
performing „Undine geht“ _
„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.

„Immer wenn ich durch die Lichtung kam und die Zweige sich öffneten, wenn die Ruten mir das Wasser von den Armen schlugen, die Blätter mir die Tropfen von den Haaren leckten, traf ich auf einen, der Hans hieß…“
Undine geht, Ingeborg Bachmann, 1961, f.










″Guten Abend.″
″Guten Abend.″
″Wie weit ist es zu dir?″
″Weit ist es, weit.″
″Und weit ist es zu mir.″ […]










„Ja, diese Logik habe ich gelernt, dass einer Hans heißen muss, dass ihr alle so heißt, einer wie der andere, aber doch nur einer. Immer einer nur ist es, der diesen Namen trägt, den ich nicht vergessen kann, und wenn ich euch auch alle vergesse, ganz und gar vergesse, wie ich euch ganz geliebt habe…
Und wenn eure Küsse und euer Samen von den vielen großen Wassern – Regen, Flüssen, Meeren – längst abgewaschen und fortgeschwemmt sind, dann ist doch der Name noch da, der sich fortpflanzt unter Wasser, weil ich nicht aufhören kann, ihn zu rufen, Hans, Hans …„










„Ihr Monstren mit den festen und unruhigen Händen, mit den kurzen blassen Nägeln, den zerschürften Nägeln mit schwarzen Rändern, den weißen Manschetten um die Handgelenke, den ausgefransten Pullovern, den uniformen grauen Anzügen, den groben Lederjacken und den losen Sommerhemden!…“








































































„Es gibt keine Fragen in meinem Leben.
Ich liebe das Wasser, seine dichte Durchsichtigkeit, das Grün im Wasser und die sprachlosen Geschöpfe (und so sprachlos bin auch ich bald!), mein Haar unter ihnen, in ihm, dem gerechten Wasser, dem gleichgtültigen Spiegel, der es mir verbietet, euch anders zu sehen. Die nasse Grenze zwischen mir und mir …“










„Ich habe keine Kinder von euch, weil ich keine Fragen gekannt habe, keine Forderung, keine Vorsicht, Absicht, keine Zukunft und nicht wusste, wie man Platz nimmt in einem anderen Leben. Ich habe keinen Unterhalt gebraucht, keine Beteuerung und Versicherung, nur Luft, Nachtluft, Küstenluft, Grenzluft, um immer wieder Atem holen zu können für neue Worte, neue Küsse, für ein unaufhörliches Geständnis: Ja. Ja.
Wenn das Geständnis abgelegt war, war ich verurteilt zu lieben; wenn ich eines Tages freikam aus der Liebe, musste ich zurück ins Wasser gehen, in dieses Element, in dem niemand sich ein Nest baut, sich ein Dach aufzieht über Balken, sich bedeckt mit einer Plane. Nirgendwo sein, nirgendwo bleiben. Tauchen, ruhen, sich ohne Aufwand von Kraft bewegen – und eines Tages sich besinnen, wieder auftauchen, durch eine Lichtung gehen, ihn sehen und ″Hans″ sagen. Mit dem Anfang beginnen…“

















„…wenn ich eines Tages freikam aus der Liebe, musste ich zurück ins Wasser gehen, in dieses Element, in dem niemand sich ein Nest baut, sich ein Dach aufzieht über Balken, sich bedeckt mit einer Plane. Nirgendwo sein, nirgendwo bleiben. Tauchen, ruhen, sich ohne Aufwand von Kraft bewegen – und eines Tages sich besinnen, wieder auftauchen, durch eine Lichtung gehen…“



















performing „Undine geht“ _
„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.
Kerstin Ablasser, Schauspielerin, Model _ Wien
performing „Undine geht“ _
„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.
Fotos_Donau_Wien.
Zum Projekt: Das Bachmann Projekt „Station bei Bachmann“ ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Theater/Performance und Bildender Kunst.
Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.
Künstler:innen werden eingeladen an diesem Projekt teilzunehmen und in ihren Zugängen Perspektiven zu Werk und Person beizutragen.

Liebe Kerstin Ablasser, wie liest Du den Text „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann? Welche Grundaussagen gibt es da für Dich?
- Der Text vermittelt mir ein starkes Aufbegehren. Ein Ruf nach Veränderung, der Wunsch Grenzen zu überschreiten sowie gesellschaftliche und politische Zustände nicht einfach hinnehmen zu wollen.

Wie siehst Du „Undine“?
- Undine ist für mich weiblich konnotiert – vielleicht weil ich mich selbst in ihr sehen möchte. Sie ist ein geheimnisvolles Wesen, das mit einer inneren Unruhe zu kämpfen hat. Sie will sich spüren, will alles und jeden aufwühlen, will genießen und aus dem Vollen schöpfen, will erobern und erobert werden…

„Undine geht“ wurde vor gut 60 Jahren veröffentlicht. Was hat sich seit damals im Rollenbild von Frau und Mann verändert und was sollte sich noch ändern?
- Das Konzept der Frau, die sich lediglich um das Wohl des Gatten und der Kinder kümmert und den Haushalt führt, ist mittlerweile veraltet. Aber dennoch hat sich dieses Bild der perfekten und aufopfernden Frau/Mutter/Gattin immer noch in vielen Köpfen manifestiert. Genauso wie das Bild des immer starken Mannes, der das Geld nach Hause bringen muss. Ja, es gibt bereits viele Ansätze und Versuche, dieses Konstrukt zu durchbrechen, aber es liegt noch ein steiniger Weg vor uns. Wir müssen uns alle gegenseitig mehr unterstützen, einander zuhören und respektieren.

