„das jedes Individuum geschätzt wird“ Ann Schomburg, Künstlerin _ Berlin 13.5.2024

Liebe Ann Schomburg, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Jeder Tag ist anders. Phasen überschlagen sich und manchmal verliert man sich, nur um wieder mit einer neuen Perspektive in eine andere Wirklichkeit geworfen zu werden. Meine beste Arbeitszeit für concepting ist morgens gegen 5, wenn ich an Visuals arbeite, kann das auch spät werden. Ich recherchiere gerade viel und arbeite an einer Gaming schule als Leiterin des digital art Departments. Die Arbeit mit jungen Künstlerinnen und Künstlern ist sehr bereichernd, ob studiovisits oder Artist Plenum, immer wieder darf ich neue Erfahrungen sammeln und aus neuen Perspektiven schauen, was für mich ein unglaubliches Privileg ist. Ein Privileg, das von Anfang an meine künstlerische Karriere begleitet hat und ich bin nicht in der Lage auszudrücken, wie dankbar ich dafür bin.

Ann Schomburg,
Konzept und Performancekünstlerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Eine generelle Wahrheit gibt es nicht, ich mag es nicht, mich in Floskeln zu verlieren, aber für mich ist es wichtig, mich mit Menschen zu umgeben, die mich inspirieren und mit denen ich Utopien spinnen kann, zeitlosgelöst von einem Mehrwert oder einer Verwertungslogik. Wen das inspiriert, gerne, aber lasst euch von niemanden sagen, was wichtig, richtig oder falsch ist.

Ich träume von einer kollektivistischen Gesellschaft, in der jedes Individuum für das was es ist, geschätzt wird (und nicht für das was es sein sollte)

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Kunst wird sich niemals eine Rolle geben lassen, aber ich denke, dass es Arbeiten geben wird, die inspirieren, um in Gespräche zu gehen, Hemmungen abzubauen über vielleicht sonst unangenehme Dinge zu reden und oder das uns auch unserer Routine reißt und hilft innezuhalten und noch einmal aus einer anderen Perspektive auf Geschehnisse und Ereignisse zu schauen. Andere Arbeiten werden „nur“ sein. Meine Hoffnung ist, das diese Co-Existenz von gesellschaftlichem und ästhetischem Anspruch akzeptiert wird und den einen oder anderen inspiriert, Individuen zu akzeptieren, denn erzwingen kann man nichts, da gäbe es keine Nachhaltigkeit.

Was liest Du derzeit?

Das Trauma in dir, von bessel van der kolk

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Ein guter Mensch sein? Ja, wer wär’s nicht gern?“  B.Brecht

Vielen Dank für das Interview, liebe Ann, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Ann Schomburg, Konzept und Performancekünstlerin

Zur Person_ Ann Schomburg (*1984) ist eine deutsche Konzept und Performancekünstlerin, die in ihren Arbeiten Wechselwirkungen von Kunst und Gesellschaft thematisiert. Unter dem Slogan ‘Life immitates art’ (Das Leben imitiert Kunst) konfrontiert sie die Radikalität einer durch Massenmedien geprägten gesellschaftlichen Normalität mit einer dagegen teils harmlos wirkenden Kunstwelt.

Schomburgs Ursprünge liegen in der parlamentarischen Politik, allerdings entschied sie sich, ihre gesellschaftlichen Beobachtungen in einer künstlerischen Ausdrucksweise zu formulieren. Dabei setzt sie ihre eigene Person als Beispiel einer zeitgenössischen Lebenswirklichkeit ein. Schomburg nutzt die Erfahrung, als Vertreterin einer ehemaligen Minderheitenpartei in Satzungen und Verträgen neue Möglichkeits- und Ausgestaltungsräume zu finden und macht diese für ihre Performances produktiv.

So rief sie 2014 das Projekt „The Idling Mobile“ ins Leben: Ein mobiles Artist in Residence Projekt in einem Wohnmobil, das wie ein Trojanisches Pferd andere KünstlerInnen u.a. zu Subresidencies einlädt. Schomburg schafft in ihren Performances Situationen, in denen sich Werke, Akteure und BetrachterInnen temporär zu einer Gesamtinstallation verbinden. Seit 2016 widmet sie ausgewählte Einladungen zu Gruppenausstellungen um und lässt in diesen parallele Ausstellungen in Form von Ausstellungsinstallationen stattfinden, die so ihre Kolleginnen und Kollegen in die Ausstellungsliste integriert. (Text: Ann Schomburg)

Foto_privat.

Walter Pobaschnig _ 2.5.2024

https://literaturoutdoors.com

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