Bachmannpreis 2024 _ im Interview:
Klaus Kastberger, Juryvorsitzender Bachmannpreis 2024; Professor für neuere deutschsprachige Literatur am Franz-Nabl-Institut der Universität Graz und Leiter des Literaturhauses Graz. Jurymitglied Bachmannpreis seit 2015

Lieber Klaus Kastberger, herzliche Gratulation zum Juryvorsitz beim Bachmannpreis 2024! Was sind die Herausforderungen in der Rolle des Juryvorsitzenden?
Das ist zunächst ja nur ein anderer Sitzplatz. Aber ich bin schon sehr neugierig, wie sich das Szenario dieser grandiosen Jury heuer für mich von der Mitte aus anfühlt. Es ist ein neuer Blickwinkel, der sich damit verbindet, und es könnte schon sein, dass sich das auswirkt. Ansonsten kommen für mich einige klitzekleine neue Aufgaben dazu: Kurze Begrüßungsworte am Beginn des Bewerbs am Mittwoch und dann noch einmal ein kurzes Resümee am Sonntag. An sich sind wir in dieser Jury aber ein absolut gleichberechtigtes Gremium.
Welche Bedeutung hat der Bachmannpreis heute? Ist dieser die Europameisterschaft der Literatur?
Naja, eher ein Turnier der deutschen Sprache, aber schon mit Vollversammlungs-Charakter. Bemerkenswert ist, dass sich hier die Verhältnisse so derart verkehren. Alles, was sich bei anderen Preisen hinter dicken Türen abspielt, sendet in Klagenfurt das Fernsehen live. Das macht den Reiz dieser Veranstaltung aus: Dass man unmittelbar dabei ist, wenn das ästhetische Werturteil sich bildet. Im besten Fall hat das dann auch einen Effekt auf dessen Legimitierung. Gerade das könnte heuer wichtig sein. Ich würde es mir jedenfalls wünschen. Und noch einen Wunsch habe ich: Dass niemand mehr diese idiotische Bezeichnung „Häschen-Kurs“ für den Klagenfurter Nachwuchswettbewerb verwendet.

Klaus Kastberger (Mitte), Horst L.Ebner (links, Organisation ORF) und Nominierte Bachmannpreis 2023

Jury _ Klaus Kasrtberger, ganz links
Was macht gute Literatur und eine gute Lesung aus?
Die einfachste Art, sich ein umfassendes Bild von guter Literatur zu machen, besteht darin, sich ganz genau die Auswahl an Autorinnen und Autoren anzuschauen, die ich in den letzten Jahren überzeugen konnte, nach Klagenfurt mitzukommen. Das ist heuer nicht anders: Meine beiden Kandidatinnen sind toll. Die Akte der Lesung hingegen halte ich für überschätzt. Eigentlich habe ich diesen Teil ganz gerne traditionell.
Wie sieht für Dich der ideale Literaturtag in Klagenfurt aus?
Gut geschlafen haben, großartiges Frühstück mit netten Leuten am Tisch, Lesung von zwei Texten, die grottenschlecht sind. Dabei wärmt sich die Jury am zuverlässigsten auf. In das solcherart hergestellte Tief hinein soll dann eine eigene Kandidatin folgen, die für ihren gloriosen Text auch sofort alle Aufmerksamkeit dieser Welt bekommt. Nachmittags noch zwei andere Texte, die Jury in beiden Fällen hoffnungslos gespalten. Anschließend Chill-Out im Garten, Gespräche mit Umstehenden. Hineinhören in andere Meinungen. Nirgends sonst auf der ganzen Welt ist übrigens so oft das Wort „Text“ zu hören wie bei diesen vier Tagen der deutschsprachigen Literatur. Weiter im Ablauf: Fahrrad schnappen, im Strandbad Loretto in den See, Social Media und Feuilleton checken: Was sagen die Leute? Wie stehen die Aktien der eigenen Kandidaten? Welche Moves werden von wem wie wahrgenommen? Am Abend Bürgermeisterempfang vor herrlichem Panorama. Aber schon auch immer schauen, dass man rechtzeitig ins Bett kommt.
Vielen Dank für das Interview und wunderbare Bachmannpreistage!
Zur Person: Klaus Kastberger, Graz (A)
Geboren 1963 in Gmunden (OÖ), Professor für neuere deutschsprachige Literatur am Franz-Nabl-Institut der Universität Graz und Leiter des Literaturhauses Graz.
Literaturkritiken und Kulturpublizistik, Konzeption von Ausstellungen und Veranstaltungsreihen (darunter die Literaturshow „Roboter mit Senf“), Leitung von Forschungsprojekten. Zahlreiche Bücher und Aufsätze zur österreichischen Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts.
Veröffentlichungen (Auswahl):
- Herausgabe von Sammelbänden (Wiener Gruppe, Heimrad Bäcker, Richard Billinger, Andreas Okopenko, George Saiko, Peter Handke, Konrad Bayer, Friederike Mayröcker, Gunter Falk, Marianne Fritz, Elfriede Jelinek, Clemens J. Setz)
- Gesamtherausgeber der historisch-kritischen Ausgabe Ödön von Horváths (de Gruyter, 2009ff.) und der Reihen „Literatur und Archiv“ (de Gruyter, 2017ff.) sowie „Grazer Vorlesungen zur Kunst des Schreibens“ (Droschl 2018f.)
- „Reinschrift des Lebens“. Friederike Mayröckers „Reise durch die Nacht“ (2000)
- Vom Eigensinn des Schreibens. Produktionsweisen moderner österreichischer Literatur (2007)
- Alle Neune. Zehn Aufsätze zur österreichischen Literatur (2023)
- Auszeichnungen:
- Österreichischer Staatspreis für Literaturkritik 2023
Twitter, Facebook @KlausKastberger
https://bachmannpreis.orf.at/stories/3046955/
Bachmannpreis 2024 _ Tage der deutschsprachigen Literatur _ 26. bis 30. Juni 2024 Klagenfurt
https://bachmannpreis.orf.at/stories/3257422/

Bachmannpreis _ Jurymitglieder 2024:
Vorsitzender Klaus Kastberger
Mara Delius
Laura de Weck
Mithu Sanyal
Brigitte Schwens-Harrant
Thomas Strässle
Philipp Tingler
Nominierte Bachmannpreis 2024_Lesende:
Kaska Bryla, A/POL
Semi Eschmamp, CH
Ulrike Haidacher, A
Jurczok, CH
Christine Koschmieder, D
Miedya Mahmod, D
Sarah Elena Müller, CH
Denis Pfabe, D
Johanna Sebauer, A/D
Tijan Sila, D/BIH
Tamara Stajner, A/SLO
Sophie Stein, D
Henrik Szanto, D/FIN/UK
Olivia Wenzel, D
Infos zum Bachmannpreis 2024_
Fotos_ Portrait: Konstantin Tzivanopoulos; Bachmannpreis 2023 _ Walter Pobaschnig; Bachmannpreis Präsentation 2024_Johannes Puch.
Walter Pobaschnig 6/24