Liebe Eva-Marie Hanser, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich unterrichte abends und schreibe unter tags. Am Wochenende bereite ich den Unterricht vor. Zwei Mal pro Woche gehe ich schwimmen und optimiere meine Schwimmtechnik, feine Millimeterarbeit, bei der der Körper wie von selbst die Notwendigkeiten zu erschließen scheint, derer es bedarf, um noch widerstandsloser durchs Wasser zu gleiten.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke, sprechen ist wichtig, sprechen im Sinne eines vollen Sprechens, auch wenn es etwas ist, das mir schwerfällt.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Zwei Ansätze: Rezeption und Produktion (abseits der Frage nach Aufbruch und Neubeginn):
Die Rezeption von Kunst, Literatur, Film, Musik etc. führt mich an (reale + imaginäre) Orte, zu Assoziationen und auf Pfade, die ich nicht kommen gesehen habe. Unerwartet wird etwas angestoßen und geht mir nicht aus dem Kopf.
Die Produktion gibt die Möglichkeit, den Raum und die Zeit zu denken, eine Sprache zu finden und zu verweben: Gedanken, Erinnerungen, Gegenstände, Beobachtungen, Abläufe (ich liebe Abläufe), Praktiken, Theorie, Ethik, Wünsche, Utopien und allfällig Bescheuertes, das auch auf Äußerung drängt.
Was liest Du derzeit?
Ein Klischee: Tatsächlich lese ich zurzeit „Die Vorbereitung des Romans“ von Roland Barthes, das sich über ein Jahr in dem von mir mittlerweile abgearbeiteten (und wieder erhöhten) Bücherstapels befand. Gerade bin ich beim Wetter: „falscher Referent, der es erlaubt zu kommunizieren“ (S. 82f.) (Kommentar: das Sprechen über Wetter ist/wird existenziell à globale Erwärmung und Klimagerechtigkeit)
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Etwas sperrt sich bei mir, wenn ich nach einem Zitat gefragt werde, Leere in meinem Kopf, und dann der Refrain von dem Song „Watching Trees“ von Eleven Pond (1986): „I want to be, in a tree, watching you, watching trees, memories of the trees, watching you, watching trees”
Vielen Dank für das Interview, liebe Eva-Marie, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Eva-Marie Hanser, Schriftstellerin
Zur Person _ Eva-Marie Hanser, lebt in Wien, 2019 Promotion in Theater-, Film- und Medienwissenschaft, diverse Publikationen und Vorträge u.a. zu Theatergeschichte, Industrial Culture, Undergroundkino und Ecocriticism, arbeitet derzeit als Deutschtrainerin und an einem Romanprojekt.
Foto_ privat
Walter Pobaschnig _ 28.2.2024