Liebe Katrin Koch, wie sieht jetzt dein Tagesablauf aus?
Ich bin kein Morgenmensch, daher brauche ich länger, bis ich aus dem Bett komme, die Schlummertaste beim Wecker kommt schon öfter zum Einsatz. Morgens trinke ich dann erstmal viel Leitungswasser, dann gibt es täglich frisch gepressten Gemüse/Obstsaft das gibt mir viel Energie. Danach bearbeite ich Organisatorisches das ansteht, Mails beantworten, Anrufe, Termine planen, etc. Neben meiner Gesangstätigkeit unterrichte ich auch, somit gibt es auch immer etwas für den Unterricht für meine GesangsschülerInnen vorzubereiten.

Je nachdem, was gerade ansteht sind meine Tage dann eine Mischung aus sich um meine SchülerInnen kümmern, neue Lieder/Oratorien/Arien lernen und üben, Konzertprogramme konzipieren (mein Mann und ich haben einige Konzertformate entwickelt, in denen es mir wichtig war, herkömmliche Strukturen ein wenig aufzubrechen, die Menschen mehr in das Geschehen zum Beispiel eines Liederabends mit hineinzunehmen.
Wir spielen zum Beispiel eine szenische Schöne Müllerin mit Müllerin, die die Handlung durch andere Schubert Lieder ergänzt oder auch in den direkten Dialog mit dem Müllersgesellen tritt. Der Abend hat zwei mögliche Enden, das Publikum kann in der Pause abstimmen, wie es ausgeht. Selten hatte ich so aufmerksames Publikum in einem Liederabend, die Menschen sind ganz dabei und bilden sich eine Meinung, die sie in der Abstimmung kundtun können. Jedes Mal wieder, wenn wir die Müllerin spielen freue ich mich wahnsinnig, wenn ich mitbekomme, wie das Publikum in der Pause darüber diskutiert, wie es mit der Handlung weitergehen soll, dann habe ich das Gefühl ich habe meine Aufgabe erfüllt, die Musik ist bei den Menschen angekommen.)

Und um Essen und Haushalt muss sich natürlich auch gekümmert werden, das mache großteils ich aber mein Mann unterstützt mich sehr, wenn er merkt mein Tagesplan ist sehr dicht.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich glaube es wird immer wichtiger und unerlässlicher, dass jeder mehr zu sich kommt. Wir sind alle täglich umgeben von so vielen Ablenkungen, das Leben ist nicht mehr darauf ausgerichtet, dass man sich einfach mal hinsetzt und still wird. Aber erst wenn man still ist, kann man wirklich hören was im Inneren so vor sich geht, bekommt man eher mi, wenn man an einer Weggabelung kurz davor ist falsch abzubiegen oder dass man mitunter Lebenszeit damit verbracht hat sein Leben nicht so zu leben, wie es einem besser entsprechen würde. Ich habe den Eindruck bei vielen Menschen stauen sich durch die Schnelllebigkeit und Wuseligkeit unserer Zeit soviele Emotionen auf, die kaum noch bewältigt werden können, vielleicht ist es kein Wunder, dass es immer mehr Krieg gibt und dieser uns hier, wo wir leben immer näher zu kommen scheint. Ich muss oft an ein Zitat denken, das in letzter Zeit immer wieder aufgetaucht ist: „Stell dir vor es ist Krieg doch niemand geht hin“. Klingt so einfach, wäre es meiner Meinung nach letztendlich auch, wenn die Menschheit sich kollektiv für ein freies und friedliches Miteinander entscheiden würde. Aber so weit sind wir Menschen offensichtlich noch nicht.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Einen Teil der Antwort habe ich in der obigen Frage denke ich bereits vorweggenommen, des Weiteren bin ich überzeugt davon, dass man ohne Eigenverantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen es in Zukunft schwierig haben wird. Ich versuche mir Fragen zu stellen wie bin ich glücklich, bin ich zufrieden, was fehlt mir, um glücklich und zufrieden zu sein? Manchmal sind es Dinge oder Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann, dann arrangiere ich mich damit und versuche in jeder Situation das Positive daran für mich zu erkennen. Aber Vieles kann ich selber ändern und das mache ich dann im Rahmen meiner Möglichkeiten, auch wenn es nicht immer leicht ist. Ich sehe viele Menschen, die im Alltagstrott gefangen sind und von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub leben, und ich glaube die fehlende Freude im Alltag macht viele Menschen krank, ob mental oder physisch. Ich nehme mich auch gar nicht aus, auch ich ertappe mich immer wieder beim Jammern und in einer Unzufriedenheit. Und natürlich ist das beschämendes Jammern auf hohem Niveau, ich habe genug zum Essen, Anziehen und ein Dach über Kopf, eine wunderbare Beziehung und einen Beruf der auch Berufung ist. Genau das ist es auch was als Künstlerin und Sängerin für mich so wertvoll ist, ich kann mit ganz wenigen Mitteln Menschen zum Innehalten bewegen, zum Hören, und sie mit sich selbst und ihren Emotionen in Verbindung bringen. Das ist meiner Meinung nach das Wesen der Kunst, eine Innenschau, wenn man sie zulässt. Was spricht mich an, was macht es mit mir, was fühle ich, was gefällt mir, was finde ich furchtbar, und wichtig: warum? Die Kunst lässt einen über sich selbst lernen, meiner Meinung nach ist das die Voraussetzung, um besser mit sich und in Folge mit anderen klarzukommen.
Was liest du derzeit?
Vom Leben und anderen Zumutungen von Giovanni di Lorenzo
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest du uns mitgeben?
„Die Musik steckt nicht in den Noten. Sondern in der Stille dazwischen.“ — Wolfgang Amadeus Mozart

