Liebe Annika Korbitsch, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Wecker klingelt um 6.00 Uhr. Ich wecke meine zwei Kinder und bereite ihnen ihr Frühstück und Jausenbrote für die Schule zu. Unsere Katzen werden gefüttert. Danach bringe ich meine jüngere Tochter in die Schule.
Wieder zu Hause beginne ich um ca. 8.00 Uhr mit meiner Arbeit. Malen, zeichnen, Computerarbeit…Je nachdem wann die Kinder aus der Schule kommen bereite ich ein Mittagessen zu.
Wenn meine jüngere Tochter den Nachmittag in der Schule verbringt setze ich mich wieder an meine Malerei.
Um 17.00 Uhr hole ich meinen Mann und Tochter aus dem Ort ab.
Danach gemeinsames Abendessen und diverses Abendprogramm.
Um 22.00 Uhr bin ich im Bett.


Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die Eigenständigkeit und Freiheit eines jeden Einzelnen zu respektieren. Sich nicht von Ideologien, egal welcher Art, mitreißen zu lassen und tief in sich selbst nach Fragen und Antworten zu suchen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Kunst in jeder Form hat die Möglichkeit einen verkümmerten, zurückgezogenen und vergessenen Teil in uns wie eine warme Decke zu umhüllen, wie ein Eisspieß zu durchbohren oder wie ein Musikinstrument zum klingen zu bringen. Dadurch kommen wir in die Lage, diesen Teil in uns wieder zu fühlen und auf unserem Weg wieder etwas vollkommener und echter zu werden. Aus einer formlosen, gedankenlosen Masse heraustreten zu können und einen weiteren Schritt auf dem Weg zum inneren Frieden zurück zu legen.

Jeder Mensch der sich traut das auszuleben was in ihm steckt trägt automatisch etwas zur Gesellschaft und deren Weiterentwicklung bei.
Was liest Du derzeit?
Ich bin Autistin- aber zeige es nicht. Leben mit dem Asperger- Syndrom
Von Liane H. Willey
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“
Astrid Lindgren

Vielen Dank für das Interview, liebe Annika, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler:innen:
Annika Korbitsch, Künstlerin
Zur Person _ Annika Korbitsch, Reichenfels,Kärnten, Österreich, geb: 1982 Ausbildung: Gold und Silberschmied, Graveur an der HTL Ferlach
In meiner Ausbildung zum Goldschmied und Graveur an der HTL Ferlach wurde meine Liebe zur Kunst geweckt. Nach meinem erfolgreichen Abschluss legte ich alle Energie in die Verbildlichung meiner Gedanken und meiner Seele. Ich erkenne immer mehr, dass es meine Herausforderung als Künstler ist, meine zwei Seelen im Gleichgewicht zu halten. Die eine Hälfte will eintauchen, mit schwimmen und untergehen. In einem Gefühl der Zugehörigkeit zu einem großen Ganzen. Zum Frieden, zur Liebe und Schönheit, zur Geborgenheit und Fantasie, zur Verrücktheit und Freiheit, zur Hoffnung, Gnade und zur Freude. Die andere Seite will den Schrecken der Realität zeigen. Sie muss es! Das Licht wird nicht geschätzt, wenn man nicht auch die Dunkelheit kennt. Der Friede wird nicht geschätzt ohne die Verzweiflung, ohne den Abgrund und die Hoffnungslosigkeit. Aus diesem Grund muss ich beides malen. Den Krieg und die Verzweiflung in mir, aber auch die Hoffnung auf die Erlösung. Oft mit meinem hilfreichen Freund – der Fantasie
Wenn ich male, relativiert sich mein Verständnis von Zeit. Ich gestalte jedes Detail und jedes
Detail hat eine Geschichte zu erzählen. Hierbei tauche ich ab in eine fremde Welt. Eine Welt, die ich mir selbst erschaffe, in der Zeit keine Bedeutung hat. Oft fällt es mir schwer mich nach getaner Arbeit wieder von meiner Welt zu lösen. Kaum blickt man auf, findet man sich in einer Welt getrieben von Gier, Schnelligkeit und Effizienz. Dieser Realität, die zu unserer einzigen Wahrheit geworden ist, kann man durch Kunst entfliehen. Das langsame Entstehen eines Bildes ist ein Schaffensprozess, in welchem ständig neue Ereignisse auftreten und unerwartete Situationen mich dazu zwingen, meinen Blick auf eine noch tiefere Welt zu richten. Je länger ich male, desto tiefer tauche ich ein in meine Seelenruhe, in meinen inneren Frieden. Ist der Schaffensprozess abgeschlossen, verschwindet nicht alles von dieser Welt. Einen Teil davon habe ich im Bild festgehalten, einen Teil davon trage ich in mir und durch mich hinaus in die reale Welt.
„Kunst ist der Anker, der mich von der Gleichgültigkeit fernhält, von der Blindheit beschützt. Sie ist ein Netz, in dem ich mich getragen und aufgefangen fühle. Sie gibt mir einen Platz in dieser Welt.“
Fotos_ Annika Korbitsch
Walter Pobaschnig _ 18.12.2023