Station bei Hedy Lamarr_ „eine unglaublich starke und beindruckende weibliche Energie“ Daniela Mitterlehner, Schauspielerin _ Leipzig 11.6.2024

Station bei Hedy Lamarr_ Daniela Mitterlehner, Schauspielerin_ Leipzig _
performing _
Hedy Lamarr (Hedwig Eva Maria Kiesler; *9.11.1914 Wien * +19.1.2000 in Casselberry/Florida/USA) Schauspielerin, Erfinderin_
Fotos _ Wien/Donau_
Station bei Hedy Lamarr_ Daniela Mitterlehner, Schauspielerin_ Leipzig _
performing _
Hedy Lamarr (Hedwig Eva Maria Kiesler; *9.11.1914 Wien * +19.1.2000 in Casselberry/Florida/USA) Schauspielerin, Erfinderin_
Fotos _ Wien/Donau_

Zum Projekt: Das Bachmann Projekt „Station bei Bachmann“ ist ein interdisziplinäres Kunstprojekt an den Schnittstellen von Literatur, Fotografie und Theater/Performance.

Dabei kommt den topographischen und biographischen Bezügen eine besondere Bedeutung zu, indem Dokumentation, Rezeption und Gegenwartstransfer, Diskussion ineinandergreifen.

Künstler:innen werden eingeladen an diesem Projekt teilzunehmen und in ihren Zugängen Perspektiven zu Werk und Person am biographischen bzw. werksgeschichtlichen Bezugsorten beizutragen.

Den Schwerpunkt bildet dabei Werk und Leben Ingeborg Bachmanns. Ebenso weitere Künstler:Innen.

Hedy Lamarr (Hedwig Eva Maria Kiesler; *9.11.1914 Wien * +19.1.2000 in Casselberry/Florida/USA) Schauspielerin, Erfinderin_

Liebe Daniela Mitterlehner, welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Hedy Lamarr?

Hedy Lamarr beeindruckt mich immer wieder,  weil sie in mehreren recht ungewöhnlichen Feldern herausragende Pionierarbeit geleistet hat. Sie war Schauspielerin UND Erfinderin und ich bewundere Multitalente (die aus ihren Talenten auch tatsächlich etwas machen). Auch ich versuche in verschiedenen Bereichen meine Fähigkeiten einzusetzen, auch wenn ich mich dabei immer im künstlerischen Rahmen bewege. So bin ich Schauspielerin, Regisseurin, Jongleurin, Sprecherin, Moderatorin und arbeite mit Feuer. Und ich leite – mit einem tollen Kollegen gemeinsam – unser eigenes, kleines Tourneetheater, mit dem wir Klassiker an Schulen bringen und so Interesse an Sprache, Kultur, Literatur und Theater zu erwecken versuchen. Mit Hedy Lamarr will ich mich dabei aber nicht vergleichen, denn ihre Felder waren viel weiter auseinander als meine und ihre Arbeit hat die Welt verändert. Unsere verändert vielleicht nur das Denken und das Interesse (an Theater/Literatur/Kunst) einzelner. Aber auch das ist viel wert.

Außerdem beeindruckt mich an Hedy Lamarr, dass sie sich in einer absoluten Männerdomäne – damals noch mehr als heute – der Technik durchgesetzt hat. Das hat etwas sehr Feministisches und das mag ich sehr an ihr.

Und als Schauspielerin war sie natürlich auch ganz besonders, wegen ihres Könnens, aber auch wegen ihrer Ausstrahlung. Daran fasziniert mich besonders, dass sie das Weibliche , Emotionale und Sanfte so sehr ausstrahlt und verkörpert, während sie sich als Erfinderin trotzdem in einer Männerwelt behaupten musste, was sicher eine gewisse Härte, Durchsetzungskraft, Ausdauer und Toughness erfordert und das auch hervorragend geschafft hat.

Das Thema unseres Shooting ist auch der Film „Ekstase“ (1933), der aufgrund der Nacktszenen zum Skandal wurde. Wie siehst Du den Film und die Reaktion, Rezeption?

