Lieber Deniz Beser, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich kann normalerweise nachts gut arbeiten. Ich arbeite in zwei verschiedenen Zeitzonen, nachmittags und abends, um effizienter zu sein. Ich bleibe bis spät in die Nacht wach, verfolge Inspiration und verbringe meine Zeit mit Zeichnungen, Skizzen, Videos oder Fanzines. Seit Dezember 2019 habe ich meine Disziplin beibehalten, jeden Tag ohne Unterbrechung eine Zeichnung zu erstellen, und ich habe nie aufgehört, in dem gleichen Tempo kreative Werke zu produzieren.
Abends genieße ich es, an Ausstellungseröffnungen, Partys und Konzerten teilzunehmen. Das Verbinden meines geschäftigen Arbeitslebens mit einem dynamischen sozialen Leben hält mich lebendig.



Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
In diesen absurden Zeiten ist meiner Meinung nach Frieden für uns alle das Wichtigste. Ich sehne mich nach Zeiten, in denen es kein Chaos, keinen Streit, keinen Krieg gibt, in denen Dialoge im Vordergrund stehen und die Menschen miteinander Empathie zeigen. Ich hoffe, dass eines Tages all dies Realität wird.



Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Film, der Kunst an sich zu?
Kunst ist meiner Meinung nach immer eine vereinigende kulturelle Kraft, die stets bei uns ist. Es ist meiner Ansicht nach sehr wichtig, Kunst als ein sinnvolles Werkzeug zu nutzen, um neue Wahrnehmungstüren im Leben der Menschen zu öffnen. Ich glaube, dass in den Agenden aller Künstlerinnen und Künstler ungefähr dieselbe Mission verankert ist.

Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich verschiedene Fanzines, die in verschiedenen Ländern der Welt veröffentlicht wurden. Drucke aus England, der Türkei, Indien, Brasilien, Chile und Portugal repräsentieren die verschiedenen Stimmen und Farben der unabhängigen Verlagsbranche. Einige befassen sich mit Feminismus, andere mit Comics, und wieder andere bieten originelle Veröffentlichungen im Bereich zeitgenössischer Kunst.
Und in diesen Tagen lese ich „PUNKS LISTEN“, das von der Hope Collective, der Punk-/Do-It-Yourself-Gruppe in Dublin, veröffentlicht wurde. Dieses Buch hat zum Ziel, eine eklektische und leidenschaftliche Liste von Langspielplatten Favoriten einiger ausgewählter Künstler bereitzustellen. Es wurde veröffentlicht, um das Rote Kreuz in der Ukraine zu unterstützen und enthält bekannte Namen wie Suggs, Henry Rollins und Mike Scott sowie zahlreiche Underground-Figuren. Es ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, die zwar schlagkräftig und roh sind, aber beim Leser definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Die Mehrheit verschmutzt die Welt mit schlechten Ideen und Taten, sowohl plastisch als auch nuklear und politisch, während eine kleine Minderheit mit einer erstaunlichen Hoffnung versucht, das Chaos zu bereinigen, wie es nur in Romanen zu sehen ist.“
Ferhan Sensoy, „Falınızda Rönesans Var“ (1998)

Vielen Dank für das Interview, lieber Deniz, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Deniz Beser, Künstler
Zur Person _ Deniz Beşer (geb. 1986) ist ein in Wien und Istanbul lebender Künstler, Kurator und unabhängiger Verleger. Er erhielt seinen Bachelor Abschluss in Keramik- und Glasdesign an der Mimar Sinan Fine Arts University und studierte Malerei an der Universität Sevilla. Er ist der Direktor der Open Studio Days İstanbul, der Fanzineist Vienna Art Book & Zine Fair und des FanzineIST – Zine Fest Of İstanbul. Außerdem ist Beser Mitbegründer des Publikations- und Kunstkollektivs Heyt be! Fanzin.
Beşer hat bereits in ganz Europa, Asien und Kanada ausgestellt, unter anderem im New Jörg in Wien und in der Kunsthalle Zürich in der Schweiz. Seine Arbeiten wurden in Canon Europe, im Schwäbischen Tagblatt und The Bridge Magazine besprochen sowie in den Publikationen Artribune, renk magazin und Augustin vorgestellt.
Im Jahr 2021 erhielt Beşer ein Stipendium von READ (Goethe-Institut Skopje & Zentrum für Balkankooperation – LOJA) für seine Einzelausstellung und sein
Künstleraufenthaltsprogramm in Tetovo, Nordmazedonien.
Fotos_Deniz Beser
16.11.2023 _Walter Pobaschnig