Vielen Dank für das Interview, liebe Katrin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler:innen:
Katrin Koch, Sopranistin
Zur Person _ die österreichische Sopranistin Katrin Koch stammt ursprünglich aus Kärnten, wo ihre musikalische Begabung bereits früh erkannt und gefördert wurde. So erhielt sie Unterricht in Klavier, Querflöte und Orgel und war seit frühester Kindheit Mitglied in diversen Chören und Ensembles sowie einige Jahre Organistin in ihrer Heimatpfarre Reichenfels im Lavanttal. Ihre Gesangsausbildung erhielt sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei KS Adele Haas, Adelheid Hornich und Margit Klaushofer, sowie an der Musik und Kunst Privatuniversität Wien bei Angelika Kirchschlager, Birgid Steinberger und Uta Schwabe. Diverse Meisterkurse, wie zum Beispiel bei Helmut Deutsch, Robert Holl, Roger Vignoles, Fiorenza Cossotto, Robert Barefield, Beverly Blankenship, Eiddwen Harrhy, Michael Chance, Andrew King, Irina Gavrilovici u.a. komplementieren ihre künstlerische Ausbildung.
Katrin Koch ist Solistin bei zahlreichen renommierten Festivals und Aufführungsstätten wie zum Beispiel Oper im Steinbruch St. Margarethen, Wiener Musikverein, Wiener Konzerthaus, MuTh Wien, Brucknerhaus Linz, Musikwochen Millstatt, Kammermusikfest Lockenhaus, Liszt Festival Raiding, Carinthischer Sommer Ossiach, Styriarte, Wiener Stephansdom, St.Pauler Kultursommer, Kulturfabrik Hainburg etc. Zusammenarbeit mit Künstlerpersönlichkeiten wie Zubin Mehta, Jordi Savall, Martin Haselböck, Kristjan Järvi, Andrés Oroczo-Estrada, Anja Bihlmaier, Karsten Januschke, Alma Deutscher, Philipp Himmelmann und Philippe Arlaud.
Darüberhinaus bildet Katrin Koch gemeinsam mit ihrem Mann Christian Koch die Formation KOCHkunst, wo eigene innovative Projekte künstlerisch hochwertig umgesetzt werden.
Fotos_ Theresa Pewal
Walter Pobaschnig _ 5.1.2024