Der Monolog geht mit der patriarchalen Gesellschaftswelt schonungslos ins Gericht. Wie siehst Du die Situation patriarchaler Macht heute?
- Beängstigend, vor allem wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Zum heutigen Stand (Juni 2024) gab es bereits 12 Femizide und 25 schwere Fälle von Gewalt gegen Frauen in Österreich. Tendenz leider steigend.

Der Text drückt auch viel Trauer über das Scheitern der Liebe und eines Miteinander der Geschlechter im persönlichen wie gesellschaftlichen Leben aus. Welche Auswege siehst Du da?
- Ein gute Kommunikation zwischen den Parteien ist das A und O. Und was macht eine gute Kommunikation aus? – Zuhören und nachfragen, wenn etwas unklar ist. Keine Schuldzuweisungen. Und wichtig: einfühlsam sein oder es zumindest versuchen.


Was kannst Du als Frau und Künstlerin von „Undine geht“ in das Heute mitnehmen?
- Dass man Gegebenheiten nicht einfach akzeptieren, sondern für sich und seine Meinung einstehen sollte.

Was bedeutet Dir Natur?
- Natur bedeutet für mich abschalten zu können, Gedanken nachzuhängen, sich zu spüren.

Was bedeutet Dir das Element Wasser?
- Wasser schenkt mir Freiheit, ein Gefühl der Glückseligkeit.

Wie lebst Du den Kreislauf der Jahreszeiten?
- Das wird viele schockieren. Ich bin kein Fan vom Sommer, obwohl ich im Sommer geboren wurde. Die Hitze erdrückt mich, ich bin unfähig, etwas zu tun und das beunruhigt mich. Schon im Winter fürchte ich mich vor dem Sommer. Ich weiß nicht, wo diese Furcht ihren Ursprung hat, ich weiß nur, dass sie da ist. Aber ich versuche, dieser Furcht Herr zu werden, um endlich genießen zu können.

Wie kann der moderne Mensch in Harmonie zur und mit der Welt leben?
- Ich denke, es ist wichtig, sorgsam mit unseren Ressourcen umzugehen. In der westlichen Welt werden zum Beispiel tagtäglich Unmengen an Lebensmitteln einfach weggeworfen, obwohl sie anderswo noch einen guten Zweck erfüllen würden.

Was braucht Liebe immer, um zu wachsen, blühen?
- Geduld, Verständnis und viele Streicheleinheiten (verbal und physisch)

Was lässt Liebe untergehen?
- Gleichgültigkeit dem anderen gegenüber.

Wie war Dein Weg zum Schauspiel?
- Ich war immer schon auf der Suche nach dem gewissen Etwas. Ich habe vieles ausprobiert, habe mich aber irgendwie nie richtig „satt“ gefühlt. Das Schauspielen hat mich auf meinen Wegen sozusagen begleitet. Zunächst nur durch Workshops, später (mit 27 Jahren) habe ich eine richtige Ausbildung begonnen.

Welche aktuellen Projektpläne hast Du?
- Ich werde kommendes Frühjahr die Rolle der Sophie Gladwell in „Ein Fall für Pater Brown“ bei „Unser Theater“ im 19.Bezirk in Wien spielen.

Welches Zitat aus „Undine geht“ möchtest Du uns mitgeben?
- „Wohl euch! Ihr werdet geliebt, und es wird euch viel verziehen. Doch vergesst nicht, dass ihr mich gerufen habt in die Welt, dass euch geträumt hat von mir, der anderen, dem anderen, von eurem Geist und nicht von eurer Gestalt, der Unbekannten, die auf euren Hochzeiten den Klageruf anstimmt, auf nassen Füßen kommt und von deren Kuss ihr zu sterben fürchtet, so wie ihr zu sterben wünscht und nie mehr sterbt: ordnungslos, hingerissen und von höchster Vernunft.“

Darf ich Dich zum Abschluss zu einem Akrostichon zu „Undine geht“ bitten?
U Unfassbar
N Natürlich
D Durchdringend
I Inbrünstig
N Nebulös
E Einnehmend
G Gefühle
E Erlebtes
H Heimweh
T Tauchgang






performing „Undine geht“ _
„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.
Kerstin Ablasser, Schauspielerin, Model _ Wien
performing „Undine geht“ _
„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.
Fotos_Donau_Wien.
Zum Projekt: Das Bachmann Projekt „Station bei Bachmann“ ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Theater/Performance und Bildender Kunst.
Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.
Künstler:innen werden eingeladen an diesem Projekt teilzunehmen und in ihren Zugängen Perspektiven zu Werk und Person beizutragen.



Alle Fotos & Interview_Walter Pobaschnig
Wunderbar
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