Station bei Undine _ “ Freiheit und Nähe“ Christina Cervenka, Schauspielerin _ Wien 16.6.2024

Christina Cervenka, Schauspielerin  _
 performing „Undine geht“
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„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.

Die Welt ist schon finster, und ich kann die Muschelkette nicht anlegenKeine Lichtung wird sein. Du anders als die anderen…“

Undine geht, Ingeborg Bachmann. Erzählung, 1961.

Christina Cervenka, Schauspielerin  _
 performing „Undine geht“
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„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.

Christina Cervenka, Schauspielerin  _ performing „Undine geht“.

„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.

Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

Fotos_Donau_Wien.

Zum Projekt: Das Bachmann Projekt „Station bei Bachmann“ ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Theater/Performance und Bildender Kunst.

Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.

Künstler:innen werden eingeladen an diesem Projekt teilzunehmen und in ihren Zugängen Perspektiven zu Werk und Person beizutragen.

Liebe Christina Cervenka, wie liest Du den Text „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann? Welche Grundaussagen gibt es da für Dich?

Für mich ist Undine, die ja auch eine Art Wassergeist ist, ein zutiefst fremdbestimmtes Wesen. Sie muss immer wieder die gleiche Geschichte mit einem Mann („Hans“) durchleben. Bachmann wandelt sie in „Undine geht“ in einen selbstbewussten Charakter um, der nach Autonomie strebt. Sie zieht sich ins Wasser zurück. Sie schreibt in meinen Augen damit gegen ein Patriarchat, dass Frauen wie Männer in Schubladen steckt und immer gleiche Handlungsweisen oder Strukturen vorgibt.

Wie siehst Du „Undine“?

Undine als Naturwesen wird dem Element Wasser zugeordnet. Sie ist nicht fassbar, wie eine Welle, und daher im historischen Kontext für die Männerwelt eine Bedrohung. Bachmanns Undine versucht einen anderen Weg, sie lässt sich nicht mehr in die gleiche Rolle stecken. Immer ist sie hin- und hergerissen zwischen Kampfansagen und schönen Erinnerungen. Sie beschließt aufzuhören, ins Wasser zu gehen und unterzutauchen.

„Undine geht“ wurde vor gut 60 Jahren veröffentlicht. Was hat sich seit damals im Rollenbild von Frau und Mann verändert und was sollte sich noch ändern?

Sicherlich haben sich die Rollenbilder von Mann und Frau seit damals verändert. Ich spüre heute weniger Abhängigkeit, weniger klare Bilder, wie ich als Frau oder Mann zu sein habe. Jedoch gibt es immer noch ein großes Ungleichgewicht, Themen wie Bezahlung, Chancengleichheit, etc. Vor allem wenn man über die Grenzen von Europa hinausblickt, ist noch viel zu tun!

Selbst ich als junge Frau der heutigen Zeit fühle mich manchmal noch in eine Richtung gelenkt, gewisse Handlungsweisen oder Charaktereigenschaften werden mir als weiblich gelesene Person angedichtet.

Ich würde mir ein vorurteilsfreies Miteinander wünschen, in dem sich jede und jeder so entfalten kann, wie sie oder er es gerne möchte. Unabhängig vom Geschlecht, der Hautfarbe, Alter etc. Es ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass das überall so bald Realität sein wird – aber vielleicht schaffen wir diese Richtung gemeinsam beizubehalten!

Der Monolog geht mit der patriarchalen Gesellschaftswelt schonungslos ins Gericht. Wie siehst Du die Situation patriarchaler Macht heute?

Immer noch gibt es patriarchale Strukturen, im Kleinen z.B. in Beziehungen, oder im Großen – in Firmen, Organisationen usw. Sehr oft passieren diese Dinge auch versteckt, ohne dass es von außen so leicht bemerkt werden kann. Es braucht sicherlich viel Feingefühl und Geduld um nachhaltig etwas zu verändern.

Der Text drückt auch viel Trauer über das Scheitern der Liebe und eines Miteinander der Geschlechter im persönlichen wie gesellschaftlichen Leben aus. Welche Auswege siehst Du da?

Meiner Meinung nach geht es viel um Akzeptanz und Kommunikation. Wenn ich das „Anders-sein“ meines Gegenübers akzeptiere, auch wenn ich es schwer nachvollziehen kann, lasse ich diesem Menschen Raum sich zu entfalten. Das nimmt viel Druck raus und ermöglicht vielleicht eine bessere Kommunikation ohne Angriffe. Sowohl in persönlichen, als auch in gesellschaftlichen Strukturen. Weniger Angriffe wären generell gut, aber auch das ist manchmal leichter gesagt als getan.

Was kannst Du als Frau und Künstlerin von „Undine geht“ in das Heute  mitnehmen?

Mich nicht instrumentalisieren zu lassen in einer Welt, in der wir alle immer noch mit vorgefertigten Meinungen kämpfen müssen. Und mich nicht entmutigen zu lassen, wenn ich ungerecht behandelt werde, sondern weiter zu versuchen meinen Weg zu gehen und so zu leben, wie ich sein möchte.

Was bedeutet Dir Natur?

Natur steht für mich über allen Dingen. Sie hat weder „Gutes“ noch „Schlechtes“ im Sinn, sondern ihre Gesetze, denen sie folgt. Das ist schön, aber auch manchmal bedrohlich. Ich denke es wäre wichtig, ihr mehr Respekt zu schenken. So gut es in der heutigen Welt geht, versuche ich mit der Natur in Einklang zu leben und sie nicht zu sehr zu belasten. Einfachheit und Reduktion sind für mich da wichtige Stichworte.

