Lieber Thomas Frie, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf hat sich auf den ersten Blick wenig verändert. Ich pendle täglich von meinem Wohnort Landshut zur Arbeit nach München. Nach wie vor arbeite ich gerne in meinem Beruf als Krankenpfleger, auch wenn die Bedingungen schwierig sind.
Seit ich nebenbei schreibe, hat sich mein Tagesablauf aber doch auch verändert. Ich fühle mich dadurch in einem gewissen Sinne in eine andere Welt katapultiert, die es neben der sichtbaren Welt auch noch in mir gibt. Ich fiebere den Stunden geradezu entgegen, wenn ich in diese andere Welt abtauchen kann.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Sich selbst treu zu bleiben, gerade in einer Zeit, in der die äußeren Einflüsse immer komplexer zu werden scheinen. Gerade jetzt ist es meiner Meinung nach wichtiger als je zuvor, in sich hineinzuspüren, auf seine innere Stimme zu hören, seinem eigenen Gefühl zu vertrauen und sich nicht von den äußeren Umständen verunsichern zu lassen, auch wenn dies wahrlich nicht immer leicht fällt.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Das Wesentliche ist, sich bewusst zu werden, wer wir wirklich sind. Ich denke, dass die digitale Epoche, oder das digitale Zeitalter, in dem wir uns befinden, nicht nur positiv gesehen werden sollte. Auch wenn es Vorteile mit sich bringt, so birgt es zugleich die Gefahr, uns immer weiter von unserem Ursprung zu entfernen. Es führt uns immer weiter von unserem Ursprung weg und verhindert damit, dass wir uns selbst als einen Teil des Ganzen erkennen können, der eins ist mit der Natur, der mehr ist als das, was mit bloßen Auge gesehen werden kann.
Der Literatur und der Kunst muss es gelingen, eine Brücke zu schlagen, zwischen der äußeren Welt der Illusion und dem Teil in uns, der sich davon abtrennt. Die Literatur sowie die Kunst können bewirken, dass wir uns selbst nicht vollständig in der äußeren Welt verlieren und darin liegt meiner Ansicht nach ihre Rolle, darin liegt ihre große Aufgabe.
Was liest Du derzeit?
Store Kongensgade 23 von Sören Ulrik Thomsen
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„Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was Gott eigentlich will, dass ich tun soll; es gilt eine Wahrheit zu finden, die Wahrheit ist für mich, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will.“
Sören Kierkegaard
Vielen Dank für das Interview, lieber Thomas, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Thomas Frie, Schriftsteller
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Foto_ privat
Walter Pobaschnig _ 21.2.2024