Liebe Ana Bilic, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Neben dem Notwendigen – Frühstück, Mittagessen und Abendessen – und auch dem Erwarteten – das Schreiben, das Planen, das Umsetzen – gibt es auch drei wichtige Rituale:
1) „Welt hören“ – ruhig sitzen und eine kurze Zeit auf die Töne und die Geräusche um mich konzentrieren;
2) sich ein leichtes Dessert nach dem Mittagessen gönnen;
3) meine gekrizelten Notizen voll von Ideen in Ordnung bringen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Eigene Krisen zu bewältigen: Selbsterkenntnis gepaart mit Toleranz zu sich selbst, sich Zeit nehmen und Gelassenheit festigen. Bei Krisen um uns herum: Teilnahme an der Umweltnachhaltigkeit, gesunde Diät bei Informationsüberflutung und kritisches Denken bei Moden jeder Art.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Film, der Kunst an sich zu?
Als Antwort nehme ich ein Gedicht aus meinem Lyrikband „Von Klarheit und anderen Irrtümern“ als Zitat:
Opferbereitschaft
Heutzutage ist Kunst anders als sie früher war:
Auch zum Frühstück zu gehen oder Wäsche zu waschen
wird als Kunst betrachtet.
Solche Performances helfen sowohl Kunstmachenden als auch Kunstkonsumenten
ein höheres Bewusstsein zu erreichen:
Jeder Akt des Lebens wird zur Kunst,
und damit wird das Leben auch viel sehnlicher.
Was liest Du derzeit?
Den Roman „Der Einzelgänger“ von Eugène Ionesco – der einzige Roman, der dieser großartige Dramatiker1973 verfasst hat. „Der Einzelgänger“ redet über Gott und die Welt in einem einfachen, fast infantilen Stil und somit trägt der Roman die Witzigkeit und die Komik in sich, wegen der sich der Roman in einem Atem lesen lässt. Die Frage wird in den Raum gestellt: Ein Teil der Welt oder ein Einzelgänger zu sein?
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein kurzes Zitat aus meinem Langspielfilm „Wenn die Heidelerche singt“ zum Thema Natur und Umwelt:
„JUNGE FRAU:
Du hast kein Recht so zu reden. Der Wald rettet und liebt. Ich bin noch immer am Leben.“

Vielen Dank für das Interview, liebe Ana, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Filmprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Ana Bilic, Autorin und Filmregisseurin
Zur Person _ Ana Bilic (1962, Zagreb) lebt in Wien als Autorin/Filmregisseurin. Sie ist auch tätig als Theaterautorin und -regisseurin sowie als Linguistin.
Mehr Informationen über sie und ihr Werk auf der Webseite https://www.ana-bilic.at
Fotos_Danilo Wimmer
Walter Pobaschnig _ 25.10.2023