Liebe Ines Berwing, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich vor einem knappen Jahr Mutter einer kleinen Tochter geworden bin und mein Partner ebenfalls selbständig ist, wechseln wir uns mit der Kinderbetreuung und dem Schreiben ab.
Schreiben: Gerade wenig Lyrik und viel Drehbuch. Ich hoffe, das ändert sich wieder, sobald die Kleine in die Kita kommt und wieder größere Freiräume entstehen. Momentan ist alles sehr eng getaktet.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich fühle mich gerade wirklich nicht in der Lage, „für uns alle“ zu sprechen. Die letzten Monate habe ich in einer Art Stillblase und zugegebenermaßen ein bisschen an den Geschehnissen in der Welt vorbei gelebt. In diesem Zustand war es für mich eher wichtig, mich und mein Baby vor den Krisen im Außen zu schützen.
Also kann ich nur für mich sprechen: Die Augen nicht zu verschließen angesichts einer immer bedrohlicher werdenden Wirklichkeit, empfinde ich als extrem wichtig. Informiert zu bleiben. Empathisch. Sich gegenseitig mit Wärme und Großzügigkeit zu begegnen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Film, der Kunst an sich zu?
Ich glaube, Kunst trägt immer schon das Potential zur Heilung in sich, sowohl der Schaffenden als auch der Rezipierenden. „Kunst ist die Befreiung aus dem Gefängnis der Scham“, sagt Deleuze im Dokumentarfilm ABÉCÉDAIRE – Gilles Deleuze von A bis Z. Daran glaube ich. Sie besitzt auch noch tausend andere Rollen. Aber diese empfinde ich selbst als die wichtigste.
Was liest Du derzeit?
In den wenigen Stunden, in denen ich gerade zum Lesen komme: Uljana Wolfs Essay-Sammlung „Etymologischer Gossip“. Und immer auch Lyrik, gerade: „längst fällige verwilderung: Gedichte und Gespinste“ von Simone Lappert.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Siehe oben.
Vielen Dank für das Interview, liebe Ines, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Filmprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Ines Berwing, Drehbuchautorin und Lyrikerin
Zur Person _Ines Berwing, lebt als Drehbuchautorin und Lyrikerin in Berlin.
Ihr zweiter Lyrikband wird im Herbst 2024 bei Schöffling erscheinen.
Foto_Dirk Skiba
Walter Pobaschnig _ 10.10.2023