Liebe Naoko Fujimoto, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich verfolge gerade drei große Routinen: Essays schreiben, Einsendungen lesen und japanische Literatur ins Englische übersetzen.
Essays schreibe ich für mein Projekt „Working on Gallery“, eine Onlinecommunity, die Lyriker:innen, Visual Poets und Übersetzer:innen vorstellt. Dafür befrage ich sie zu ihren kreativen Herangehensweisen, wie auch für andere amerikanische Literaturzeitschriften wie RHINO Poetry und Tupelo Quartely. Ich lese auch deren Lyrik- und Übersetzungseinreichungen für ihre künftigen Publikationen.
2023 war mein Übersetzungserwachen. Ich erhielt zahlreiche Übersetzungsmöglichkeiten, unter anderem ein Vollstipendium für die Bread Loaf Conference. Dafür übersetzte ich japanische Waka-Gedichte aus dem 8. Jahrhundert. Einige meiner Übersetzungen sind im Asian American Writers‘ Workshop zu lesen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Tief atmen.
Astronauten sagen immer, dass es keine Grenzen gibt, wenn sie vom Weltall auf die Erde blicken. Ich bin aus 3.100 Metern Höhe in den USA Fallschirmgesprungen. Auch ich habe keine amerikanischen Staatengrenzen vom Himmel aus gesehen. Wir leben alle auf einem Planeten, daran möchte ich euch als eine Nachkommin von japanischen Großeltern erinnern, die den Zweiten Weltkrieg erfahren und den Opfern von Atombomben geholfen haben.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Kunst und Literatur sollten keine Mauer zwischen Geschlecht, Rasse, Alter, Religion und spezifischen Organisationen bauen. Unterschiedliche Arten von Kunst und Literatur können uns dabei helfen, nicht länger in solchen binären Extremen zu denken. In diesem Prozess ist es ungemein wichtig, wie wir unsere Gedanken ausbalancieren.
Was liest Du derzeit?
Tetsuko Kuroyanagis Nachfolger ihres 1981er-Werks: Totto-Chan: The Little Girl at the Window, erschienen im Oktober 2023.
The Art of Recklessness, Poetry as Assertive Force and Contradiction von Dean Young.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Not a light, but it’s bright
Winks, but not an eye
Come dark, it takes flight
And walks when it’s tired.
Hindi ilaw, may liwanag
Hindi mata, kumikindat
Kung madilim, tumataas
Kung mapagod, naglalakad
Philippines Nursery Rhymes and Verses, englische Übersetzung von Angela Narciso Torres
Ich habe dieses Zitat als Hommage an Gute-Nacht-Rituale mit den Liebsten gewählt. Glühwürmchen sind in vielen Ländern Symbole der Stille.
Vielen Dank für das Interview, liebe Naoko, Schriftstellerin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Thank you!
Aus dem Englischen von Lisa Schantl – herzlichen Dank!
5 Fragen an Künstler*innen:
Naoko Fujimoto, Schriftstellerin
Zur Person _ Naoko Fujimoto wuchs in Nagoya, Japan, auf und studierte am Nanzan Junior College. Als Austauschstudentin absolvierte sie ein Bachelor- und Masterprogramm an der Indiana University. Ihr Werk umfasst die Gedichtbände We Face the Tremendous Meat on the Teppan (C&R Press, 2022; ausgezeichnet mit dem C&R Press Summer Tide Pool Chapbook Award), Where I Was Born (Willow Books, 2019; ausgezeichnet als Editor’s Choice), GLYPH: graphic poetry = trans. sensory (Tupelo Press, 2021) sowie vier Chapbooks. Sie liest und lektoriert Lyrik und Übersetzungen für RHINO und Tupelo Quarterly. Fujimoto erhielt ein Bread Loaf Übersetzungsstipendium.
Aktuelles Buchprojekt mit Naoko Fujimoto
Tinted Trails
Exploring Writings in English
as a Second Language
Texte von Naoko Fujimoto, die in Tinted Trails erschienen sind:
Gedicht „Three Chairs“ (Neuveröffentlichung)

AN ANTHOLOGY BY TINT
EDITED BY
Lisa Schantl, Filippo Bagnasco, Andrea Färber and Chiara Meitz
GUEST EDITORS
Marjorie Agosín and Juhea Kim
CONSULTING EDITORS
Matthew Monroy and John Salimbene
ART CURATOR
Vanesa Erjavec
FORUM STADTPARK
Tined Trails
Exploring Writings in English as a Second Language
features a best-of Tint Journal texts from issues #01 to #10, as well as new works by renowned ESL authors to show the wide and bright kaleidoscope of worldwide literature in English.
The book holds 35 texts, both poetry and prose, organized in four chapters, carefully assembled by guest editors Marjorie Agosín and Juhea Kim, consulting editors John Salimbene and Matthew Monroy, and the anthology editors Lisa Schantl, Filippo Bagnasco, Andrea Färber and Chiara Meitz. The artworks were curated and the illustrations drawn by Tint Art Editor Vanesa Erjavec.
Release: November 2023
Publisher: Verlag FORUM STADTPARK
Price: € 22,-
ISBN: 978-3-901109-84-3

Fotos _ presentation/readings/workshops Graz 11/23










Tint Journal is the leading online literary journal for those who write prose and poetry in English as their second or non-native language.
By choosing English as their creative tool, these writers provide an extensive audience with a window into their values, ideas, and beliefs. Coming from a wide variety of backgrounds, they bridge borders and blend cultures, offering the purest and deepest understanding of their fiction and nonfiction worlds.
Over the years, Tint has become a multifaceted platform for emerging
and established ESL writers, and it encourages them to embrace their
non-native English backgrounds. Their unique linguistic landscapes shape
their creative voices and influence their readers’ experiences. This quality
has been ignored— even shamed— for too long.
Through the innovative, tinted lenses of ESL writers, Tint shines a light on the ways that authors all over the globe can contribute to what we know as literature in English
https://tintjournal.com/tinted-trails
Foto Portrait_ privat
Fotos_presentation: Clara Wildberger
Walter Pobaschnig _ 22.11.2023