„Im Schauspiel verleihe ich meine Haut einer Figur, das ist das Höchste, Freudvollste“ Rainer Juriatti, Schauspieler _ Graz 23.4.2024

Lieber Rainer Juriatti, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Aufstehen. Dehnen. Keine Tageszeitung lesen. Dafür manchmal in „Die Furche“ oder „Die Zeit“ reinschauen. Mails checken. Laufen gehen. Text lernen oder Text schreiben. Recherchieren und lesen. Nachrichten schauen. Dabei immer wieder erkennen, dass die Welt untergeht. Einen Film schauen. Nochmals lesen. Einschlafen.

Rainer Juriatti, Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller _
in „Das Wechselbälgchen“ Christine Lavant. Hof-Theater/Höf-Präbach _ Off Theater Wien 10.4.2024
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Dramatisierung von Sophie Stocker. Regie: Ursula Leitner. Mit: Stefanie Elias, Rainer Juriatti, Jula Zangger, Benjamin Klug
https://literaturoutdoors.com/2024/04/11/ein-sensationeller-mitreisender-theaterabend-das-wechselbalgchen-christine-lavant-hof-theater-hof-prabach-_-off-theater-wien-10-4-2024/
Fotos_Walter Pobaschnig

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Dass jede und jeder von uns zwei Dinge begreift: die eigene sofort mögliche Sterblichkeit und dass die Welt definitiv untergehen wird, weil wir, während wir so tun, als stürben wir nie, nichts kapieren.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Das Schauspiel selbst ist ja ausführendes Organ einer Regisseurin/eines Regisseurs. Somit weiß ich nicht, welche Rolle dem Schauspiel zufällt außer das Schauspielen selbst. Für mich persönlich ist Schauspiel das Verleihen meiner Haut an eine Figur und somit das Höchste, das es an freudvollem Erleben gibt. – Welche Rolle dem Theater zukommt, das ist eine andere Frage. Neben der Unterhaltung ist das Theater stets auch Spiegel der Zeit und so hat es, denke ich, eine wertvolle Aufgabe zu erfüllen: Die Reflexion des gesellschaftlichen Istzustandes sowie der Lebenswelten, die dadurch auf uns zurollen. Und das alles möglichst unterhaltsam.

Was liest Du derzeit?

Da ich im Laufe meines Lebens eine Unsumme an Büchern gekauft und gelesen habe, hat sich diese Unsumme in meinen zwei Lese- und Arbeitsräumen angehäuft. Ich bin jetzt 59 Jahre alt und habe im eigenen Fundus von ganz vorne angefangen. So liegen derzeit Charles Bukowskis „Hot Water Music“ am Nachttisch, als Parallel-Leser auch Luigi Malerbas „Fliegende Steine“ und nicht zuletzt natürlich immer wieder „Stilles Chaos“ von Sandro Veronesi.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Gerne einen Satz von Thomas Bernhard: Noch kein Schriftsteller hat die Wirklichkeit so beschrieben, wie sie wirklich ist, das ist das Fürchterliche.

Rainer Juriatti, Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller _
in „Das Wechselbälgchen“ Christine Lavant. Hof-Theater/Höf-Präbach _ Off Theater Wien 10.4.2024
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Dramatisierung von Sophie Stocker. Regie: Ursula Leitner. Mit: Stefanie Elias, Rainer Juriatti, Jula Zangger, Benjamin Klug
https://literaturoutdoors.com/2024/04/11/ein-sensationeller-mitreisender-theaterabend-das-wechselbalgchen-christine-lavant-hof-theater-hof-prabach-_-off-theater-wien-10-4-2024/
Fotos_Walter Pobaschnig

Vielen Dank für das Interview, lieber Rainer, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Film,-, Literatur-, Verlagsprojekte und persönlich alles Gute! 

Ich habe zu danken.

5 Fragen an Künstler*innen:

Rainer Juriatti, Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller

Zur Person_  Rainer „Yuri“ Juriatti

erblickte an jenem Dienstag das Licht der Welt, als Dürrenmatts Stück „Die Ehe des Herrn Mississippi“ in seiner dritten Fassung in Münster zur Aufführung kam: Am 24. November 1964. Weiß der Teufel warum, wurde Juriatti noch am selben Tag notgetauft. Gesehen hat er das Stück nie, auch Dürrenmatt selbst hat er nie sonderlich gerne gelesen. Seine Kindheit verbrachte er auf einer Schotterstraße in der damaligen Milka-Hauptstadt Bludenz, wo ihn die „unermessliche Langeweile“ schließlich verrückt werden ließ, was ihn wiederum als Regisseur zum Film, später als Schauspieler auf die Bühne und schließlich an den einsamen Schreibtisch trieb, um am Ende sein Dasein als Schriftsteller und Schauspieler zu fristen.