Zur Zeit seiner Entstehung war dieser Film enorm mutig und auch Hedy Lamarr hat damit einiges riskiert. Dieser Film wurde zum Erfolg. Er hätte ihr aber genausogut ihre Karriere als Schauspielerin und jedes gesellschaftliche Ansehen ruinieren können. Dass sie den Mut hatte, das in dieser Zeit trotzdem zu tun und erfolgreich daraus hervorging, ist bewundernswert.
Auch ich versuche immer wieder, mutige Entscheidungen zu treffen und mit Optimismus an Herausforderungen zu heranzugehen. Wer nie ein Risiko eingeht, wird auch nur selten gewinnen.

Heute ist Nacktheit im Film oder auf Fotos ganz normal. Überall sieht man nackte Menschen. Das finde ich einerseits toll, weil es ein viel freieres Denken zeigt, andererseits wird es aber manchmal auch ein Bisschen inflationär und ich finde es schade, wenn es dabei manchmal eben nicht mehr um eine Aussage oder ein notwendiges Element geht, mit dem eine Geschichte erzählt wird, wenn es nur um Schaulust und ein Mensch durch Bilder oder Videos zum reinen Objekt ohne Wert verkommt, wenn die Hülle alles ist und das, was in ihr steckt, gar nicht mehr interessiert. Das ist für mich ein Grund, mich selber vor der Kamera nicht (ganz) auszuziehen. Vielleicht kommt irgendwann der Moment, in dem ich das für sinnvoll halte, weil es eine Geschichte wirklich weiterbringt. Aber nur, um ein Stück Fleisch unter vielen solcher Fleischstückchen zu sein, mache ich das definitiv nicht. Da fehlt mir der Sinn und Wert. Und nach wie vor gilt, dass man sich damit auch einiges kaputt machen kann, wenn man es falsch oder nicht mit voller Überzeugung tut. Außerdem finde ich es persönlich viel spannender, wenn man eben nicht gleich alles sieht und noch ein Bisschen Platz für die eigene Phantasie bleibt, auch wenn ich mir selber tolle Fotos von anderen Menschen anschaue.

Wie siehst Du als Schauspielerin die Schauspielerin Hedy Lamarr?

Sie hat definitiv Pionierarbeit geleistet und war eine tolle Schauspielerin. Außerdem hat sie eine unglaublich starke und beindruckende weibliche Energie, die zugleich Sanftmut und Emotionalität, aber auch Energie und Durchsetzungskraft vermuten lässt. Das finde ich super!

Gab es in Deinen Musik-, Theaterprojekten bisher Berührungspunkte zu Hedy Lamarr?

Ich durfte mal die Off-Stimme für zwei Info-Videos zum Lamarr Security Research Center der TU Graz sprechen, das nach Hedy Lamarr benannt wurde und in denen es nicht nur um diese Forschungseinrichtung ging, sondern eben auch um Hedy Lamarr und warum man diese Einrichtung nach ihr benannt hat. 🙂

Wie war Dein Weg zu Musik/Theater und was sind Deine derzeitigen Projektpläne?

Ich habe als Jugendliche angefangen in einem der Jugendspielclubs des Linzer Landestheater zu spielen, dort Schauspiel-, Sprech- und Improunterricht bekommen und bald auch angefangen, dort gemeinsam mit anderen auch eigene Theaterstücke und Szenen zu entwickeln. Spätestens nach der ersten Premiere war für mich klar, dass ich das Spielen zum Beruf machen möchte, um möglichst viel Zeit damit verbringen zu können. So habe ich dann – nach ein paar Kurven – eine Schauspielausbildung angefangen und auch abgeschlossen und konnte – gegen alle gängigen Erwartungen  – auch sofort davon leben. (Allerdings habe ich von Anfang an auch immer wieder mal Regie geführt, als Moderatorin, Jongleurin, Sprecherin und mit Feuer gearbeitet und anfangs auch immer wieder mal Workshops gegeben.)

