Liebe Rebekka Pichler, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin derzeit in der Einteilung meines Tages ziemlich flexibel. Konstanten sind der morgendliche Kaffee, bei dem ich meine Ideen am besten fließen lassen kann, meistens gefolgt von einem Tanztraining. Dann mache ich Unterschiedliches – unterrichten, proben, organisatorische Arbeit,…

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Lachen. Ideen. Ideen und deren Umsetzung.
Es ist wichtig, dass wir uns des unentdeckten Potenzials bewusst sind, das in jeder und jedem von uns steckt. Es ist wichtig, ein bisschen weiter zu denken und auch das zu erforschen, was jenseits alltäglicher Handlungen, gewohnheitsmäßiger Interaktionsschemata und automatischer Denkmuster liegt.
Es ist wichtig, Ideen eine Chance zu geben, für Dinge zu brennen und sich selbst dabei nicht zu ernst zu nehmen. In jedem Fall ist es wichtig, dem Leben mit Humor zu begegnen und Leichtigkeit in all dieser Schwere zu finden.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Tanz/Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich glaube, dass wir Realitäten außerhalb dessen brauchen, was wir als realistische Erwachsenenwelt ansehen. Für mich ist Theater ein Ort der Imagination, die heiligen Hallen der Kreativität und Fantasie. Das macht es besonders. In einer Umgebung, in der wir zu Erwachsenen mit Pflichten und Profilen mit so vielen „To-Dos“, „To-Bes“ und „To-Succeed-Ins“ werden, ist es wichtig, diese Räume zu haben, in denen die Fantasie den Vortritt hat. Das Theater ermöglicht Verspieltheit. Man kann sich auf einem Spielplatz voller Möglichkeiten wiederfinden und Optionen in Betracht ziehen, die über Stil, Vernunft und Ästhetik hinausgehen. Sogar Möglichkeiten, die scheinbar weit entfernt liegen und die man findet, wenn man Kreativität am weiten Horizont schweifen lässt.

Was liest Du derzeit?
Orhan Pamuk: „Das Museum der Unschuld“
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Du musst das Leben nicht verstehen. Dann wird es werden wie ein Fest“
Rainer Maria Rilke
Vielen Dank für das Interview, liebe Rebekka, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Tanzprojekte und persönlich alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Rebekka Pichler _ Tänzerin, Choreografin, Tanzpädagogin
Zur Person_ Rebekka Pichler schloss 2022 ihr Studium der zeitgenössischen Tanzpädagogik an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien ab. Es folgte ein halbjähriges, von Erasmus+ gefördertes Praktikum bei der Tanzcompany „ATOM Theatre“ in Sofia. Als Mitglied der Company war sie Teil verschiedener Projekte, entwickelte und performte ihr eigenes Stück „The big creation“, tanzte in der Choreografie „Betweenthedevilandthedeepbluesea“ von Stefaniya Georgieva und unterrichtete Open classes im Studio „Dance Station Bulgaria“.
Im Rahmen der „ATOM choreographic series“, einer Plattform für choreografischen Austausch, wurde sie eingeladen, als Choreografin mit einer Gruppe von Tänzer*innen ein Stück zu entwickeln, das im Theater „Toplocentrala” in Sofia aufgeführt wurde.
In Wien tanzte Rebekka ihre eigenen Choreografien, u.a. bei den Festivals „Kultursommer Wien“ und „Wir sind Wien“. Sie war Tänzerin im Performance Projekt „Glückselig. War gestern, oder? Eine Aneignung“, kuratiert von Andrea Amort, das 2023 im brut nordwest Premiere hatte. Als Teil des Projekts MAGMA erarbeitete sie gemeinsam mit einem interdisziplinären Team das Stück “Schachkomplex”, dessen Aufführung als Work in Progress im Dschungel Wien stattfand.
Ein aktueller Fokus von Rebekkas tänzerischer Recherche und Praxis liegt auf instant composition. „Landscapes for Composition“, ein strukturiertes Fortbildungsprogramm für Improvisation und Komposition, ermöglicht es ihr, Wissen und Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet zu vertiefen. Sie tanzt regelmäßig improvisierte Stücke mit Musiker*innen verschiedener Genres. Die Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus unterschiedlichsten Bereichen wie Schauspiel, Literatur, Video und Musik bereichert und prägt ihren Zugang zum zeitgenössischen Tanz.
Fotos_ Photocorps
Walter Pobaschnig _ 11.5.2024