Was bedeutet Dir das Element Wasser?

Wasser ist total mein Element! Ich liebe das Meer, auch Flüsse und Seen und fühle mich im Wasser lebendig. Es gibt mir Kraft und holt mich immer wieder zurück zu mir selbst. Auch ist es für uns alle ein Lebenselixier.

Wie lebst Du den Kreislauf der Jahreszeiten?

Jahreszeiten haben sich ja sehr verändert im Lauf der Zeit. Ich erlebe einen kürzeren Frühling und Herbst, dafür stärkere Extreme im Sommer und Winter. Persönlich merke ich, dass ich in den wärmeren Monaten definitiv mehr Energie habe und mehr nach außen gewandt bin. Im Winter möchte ich mir auch mehr Zeit nehmen, mit mir selbst zu sein, zu reflektieren und mich auch einmal zurückziehen zu dürfen.

Wie kann der moderne Mensch in Harmonie zur und mit der Welt leben?

Das ist eine sehr schwierige Frage… Aber für mich hat es wiederum mit einer Form von Reduktion zu tun. Nicht zu glauben, dass alles immer in unendlichem Maß vorhanden ist. Und den Lauf der Natur besser zu lesen und ihm nachzugehen. In dem ich zum Beispiel das esse, was gerade dort wächst, wo ich bin. Oder wiederum die Menschen um mich herum sich frei entfalten lasse und versuche, gute Energie auszusenden anstatt Aggression. Aber auch indem ich mir und anderen „Fehler“ erlaube und nicht dogmatisch urteile, wenn wir nicht alles zu 100% schaffen. Aber das muss auch jede/r für sich selbst entscheiden!

Was braucht Liebe immer, um zu wachsen, blühen?

Freiheit und Nähe.

Was lässt Liebe untergehen?

Einengung und Gewalt – auch mit Worten.

Wie war Dein Weg zum Schauspiel?

Schon als Kind wollte ich Schauspielerin werden – Filme und Theater haben mich immer fasziniert. In meiner Familie gibt es dazu eine Vorgeschichte: auch meine Oma und ihre Schwester waren Schauspielerinnen und mein Uropa Dramaturg am Burgtheater. Das war für mich als Kind nicht so klar ersichtlich, aber vielleicht habe ich unterbewusst etwas mitbekommen.

Als Jugendliche habe ich in Kärnten schon viel Theater gespielt und dann während des letzten Schuljahrs an Schauspielunis vorgesprochen. Mein erstes Vorsprechen in Graz hat dann gleich geklappt – das war natürlich sehr aufregend! So bin ich nach dem Abschluss ans Burgtheater gekommen und etwas später zum Film.

Momentan liegt mein Fokus auf der Arbeit vor der Kamera. Ich liebe das intime Spiel und die intensive Arbeit am Set! Es gibt mir die Freiheit mich künstlerisch auszudrücken und viele spannende Figuren „erleben“ und erzählen zu können. In jedem Fall bin ich sehr dankbar, diesen Beruf so leben zu dürfen, wie ich es momentan tue!

Welche aktuellen Projektpläne hast Du?

Im Sommer beginne ich mit Dreharbeiten zu „Die Liesl von der Post“ (MR Film)  – eine neue Reihe für Servus TV, die Ausstrahlung ist noch für 2024 geplant. Wir haben ein tolles Team und ich freue mich schon sehr auf diese Arbeit!

Dieses Jahr werden auch noch bereits abgedrehte Projekte gezeigt, an denen ich beteiligt war – zum Beispiel eine Folge der „Toten vom Bodensee“ (Graf Film) und „Universum History – Meilensteine queerer Geschichte – Verbotenes Begehren“ (Vienna Set). Darin darf ich Gretl Csonka verkörpern, eine junge Frau, die von ihren Eltern wegen ihrer sexuellen Orientierung unverstanden, zu Freud in Therapie geschickt wird und sich mühevoll ihren eigenen Weg erkämpft. Eine wahre Geschichte! Dieses Projekt liegt mir sehr am Herzen, es war schon letztes Jahr im ORF zu sehen und wird heuer noch einmal im ZDF und auf arte ausgestrahlt.

 

Welches Zitat aus „Undine geht“ möchtest Du uns mitgeben?

„Wenn dir nichts mehr einfiel zu deinem Leben, dann hast du ganz wahr geredet, aber auch nur dann. Dann sind alle Wasser über die Ufer getreten, die Flüsse haben sich erhoben, die Seerosen sind gleich hundertweis erblüht und ertrunken, und das Meer war ein machtvoller Seufzer, es schlug, schlug und rannte und rollte gegen die Erde an, daß seine Lefzen trieften von weißem Schaum.“

Darf ich Dich zum Abschluss zu einem Akrostichon zu „Undine geht“ bitten?

Ufer sehe ich

Näherkommen.

Deine Gestalt

In der Ferne

Noch sichtbar.

Eintauchen in klare Gewässer.

Gegen jeden

Einwand von dir

Hole ich Luft,

Tauche immer tiefer.

Christina Cervenka, Schauspielerin  _
 performing „Undine geht“
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„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.

Christina Cervenka, Schauspielerin  _ performing „Undine geht“.

„Undine geht“ Ingeborg Bachmann. Erzählung 1961.

Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

Fotos_Donau_Wien.

Christina Cervenka und Walter Pobaschnig _
6/24

Alle Fotos & Interview_Walter Pobaschnig

https://literaturoutdoors.com 6/24

Ein Gedanke zu „Station bei Undine _ “ Freiheit und Nähe“ Christina Cervenka, Schauspielerin _ Wien 16.6.2024

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