Liebe Luisa Stachowiak, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich schlafe bis c.a. halb acht. Dann Kaffee und Lektüre im Bett. Danach erledige ich Schriftkram und kleinere Haushaltssachen. Ab zehn beginne ich zu unterrichten, je nach Anzahl der Schüler*Innen geht das bis 17:00. Da ich momentan an keiner Produktion arbeite, habe ich die Abende zur freien Verfügung. Als passionierte Hobbyköchin verbringe ich sie gerne am Herd.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Auf der Probe schätze ich einen Zustand besonders: den, des Nicht- Wissens. Damit meine ich keineswegs den Verzicht auf profunde Textkenntnis oder Hintergrundwissen. Theater ist komplexe Materie und je mehr man sich beschäftigt umso komplexer wird sie. Deswegen erscheint es mir komplett unsinnig, dass man meint, BEVOR die Probe überhaupt begonnen hat, zu wissen wie „es geht“. Ich bin immer dann am schlechtesten, wenn ich nur sehen will, was ich mir in meinem Kopf ausgedacht habe. Es ist total okay zu sagen: ich weiß eine Menge, aber ich habe keine Ahnung wie es funktionieren soll.
Wenn ein Schauspieler keine Angst hat zu scheitern, kann er unmittelbare Erfahrungen machen und Erkenntnisse gewinnen, die jenseits der Kopfgeburt liegen. Und diese Erkenntnisse bzw. Fragen übertragen sich dann auch auf die Zuschauenden.
Vielleicht würde es uns allen guttun ein bisschen weniger nach Bestätigung unserer vorgefertigten Weltbilder zu suchen und uns wieder unvoreingenommener entgegenzutreten.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Wesentlich? Unsere Kinder zu guten Menschen erziehen und mit Liebe zu überschütten.
Ansonsten? Beckett sagt es ja: Scheitern, scheitern, besser scheitern.
Aber das Theater als moralische Anstalt? Meiner Meinung nach müsste da gewaltig vor der eigenen Tür gekehrt werden.
Mehr Diversität auf der Bühne und weniger Diversität bei den Gagen wäre ein Anfang.
Was liest Du derzeit?
Gerade fertiggelesen: Tonio Schachinger, „Echtzeitalter“. Ein Schulroman.
Das perfekte Buch für Halloween. Selten gleichzeitig so gelacht und gegruselt.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Erwachsensein ist nichts als eine Illusion.“ J. Brel
Vielen Dank für das Interview, liebe Luisa, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Luisa Stachowiak, Regisseurin, Schauspielerin
Zur Person _ Luisa Stachowiak wurde 1980 in Köln geboren.
Nach abgeschlossener Schauspielausbildung an der Folkwang Hochschule Essen/ Studiengang Schauspiel Bochum war sie 6 Jahre lang am Nationaltheater Mannheim als Ensemblemitglied und Gast tätig.
2013 zog sie nach Wien und gründete dort das Schauspielstudio Stachowiak.
Ihre letzten Inszenierungen waren „Was ihr Wollt“ (OFF Theater, Wien), „Frau Müller muss weg“ (Schikaneder, Wien), „Kunst“ (Theatertage Weissenbach) und „Der Tod und das Mädchen“ (Theater Arche, Wien), „Betrogen“ (Kunst im Prückel), „Lost Mythologies“, (Semmelweisklinik)
http://www.schauspielstudio-stachowiak.at/
https://www.facebook.com/luisa.stachowiak
Foto_privat
7.11.2023 _Walter Pobaschnig