Bücher

Kramuri (Gedichte, 1998), Sandlandfahrt (Roman, 2000), rama suri (Erzählungen, 2002).

47 Minuten und 11 Sekunden im Leben der Marie Bender (Roman, 2008), Die gedehnte Zeit (Roman, 2010), Lachdiebe (Roman, 2012, Taschenbuch 2015), Spaghettifresser oder: Migranten im Gehege der Duldung (Essay, 2014), Strandschatten (Roman, 2015), Die werten Herren (Essay mit Theatermonolog, 2017), Die Abwesenheit des Glücks (Erzählung, 2018), Werte Henker (Monolog; 2020), Kritzelbuch (zwei Satiren: Reisen durch Absurdistan & Augenbrennen; 2020).

Bühne

2008 – 2011 Szenische Lesetour mit „47 Minuten und 11 Sekunden im Leben der Marie Bender“

2017 – 2022 Szenische Lesetour mit „Die Abwesenheit des Glücks“ (mit Arnold Meusburger & Philipp Lingg)

2020 – 2022 Oper Graz: u.a. Figur Reb Nachum in „Anatevka“

2021 – 2022 Szenische Lesetour „Willkommen in Absurdistan“ (mit Philipp Lingg)

2023 Schauspielprüfung vor der Paritätischen Prüfungskommission, Wien

2023 Hoftheater Präbach: Figur Spund in „Der Talisman“ (Regie: Hans-Peter Horner)

in Vorbereitung: Monologabend „Im Casting des Lebens“

1996 verfilmte Juriatti Viktor Frankls Bühnenstück „Synchronisation in Birkenwald“. Das Filmdrehbuch entstand gemeinsam mit dem Begründer der Logotherapie. Der Film wurde im Frühling 2020 hebräisch untertitelt, im Israelischen Fernsehen gezeigt und wird in Yad Vashem ins Archiv aufgenommen, um ein Mal jährlich aufgeführt zu werden.

Der 2008 erschienene Roman „47 Minuten und 11 Sekunden im Leben der Marie Bender“ wurde im Jahr 2009 von Stefan Kasimir für die Bühne bearbeitet und durch das Landestheater für Vorarlberg aufgeführt.

2020 verfasste er die Kindergeschichte „Zaubersilvie und Piratentobi“, die zur Gestaltung einer Spielesammlung herangezogen wurde. Im selben Jahr entwickelte er gemeinsam mit seiner Frau eine Sternenkind-Box, die seit 2022 in Vorarlberg, Salzburg und vielen Krankenhäusern in Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Kärnten an Mütter überreicht wird, die eine stille Geburt zu verkraften haben. 2021 entwickelte er gemeinsam mit seiner Frau eine online-„Sternenkind-Karte“, die in den Ländern Österreich, Liechtenstein und Südtirol konkrete Hilfe für Betroffene anbietet: http://www.mein-sternenkind.net.

Auf Facebook betreibt Juriatti den Account „The Universe of Isolation“, der sich dem Thema „we all stay alone“ widmet.

2011 und 2021 erhielt Juriatti ein Arbeitsstipendium des Landes Vorarlberg.

Er ist Mitglied des Vorarlberger Autorenverbandes „literatur vorarlberg“, seit 2016 Mitglied im PEN-Club Liechtenstein und seit 2020 Mitglied der IG Autorinnen und Autoren Österreich.

Der Kollektiv Verlag

Chiara und Rainer Juriatti, Kollektiv Verlag

Im Frühling 2020 gründete Rainer Juriatti gemeinsam mit seiner Tochter aus tiefgreifender Frustration über die Verlagsszene in Österreich einen Buchverlag, in dem besonders die Autonomie künftig unter diesem Label publizierender Autor*innen gewahrt bleibt: Hier behalten Autor*innen ihre Rechte, der Verlag kümmert sich allein um Produktion sowie Publikmachung anvertrauter Titel und ist für die kreativ Schreibenden da – nicht umgekehrt. Germanistin (B.A.) und Kunsthistorikerin (M.A. & B.A.)

Chiara Juriatti leitet seit Herbst 2020 das Lektorat und trägt gemeinsam mit Rainer Juriatti die Entscheidungen über Publikation oder Ablehnung der einlangenden Manuskripte.

https://www.juriatti.net/work/verlag/

DerJuriatti – Die Seite von Rainer Juriatti   21.4.24

Alle Fotos_ Walter Pobaschnig

Walter Pobaschnig _ 21.4.2024

https://literaturoutdoors.com

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