Lieber Bernhard Hadriga, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Alltag ist wie der wohl vieler Interviewpartner:innen hier recht heterogen. Ich starte allerdings so gut es geht nahezu jeden Tag gleich: mit einem Lauf. Das empfinde ich als ungemein bereichernd. Es spendet mir Ruhe, Energie und Struktur.
Im Anschluss an die sportliche Routine widme ich mich der Arbeit des jeweiligen Tages, sei es künstlerische Praxis jeglicher Art, Unterrichten oder produktionsbezogene Tätigkeit.
Ich bin dankbar für den Abwechslungsreichtum – variatio delectat!

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Es gibt sicherlich qualifiziertere Anlaufstellen auf der Suche nach pauschalen Empfehlungen für unsere derzeitige Gesellschaft, ich teile aber gerne mein subjektives Empfinden.
Mir erscheint, die soziopolitischen und -kulturellen Evergreens gelten auch für die Gegenwart: Empathie, Solidarität, Offenheit. Besondere Notwendigkeit sehe ich für das Zuhören, gemeinsame Resonanz, kollektive wie individuelle Reflexion und Ressourcenmanagement in allen Morphen des Begriffs. Die unmittelbare kommunikative Verbundenheit unserer Zeit birgt selbstverständlich unglaubliche Möglichkeiten, verlangt allerdings auch Hingabe zu einer nach wie vor steilen, damit zusammenhängenden Lernkurve. Dabei gilt es eine Flut an Informationen, Berge von Pessimismus und wohl bisher nie dagewesene Schnelllebigkeit zu jonglieren. Es heißt wohl also Ruhe bewahren. Epiphanie ist das sicherlich keine, aber für zu lang geratene Aphorismen reicht es. Ich hoffe, man liest mein Augenzwinkern.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Diese Frage möchte ich wohl auch abseits jedes Aufbruchs und Neubeginns beantworten, da ich die Rolle der Kunst nahezu als allgegenwärtig und immer geltend empfinde: Fragen aufwerfen, Perspektiven herausfordern, Reflexion, Emotion, Verbindung.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich einen Band an Kurzgeschichten von Fyodor Dostoyevsky, aktuell The Meek One. Parallel dazu komme ich immer wieder auf Lyrik aus Ilse Aichingers Gedichtband Verschenkter Rat zurück.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ich schreibe euch keine Briefe,
aber es wäre mir leicht, mit euch zu
sterben.
Wir ließen uns sacht die Monde hinunter
und läge die erste Rast noch bei den
wollenen Herzen,
die zweite fände uns schon mit Wölfen
und Himbeergrün
und dem nichts lindernden Feuer, die
dritte, da wär ich
durch das fallende dünne Gewölk mit
seinen spärlichen Moosen
und das arme Gewimmel der Sterne, das
wir so leicht überschritten,
in eurem Himmel bei euch.
– Ilse Aichinger, Widmung
Vielen Dank!
Ich danke auch!
Vielen Dank für das Interview, lieber Bernhard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Kunstprojekte und persönlich alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:
Bernhard Hadriga, Musiker (Gitarre & Electronics)
Zur Person_ Bernhard Anton Josef Hadriga (*1994) ist ein österreichischer Gitarrist und Improvisator mit Wurzeln im Weinviertel. Er absolvierte Studien in Jazz und Popularmusik (BA), wie Jazz und Improvisierter Musik (MA), jeweils mit Auszeichnung in Wien und Linz.
Als freischaffender Künstler mit Lebensmittelpunkt in Wien geht Bernhard Hadriga verstärkt des Vokabularaufbaus im Kontext von Abstraktion der Gitarre und erweiterten Spieltechniken nach. Dabei liegt der Fokus Gitarre & Elektronik als modulares Instrumentennetzwerk zu verstehen. Er arbeitet interdisziplinär als Musiker, als auch als Produzent und Redakteur im Video- und Kurzfilmbereich.
Fotos_ Felix_Fruehauf
Walter Pobaschnig _ 15.5.2024