Lieber Johannes Herwig, herzliche Gratulation zum Anna-Seghers-Preis 2024 und danke für die Bereitschaft zum „5 Fragen Interview“!
Wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Viel zu früh aufstehen, Kinder versorgen, Schreiben, Kinder versorgen, viel zu spät schlafen. Dazwischen Lesungen, Schreibwerkstätten, Konzerte, Kneipe. Gelegentlich Sport. Insgesamt bin ich ein recht zielstrebiger Mensch, habe aber phasenweise einen Hang zur Prokrastination.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Mut und Zuversicht. Es ist die Angst, die das Gute lähmt und das Schlechte groß macht. Mehr lachen. Fröhlicher sein. Zwänge und Neid ablegen. Nicht ständig nach dem schielen, was die anderen vielleicht mehr haben oder besser können. Sich selbst nicht so ernst nehmen. Sich selbst nicht so wichtig nehmen, aber trotzdem auf sich vertrauen. Solidarisch sein! Vorwärts gehen!
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Hier müsste ich genauer wissen, auf welchen Aufbruch und Neubeginn sich die Frage bezieht. Letztlich ist die Literatur und die Kunst generell immer wichtig für die Weltbewältigung, für das sich in Beziehung setzen, sich spiegeln (lassen), das sich vergleichen. Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht die Kunst, um sich auszudrücken, Perspektiven zu öffnen und sich selbst zu verstehen. Dazu gehört sicher auch mal Herausforderung und Provokation. Insofern siehe oben: Kunst braucht Mut und Zuversicht und sollte diese auch transportieren.
Was liest Du derzeit?
Immer viel zu viel gleichzeitig! „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers (Klischee erfüllt), „Die jungen Rebellen“ von Sándor Márai, „Die Abendröte im Westen“ von Cormac McCarthy und noch so einiges mehr. Ich bin aber wirklich kein krass intellektueller Typ, der jeden Abend vier Stunden in seinem Ohrensessel sitzt, schmökert und tiefsinnig ist. Ich spiele auch manchmal einfach nur Computer.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Some people never go crazy. What truly horrible lives they must lead. (Charles Bukowski)
Vielen Dank für das Interview, lieber Johannes, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:
Johannes Herwig, Schriftsteller
Zur Person _ Johannes Herwig, in Leipzig-Connewitz geboren und groß geworden, erlebte die Nachwendezeit als Punk. Er studierte Soziologie und Psychologie, war viele Jahre selbständig im Kulturbereich tätig und Mitbegründer der Filmgalerie Phase IV in Dresden. Seit 2013 widmet er sich endlich seinem lang gehegten Traum, Bücher zu schreiben. Für seinen ersten Roman „Bis die Sterne zittern“ war er für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und gewann den Paul-Maar-Preis für junge Talente. Seine Bücher sind im Gerstenberg Verlag erschienen.
Bücher: Bis die Sterne zittern (2017), Scherbenhelden (2020), Halber Löwe (2023)
ausgezeichnet mit dem Paul-Maar-Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur 2017
nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018
ausgezeichnet mit dem Anna-Seghers-Preis 2024
Fotos_ © @opere.in.chiaroscuro.
Walter Pobaschnig _ 7.2.2024