreibe ich. das tut mir  gut.

Ali E. Danabaş, Lyriker und Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

es wäre lächerlich, wenn ich eine antwort darauf hätte, was „für uns alle“ wichtig sei. ich könnte es nicht einmal für mich selbst beantworten. stehe dem alltag ja oft hilflos gegenüber. ich bin überhaupt froh, wenn ich den tag überlebe. das ist für mich ein wunder.    

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

aufbruch und neubeginn? ich weiß nicht, was du damit meinst. sei’s drum: ob gesellschaftlich oder persönlich – es gibt für mich persönlich einen einzigen roten faden. das ist der ästhetische sinn, das kleine im großen und das große im kleinen zu sehen, das wahre im falschen, das falsche im wahren, das gute im bösen, das böse im guten, das schöne im hässlichen, das hässliche im schönen. die kunst, die dichtung schneidet, ohne zu trennen.

nicht nur künstlerisches können, sondern auch gerade eine ausgeprägte gesellschaftliche sensibilität mit einer gewissen widerspenstigkeit und penetranz zeichnet einen künstler als einen großen künstler aus. nicht umsonst sind künstler diktatoren ein dorn im auge.

die kunst, das kreative handeln, ist ein weg, der nie endet.

Was liest Du derzeit?

ich habe ganz viele gedichtbände um mich liegen. ich sehe rose ausländer, erich fried, ahmed arif, günter eich, murathan mungan, else lasker-schüler auf meinem couchtisch. und ich lese von philip manow „Unter Beobachtung – Die Bestimmung der liberalen Demokratie und ihrer Freunde“. 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„In jedem Mikrokosmos liegt der ganze Makrokosmos, und dieser enthält nichts mehr als jener.“ arthur schopenhauer, die welt als wille und vorstellung.

Ali E. Danabaş, Lyriker und Schriftsteller

Vielen Dank für das Interview, lieber Ali, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen: Ali E. Danabaş, Lyriker und Schriftsteller

Zur Person: Ali E. Danabaş (geb. 1970 in Ankara), Lyriker und Schriftsteller, lebt seit dem 9. Lebensjahr in Deutschland. Nach Aufenthalten in Lippstadt, Münster, Ankara, Köln und Bergisch Gladbach wohnt er seit 2004 in der Nähe von München und ist Vater zweier Kinder.
Nach dem Abitur studierte er in Münster Philosophie, Publizistik, Politik und Germanistik. Anschließend folgte ein Studium in Ankara, das er als Diplom-Bildhauer abschloss. Nach einem Zeitungsvolontariat in Lippstadt in Westfalen arbeitete Danabaş als Redakteur u.a. für den Münchner Merkur.
 
Mitte der 90er war er in Ankara Inhaber und Herausgeber der Literaturzeitschrift „Kavram ve Karmaşa“ (Begriff und Komplexität), veröffentlichte einen eigenen Gedichtband („Sokak“), übersetzte Erich Frieds „Befreiung von der Flucht“ ins Türkische, das im Ankaraner Suteni-Verlag als Buch herauskam. Für eine kurze Zeit war er Stellvertretender Generalsekretär des türkischen Schriftstellerverbandes. In dieser Funktion gab er eine Monographie über den ersten türkischen Bildungs- und Kulturminister Hasan Ali Yücel heraus. Neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit ist er weiterhin schriftstellerisch aktiv. Er hat mehrere fertige Gedichtzyklen, aus denen er Gedichte einzeln in sozialen Medien veröffentlicht.

Fotos_ privat

Walter Pobaschnig _ 1.8.2024

https://literaturoutdoors.com

Hinterlasse einen Kommentar