„Wir müssen Künstler:innen einen viel sichtbareren Platz einräumen“ Philippe Hermann, Architekt _ Nizza/F 18.10.2023

Lieber Philippe Hermann, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Meine Tage sind sehr unterschiedlich. Sie beginnen immer mit einem Kaffee. Soll ich Dir einen serviere? Diese Bohnen haben einen edlen Geschmack, sie waren nicht einmal die teuersten.

Wenn ich an die Konstanten denke, zwischen meinen Tagesaktivitäten an der Côte d’Azur, im Elsass und in Österreich, die Zeit im Büro, auf der Baustelle, usw., würde ich sagen, dass es drei sind und dass sie die Menschen betreffen: die Wörter „Bitte“, „Danke“ und „Entschuldigung“. Es erfordert eine gewisse Bescheidenheit und große Höflichkeit, gute Ideen zu haben und sie konsequent in die Tat umzusetzen, was immerhin das Herzstück dessen bilden, was von mir erwartet wird. Diese Zauberwörter sind eine Voraussetzung zum Erhalt qualitativ hochwertiger Arbeit sowohl von den Ingenieuren, Unternehmern, Handwerkern und Arbeiter. Professionell zu sein, besteht für mich nicht nur daran, die eigene Grammatik von jedem zu kennen, aber auch reaktiv, flexible und pro-aktiv zu sein, um die vielen Beteiligten an das Projekt anzuhängen. Natürlich muss man auch mit Amtsträger, Investoren, Immobilienmakler, sprechen und sogar Nachbarn oder Nutzern zuhören, aber all das geschieht effizienter, wenn das Bauen erstmal Konsistenz hat. Eine motivierende, bedeutende Arbeitsatmosphäre kann manchmal kleine Wunder hervorbringen. Der Bauherrschaft wird dadurch die Kohärenz des Projekts versichert.

Philippe Hermann, Architekt

Da ein Bau ein gemeinsames Werk in dem die Leistung und der Stolz von jedem Beteiligten enthalten sein sollte, benötigt es ein Architektenprojekt, das mehrmals täglich, ob vor Ort oder in den Studien, hilft, Entscheidungen zu treffen. Konkret, dienen meine Leistungen dieser Kommunikation und sind dadurch eklektisch. Möglicherweise verbringe ich Zeit im Büro damit, einen Vorentwurf für einen Kunden oder ein Ausführungsdetail von Hand für einen Unternehmer, der am nächsten Tag Beton gießen muss, zu zeichnen. Oft bin ich damit beschäftigt, einen Bericht oder eine Ausschreibungsakte zu schreiben. Ich telefoniere, organisiere Besprechungen. Schließlich fällt ein gewisser Zeitaufwand für die Recherche und Dokumentation an.

Villa Joy, P. Hermann Arch., folgendes Foto

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Im Raum um uns herum gibt es Zeichen, die von Bedeutung sind, weil sie die Orte charakterisieren und uns berühren. Einige von ihnen berücksichtige ich, als Ausgangspunkt für die spezifische Situation jedes Projekts. Ich meine: es gibt eine Frage die uns alle betrifft, die des Kontexts.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Die Kontinuität ist im Auge zu behalten. Sollte es auf gewisser Hinsicht einen Aufbruch geben, so wäre Künstler nicht, wer der neuen Mode folgt, sondern wer durch seine Arbeit Zusammenhänge zwischen vorher, jetzt und später zeigt. Wir müssen Künstlern, die Visionen für uns alle tragen und unser Leben prägen, einen viel sichtbareren Platz einräumen. Ich habe gerade Nina Märkl, Marine Peyre, Cécile Barani, Magda Steinhauser und meinen Freund Heinrich Büchel ausgestellt, die alle ihre Motivation in der Räumlichkeit, Funktionalität, Zeitlosigkeit und Schönheit sehen. Ihre Werke sind einzigartig und inspirierend. Gespräche mit diesen unglaublichen Menschen können stundenlang dauern, sie sind wirklich leidenschaftlich und voller großzügiger Ideen.

Villa Fuont Nova, P. Hermann Arch.

Was liest Du derzeit?

Ich lese „Ruse“ von Eric Naulleau auf Französisch, eine Geschichte, die sich in Roustchouk abspielt, einer Stadt mit westlichem Charakter in Bulgarien.

Gleichzeitig lese ich „Die Welt von gestern“ auf Deutsch und genieße jeden Satz der Schrift von Stefan Zweig.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Wie Drogo bei Dino Buzzati sagt: in letzter Zeit war der Wirbelsturm immer heftiger geworden, dann war plötzlich nichts mehr und die Uhren funktionierten nutzlos.

Vielen Dank für das Interview, lieber Philippe, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Architektur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Philippe Hermann, Architekt  

Zur Person _ Philippe Hermann, Dipl.-Ing Arch. DPLG

Geboren im Lothringen, Studium an der Ecole Nationale Supérieure d’Architecture in Straßburg.

Gründete sein eigenes Büro 2004 in Nizza. Tätig in Südfrankreich, Monaco, Straßburg, Luxemburg und Österreich.

Aktuelle Bauten: Villa Joy (Peille, F), Villa Fuont Nova (La Turbie, F), Wohnungsbau Rue 1900 (Luxembourg-City, L)

Fotos_Philippe Hermann

Walter Pobaschnig _ 14.10.2023

https://literaturoutdoors.com

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