Liebe Grischka Voss, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Früh aufstehen, Katzen füttern, Katzenklo machen, Sohn aus dem Bett zerren und in die Schule schicken, einkaufen, schreiben oder Text lernen, Mittagessen kochen, proben oder Vorstellung spielen, Katzen füttern, schlafen

Schauspielerin, Autorin, Regisseurin _
Szenenfoto _ Grischka Voss in „Lagerkollaps! inside/out“ _ TEMPORA/Wien _ folgende _
laufende Vorstellungen (siehe unten)
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Uns als eine Gemeinschaft zu betrachten, in der jede/r gleich wichtig ist, Menschen nicht in Hautfarben, Nationalitäten oder Gender zu unterteilen, sondern ganz unmittelbar als Persönlichkeiten wahrzunehmen und zu schätzen und respektieren wie sind.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich finde gerade in der Kunst ist es wichtig Mut zu beweisen und sozialpolitische Statements abzugeben, ohne Rücksicht auf “political correctness”. Das Theater ist ein Medium, in dem relevante Themen direkt zwischen DarstellerInnen und ZuschauerInnen verhandelt werden, ein Ort, wo man zusammenkommt, um sich mit etwas zu konfrontieren, auseinanderzusetzen, zu informieren, eine Meinung zu bilden oder zu hinterfragen.
Das Theater muss schamlos übertreiben und extrem sein dürfen, um den Fokus auf etwas zu lenken oder etwas aufzudecken, was nicht stimmt. Für mich haben Theater und Künstler die Aufgabe laut, drastisch, ohne Rücksicht auf Verluste Ungerechtigkeiten und Missstände aufzuzeigen, herauszuschreien, was sich andere nicht trauen. Insofern sollte das Theater, die Kunst wie ein David sein, der sich, obwohl er so winzig ist, vor den Riesen Goliath stellt und ihm mit seiner kleinen Faust droht.

Ich finde den Mut, den Menschen oft in einer aussichtslosen Situation entwickeln, um sich zu wehren und gegen etwas aufzubegehren, obwohl sie augenscheinlich überhaupt keine Chance haben, diesen Mut sollten Künstler und Theater haben, um andere Menschen zu empowern.
Was liest Du derzeit?
“Heim gesperrt” von Sylvia Wagner, ein Buch das aufdeckt, dass bis in die 70er Jahre Impfstoffe und Psychopharmaka heimlich an Heimkindern getestet wurden.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Don’t take yourself so fucking serious!

Vielen Dank für das Interview, liebe Grischka, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Literatur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

Schauspielerin, Autorin, Regisseurin
5 Fragen an Künstler*innen:
Grischka Voss, Schauspielerin, Autorin, Regisseurin
Zur Person _ Grischka Voss (D), Schauspielerin, Autorin, Regisseurin
1993-1995 Ausbildung für Schauspiel und Tanz in New York und Wien
1996 Akademietheater, „Ballade vom Wiener Schnitzel“/George Tabori; Volkstheater „Cyrano de Bergerac“/ Michael Schottenberg
1997-2017 gründete und leitete die freie Künstlerin gemeinsam mit Ernst Weigel „das bernhard ensemble“, das ab 2006 in Wien, im „Das OFF Theater“ beheimatet war.
Sie versteht sich als freie Geschichtenerzählerin mit starken sozialen Anliegen, schuf zahlreiche Stücke für das bernhard ensemble, mit denen sie im In – und Ausland gastierte, spielt, inszeniert und zeichnet zumeist auch für Bühne und Ausstattung ihrer Produktionen.
Im Sommer 2017 verließ sie das bernhard ensemble, trat als Schauspielerin und Autorin bei „Ganymed female“ im Kunsthistorischen Museum Wien, bei den Gmundner Sommerfestspielen mit „Noch ein Fest für Boris“ auf,
verfasste ihre Autobiographie „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“ (Amalthea Verlag), aus der sie u.a. beim Literaturfestival „Blätterwirbel“ im Theater in der Josefstadt oder an der Schaubühne Berlin gelesen hat.
2018 schrieb und spielte sie für Veronika Glatzners Projekt „Habenichtse“ im Fasanviertel einen Monolog zum Thema: mündet der Wiederverwertungstrend in eine neue Form des Kapitalismus?
Seit 2017 verfasst sie auch Artikel für die Salzburger Nachrichten
2019 verfasste sie das offensive Ein-Frau-Stück „Bullettproof“ über die Lust der Frau und ihre ständige Unterdrückung, das sie im Jänner 2020 im Theater Drachengasse in Wien uraufführte und spielte.
2021 Neuausgabe von „Ich bin kein Papagei“ (Amalthea Verlag), für das sie das Nachwort verfasste
2022 schrieb sie ein Theaterstück über das Klimakterium der Frau, Titel “F*ING HOT!”, UA 2023 im Theater Drachengasse
Preise:
Nestroy für die beste Off Theater Produktion 2001, zahlreiche weitere Nominierungen
Stipendien:
2020 COVID 19 Arbeitsstipendium der MA 7 für Roman „Amanda liebt es…“
2020 Einmaliges Arbeitsstipendium vom BMK IV/A/5, für Roman „Tanzen unten ohne“
2023 DramatikerInnen Stipendium der Stadt Wien für “F*ING HOT!”
Werkliste:
1997 „Hundert Gründe eine Diva zu werden“, UA Rabenhof
2001 „Das Kistenmädchen“, UA Stadtinitiative Wien
2004 „Ab und zu kleine Gemütsschwankungen“, UA WUK
2008 „Monster“, UA Das OFF Theater
2009 „Myface – Liebe mich!“, UA Das OFF THeater
2014 „Skinned – Ohne Haut“, UA Das OFF Theater
2017 „INVIDIA – der Böse Blick“, UA Das OFF Theater
Monolog „Zwei Briefe“, UA Ganymed Female KHM
„Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, Autobiographie, Amalthea Verlag
2018 Monolog „willgeben“, UA Fasanviertel, Projekt „Habenichtse“
„Aloha“, Kurzgeschichte für Projekt Koffergeschichten zugunsten der Vinzi Rast
2020 „Bulletproof“, UA Theater Drachengasse
2021 „Neuauflage „Ich bin kein Papagei“, Essay, Amalthea Verlag
https://www.grischka-voss.com/#1
Fotos: Portrait _ Nicoletta Sobotta; Stückfotos_Markus Sepperer
Aktuelle Produktion mit Grischka Voss _ Schauspiel/Text: „Lagerkollaps! inside/out“ Tempora _ Wien

