Lieber Bernhard Fleischmann, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Momentan wache ich sehr sehr zeitig auf. So zwischen 5h und 6h. Ich genieße diese ruhigen Stunden, bevor der Trubel des Tages einsetzt. Trinke 2 Café, lese Zeitung, überlege was heute zu tun ist, was ich tun möchte. Füttere die Katzen, lasse den Gedanken in dieser Ruhe freien Lauf.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Uff – ich spreche ungern für „alle“.
Mir kommt vor, dass einst übliche Formen des höflichen Zusammenlebens zusehends verblassen. Wenn ich vor ein paar Monaten/Jahren Menschen den Vortritt gelassen habe, Türen aufgehalten habe etc. kam meistens ein lächelndes Danke – während der letzten Wochen wurden diese Tätigkeiten zunehmend „konsumiert“ ohne darauf zu reagieren.
Ich fürchte, dass sehr viele Menschen mit extrem vielen Gedanken und Sorgen durch den Alltag gehen, und dabei die Höflichkeit, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit gegen Grant und Ignoranz tauschen – aber ich halte weiter die Türen auf . . .
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass Musik und Kunst einen ebenso wertvollen und genauso wichtigen Stellenwert haben, wie Bildung, Forschung und Wissenschaft. Ich glaube, dass diese Bereiche der menschlichen Entwicklung unteilbar miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig inspirieren.
Gleichzeitig hat ein nach rückwärts gerichtetes Weltbild gerade Hochsaison, was ich als beschämend und gefährlich erachte. Vor allem deshalb, weil ich Populist*innen den Vorwurf mache, ihre Machtgeilheit mit unappetitlichen Mitteln zu stillen. Ich glaube es ist fast chancenlos Populist*innen beizukommen, oder sinnvolle Unterhaltungen zu führen. Aber Menschen, die ihnen auf den Leim gehen, können durchaus durch ernstgemeinte Gespräche und Aufklärung erreicht werden. Die Entzauberung muss, glaube ich, die Politiker*innen ignorieren und ganz direkt bei Wähler*innen beginnen.
Was liest Du derzeit?
Zu wenig … Ich versuche gerade mit „Going Zero“ von Anthony Mc Carten wieder ins Lesen zu kommen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Wenn ich darf, gerne einen Text, den ich für ein neues Stück geschrieben habe:
„Ja die Wöd steht nimma lang,
Wos fia a Glück
Wö sie hod si scho imma draht
Denkt Kopernikus bei einer Tschick
Ja die Wöd steht nimma lang,
Wos fia a Glück
Für dieses Erkenntnisserl
brechens dem Galileo sei Gnick“
Vielen Dank für das Interview, lieber Bernhard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Zur Person _ b. fleischmann
Geboren 1975, lebt als freischaffender Musiker in Wien. Seit 1998 Beschäftigung mit elektronischer Musik. 1999 veröffentlicht er auf den neuen Labels „Morr Music“ und „charhizma“ sein Debut „pop loops for breakfast“. Es folgen weltweit etliche weitere Veröffentlichungen auf internationalen Labels. Für „Welcome Tourist“ erhielt er 2003 den „Qwartz Electronic Music Award“ in der Kategorie bestes Album. 2008 erscheint „Angst Is Not A Weltanschauung“ – ein Album, das von MICA – music austria unter den Top Ten Records aus Österreich in der Dekade 2000–2010 gelistet wird. 2018 erscheint das Album „Stop Making Fans“ auf Morr Music, 2022 das Album „Music For Shared Rooms“ mit ausgewählten Stücken von Theater und Filmmusik. Konzerte und Tourneen fanden in den letzten Jahren weltweit statt. Neben seiner Tätigkeit als Musiker und Remixer ist b. fleischmann auch als DJ und Produzent tätig.
Seit 2001 arbeitet b. fleischmann auch regelmäßig an Theater – und Filmmusik im In- und Ausland.
Für die Filmmusik zu Katharina Mücksteins Film „L´Animale“ erhielt b. fleischmann 2019 den Österreichischen Filmpreis in der Kategorie „Beste Filmmusik“, sowie den „Award For Best Original Score“ beim französischen „Festival De Cinema Europeen Des Arcs“.
2003 den den Qwartz Electronic Music Award (Frankreich) für das beste Album „Welcome Tourist“
Weitere Infos zu Veröffentlichungen, Film und Theater Projekten:
info@bfleischmann.com
http://www.facebook.com/b.fleischmannofficial
Foto_Walter Mussil
Walter Pobaschnig _ 15.1.2024