Der Grund, warum ich überhaupt angefangen habe zu spielen, war der Gedanke, dass es mir – wenn es mir mal nicht gut ging – immer geholfen hat, einen guten Film oder ein Theaterstück zu sehen und ich wollte diese Fähigkeit auch selbst lernen: Menschen für ein paar Stunden aus ihrem Alltag herauszunehmen, sie ihre Sorgen, Ängste, Trauer, Wut oder auch nur Langeweile vergessen zu lassen, ihnen eine gute Zeit zu geben und sie dann – mit einem Lächeln, neuen Gedanken und/oder einem guten Gefühl wieder in Ihrer eigenen Welt abzusetzen, den Menschen durch meine Arbeit sozusagen das Leben ein Bisschen schöner und unbeschwerter zu machen. 🙂

Mein derzeit (und hoffentlich auch langfristig) wichtigstes Projekt ist unser eigenes kleines Tourneetheater – das ÜBERALL-THEATER – das ich im Sommer letzten Jahres mit einem guten Freund und tollen Kollegen gemeinsam gegründet habe. Damit bringen wir lehrplanrelevante Klassiker an Schulen, versuchen so (Deutsch-)Lehrer:innen das Unterrichtsleben zu erleichtern, ein Bisschen Farbe in den Schulalltag zu bringen, aber vor allem auch, Schüler:innen für Theater, Kultur, Sprache und Literatur zu begeistern. Und es gelingt uns! 🙂 An einer Schule, an der wir gespielt haben, wollten die Schüler:innen danach sogar eine eigene Theatergruppe gründen. 🙂

Was wünscht Dir für Deinen Beruf als Künstlerin?

Weiterhin viele spannende, künstlerisch herausfordernde, aber auch schöne, lustige und abwechslungsreiche Rollen und Stücke, Zusammenarbeiten mit tollen Menschen und Künstler:innen (was jetzt umso einfacher für uns möglich ist, da wir ja als Theaterchefs nun selbst entscheiden, wen wir mit auf Tour nehmen :-)), gegenseitige Inspiration, sich dabei entwickelnde, echte Freundschaften, gemeinsame Erfolge und natürlich genug Buchungen, um auch weiterhin davon leben zu können. 🙂
Und: Trotz dem Schwerpunkt auf meine geliebte Arbeit auch intensive zwischenmenschliche Kontakte (mit Freunden, Familie, Kolleg:innen, etc.) zu pflegen, halten und bestenfalls sogar ausbauen zu können. Das ist manchmal nämlich gar nicht so einfach, aber zum Glück möglich, wenn man es darauf anlegt. 🙂

Was möchtest Du Künstler:innen am Anfang Ihres Weges mitgeben?