In leerstehenden Erdgeschosslokalen und einem Self-Storge-Lagerhaus (MyPlace) zeigt der Verein TEMPORA – Verein für vorübergehende Kunst zum Thema „Self- Storaging“ die eigens für die Produktion verfassten Texte.


Diese gewähren Einblick in skurrile Innenwelten von angemieteten Lagerräumen, in denen Geschichten, Erinnerungen und Artefakte ein Eigenleben führen. In vier kurzen Monologen – gezeigt in vier verschiedenen (un)möglichen und tatsächlichen Self-Storages im 16. Bezirk – geben uns Einblicke in (alternative) Nutzungsmodelle der Selbst_Lagerung und bieten Einblick in Beweggründe und Auswüchse der externen Lagerung von persönlichen und nützlichen Dingen.


Mit „Lagerkollaps! inside/out“ taucht TEMPORA in die Welt der Lagerräume der Stadt ein. Gemietet, aber nicht bewohnt, fensterlos und trocken sind sie Hort, Schatzkammer, Abstellkammer und für manche Rückzugs- oder gar Aufenthaltsorte. Wozu brauchen wir zusätzlichen Raum und was erzählen uns mögliche und unmögliche Nutzungsformen über Lebens- und Konsumweisen der Stadtgesellschaften? Mit „Lagerkollaps inside/out“ nähert sich TEMPORA künstlerisch einem urbanen Phänomen (das einen Wandel der Arbeits-, Lebens- und Wohnrealitäten der Städter:innen deutlich macht): der steigenden Nachfrage nach Self- Storage- Lagerräumen, also dem vermehrten Bedarf nach mehr (Lager-)Raum in der Stadt.

Als Theaterspaziergang angelegt, bewegt sich das Publikum anhand eines Plans frei von Spielort zu Spielort im 16. Bezirk und trifft in tatsächlichen und möglichen Lagerräumen auf vier ganz unterschiedlichen Protagonist:innen, die uns an der Erfahrung der Selbst_Einlagerung teilhaben lassen.

Premiere: Donnerstag 21.9.2023, 19.30 Uhr
Weitere Termine:
Donnerstag 5.10.2023, 19.30 Uhr
Samstag 7.10.2023, 19.30 Uhr
Sonntag 8.10.2023, 19.30 Uhr
Freitag 13.10. 2023, 19.30 Uhr
Sonntag 15.10.2023, 19.30 Uhr
Treffpunkt: ada – artistic dynamic association, Wattgasse 16/6, 1160 Wien
Konzept, künstlerische Leitung, Regie: Veronika Glatzner
Autor:innen: Gregor Guth, Valentin Postlmayr, