„Ich baue sehr gern Dinge auf, unter allen Umständen!“ Josefine Gottwald, Autorin und Netzwerkerin_ Dresden 9.3.2024

Liebe Josefine Gottwald, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Zurzeit lese ich viel vor Kindergruppen und mache Workshops zum Schreiben. Ansonsten lebe ich so minimalistisch wie möglich, trinke grünen Tee und bringe mit meinen Töchtern Spenden zur Tafel. Um die Ecke gibt es einen neuen Gemeinschaftsladen lokaler Höfe, dort kaufe ich gern ein …

Im Online-Austausch versuche ich vor allem, Mut zu machen. Das ist nicht immer einfach; viele Menschen fragen, woher die Zuversicht kommen soll – Hoffnung nährt vor allem unsere eigene Kraft.

Josefine Gottwald schreibt Romane und setzt sich im Literaturnetz Dresden für mehr Öffentlichkeit der lokalen Literaturszene ein

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich bin ein Mensch, der das Positive für konstruktiv hält. „Zusammenhalt“ drückt es gut aus: Wir geben uns Halt, indem wir weiter Nähe zulassen. Jeder weiß, wie verhärtete Fronten eskalieren. „Dialog“ vielleicht, auch wenn es Kraft kostet. Globale Probleme können uns leicht überfordern, dann müssen wir uns kleinere Baustellen suchen, um den Eindruck zurückzugewinnen, dass wir etwas bewirken können. Ich baue sehr gern Dinge auf, unter allen Umständen!

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Kunst kann neue Gedankenräume öffnen, das ist ihre größte Stärke. Es mag abgegriffen sein, aber für mich sind Krisen noch immer Chancen. Was mir gesellschaftlich fehlt, ist die Leichtigkeit. Jeder macht sich ernsthafte Sorgen, auch um die eigene wirtschaftliche Situation. Aber wenn wir auf Spielplätzen oder Supermärkten sind, wenn wir Menschen auf der Straße begegnen, sind wir auch ihnen, dem Miteinander verpflichtet. Ich freue mich über alle Kunstschaffenden, jeden Dichter und jede Poetin, die Energie investieren und positive Gefühle säen – irgendwoher müssen wir ja die Kraft nehmen zu kämpfen.

Was liest Du derzeit?

Ein Briefwechsel von Astrid Lindgren und Louise Hartung hat mich zuletzt inspiriert. Sie schrieben sich von Deutschland nach Schweden bis Mitte der Sechziger – damals stand Lindgren schon in einem stressigen Autorenleben, musste Kritiken und ständig Leserbriefe beantworten, bekam Fluten von Kinderbildern. In den Briefen berühren die beiden Frauen pädagogische und politische Themen, schreiben von Schatten der Ehe und Möglichkeiten in der Sexualität … Das Buch ist sehr emanzipiert.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Man kann es wohl nicht oft genug sagen. Ich denke oft an den Brecht zugeschriebenen Satz, der wohl älter ist, aber stilistisch so herausragend – vor allem erinnert er uns inhaltlich, welche Macht wir als Gemeinschaft haben: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ …

Josefine Gottwald schreibt Romane und setzt sich im Literaturnetz Dresden für mehr Öffentlichkeit der lokalen Literaturszene ein

Vielen Dank für das Interview, liebe Josefine, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Josefine Gottwald, Autorin und Netzwerkerin

Zur Person _ Josefine Gottwald schreibt seit ihrer Jugend Phantastische Literatur. Nach dem Studium arbeitete sie journalistisch, gründete die Facebook-Gruppe „Literatur erleben in Dresden“ und trat der Jury für einen Nachwuchsautorenpreis bei; zuletzt baute sie das Festival Pirna schreibt mit auf. Im Literaturnetz Dresden thematisiert sie Highlights der Szene im Onlinemagazin und pflegt Einträge der Akteur*innen und Veranstaltungen, um ihre Sichtbarkeit zu vergrößern.

http://www.josefinegottwald.de

Fotos_ Heike Stille

Walter Pobaschnig _ 28.2.2024

https://literaturoutdoors.com

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