Einfach machen! Auch wenn alle sagen, das ist schwierig oder man kann davon nicht leben. Doch! Kann man! Man wird in den meisten Fällen dadurch nicht reich, aber es ist – wenn man ihn gerne macht und nicht aufgibt – der schönste Beruf der Welt. Und: Durchhalten, kreativ sein, weiterentwickeln, weitermachen! Irgendwann läuft’s dann. 🙂 Dann aber bloß nicht aufhören mit dem Arbeiten und Weiterentwickeln, sondern immer weiter fleißig dranbleiben! Und: Geht euren eigenen Weg! Niemand hat die Qualitäten und Besonderheiten, die ihr habt. Nützt das! (Ich mische zum Beispiel oft Schauspiel oder Moderation mit Jonglage oder Feuer, weil das eben was Besonderes ist, was nur wenige können, eben ein Unique Selling Point.) Und: Was viele leider oft vergessen: Nicht zu Hause sitzen und warten, dass euch jemand findet und engagiert! Nur wenn ihr aktiv seid, werdet ihr auch wahrgenommen und gebucht. Ihr seid nicht nur Künstler:innen, sondern auch Unternehmer:innen, die ihr Produkt (sich selbst) vermarkten müssen. Sonst hilft das größte künstlerische Talent nichts, wenn ihr euch nicht dahinter klemmt, dass ihr immer besser und besser werdet und dass ihr gesehen werdet! Und wenn euch erstmal keiner engagiert, dann stellt eben selber was auf die Beine und macht. So bekommt ihr Erfahrung, könnt was herzeigen und zeigt, dass es euch gibt. Und Spaß macht das obendrein! (Arbeit auch, aber das gehört nunmal dazu.) Was übrigens auch enorm hilft ist unkompliziert sein und (potentiellen) Arbeitgeber:innen zeigen, dass man sich wirklich für den Job einsetzt und sich freut, ihn zu haben, gerade weil es eben in unserer Branche nicht selbstverständlich ist, dass man einen (guten) Job hat. Das kann ich sowohl als Künstlerin sagen als auch als Arbeitgeberin in diesem Bereich. Wenn wir merken, dass ein:e  Schauspieler:in, der/die für uns spielt, wirklich mit Freude und Energie dabei ist, ständig daran arbeitet, besser und besser zu werden, sich einbringt und auch mal bereit ist, das eine oder andere kleine Opfer für den Beruf und den Job an unserem Theater zu bringen (z. B. auch mal einzuspringen, wenn ein:e Kolleg:in ausfällt oder mitanzupacken, wo er/sie vielleicht nicht unbedingt müsste oder nicht zu meckern, wenn ein Tag mal sehr anstrengend war, …), dann werden wir alles in unserer Macht Stehende tun, um diese:n Kolleg:in immer und immer wieder zu engagieren, weil so jemand einfach ein Geschenk und eine Freude für jede:n Arbeitgeber:in und für jede Zusammenarbeit ist. Und genau dasselbe habe ich als Künstlerin erlebt, wenn ich für andere gearbeitet habe, dass ich eben immer wieder engagiert oder verlängert werde, weil ich zeige, wie wichtig mir der Beruf und die jeweilige Zusammenarbeit ist.
Und: Seid verlässlich und verbindlich! Wenn man was zusagt, dann hält man das auch, komme was wolle! Ein:e Künstler:in, bei dem/der man nie weiß, wann und ob er/sie auftaucht, ob die Vorbereitung gemacht wurde, ob die vereinbarte Leistung so erbracht wird wie ausgemacht, den/die holt man kein zweites Mal, und wenn er/sie noch so gut ist.

Hättest Du mit Hedy Lamarr gerne einen Tag in Wien verbracht und wenn ja, wie würde dieser aussehen?

Ja, sehr gerne! Ich glaube, ich würde den Tag mit ihr einfach gerne in einem Café sitzend und redend verbringen, von ihr lernen, zuhören und Fragen stellen, Erfahrungen austauschen.

Was inspiriert Dich als Schauspielerin an Hedy Lamarr heute?

Vieles! Ihre Vielseitigkeit, ihr Feminismus (über den sie gar nicht groß reden musste, sondern den sie einfach gelebt hat, auch dadurch, dass sie Erfinderin war und technisch gearbeitet hat), ihren Pioniergeist, ihre Neugier (die braucht man, sowohl als Schauspielerin, sicher aber auch als Erfinderin), ihre tolle Ausstrahlung, ihre Stärke (die sie einfach ausstrahlt), ihr Mode- und Stielbewusstsein, ihren Mut und ihren Fleiß.

Darf ich Dich abschließend zu einem Hedy Lamarr Akrostichon bitten?

Heute noch aktuell

Eine tolle Frau

Damals und jetzt

You are special!

Lernen und anwenden

Anders, im besten Sinne

Modebewusst, malerisch

Aktiv

Ruhe und (emotionale) Stärke ausstrahlend

Riesenerfolge

Station bei Hedy Lamarr_ Daniela Mitterlehner, Schauspielerin_ Leipzig _
performing _
Hedy Lamarr (Hedwig Eva Maria Kiesler; *9.11.1914 Wien * +19.1.2000 in Casselberry/Florida/USA) Schauspielerin, Erfinderin_
Fotos _ Wien/Donau_

Interview und alle Fotos _ Walter Pobaschnig  6/24

Walter Pobaschnig

https://literaturoutdoors.com  6/24

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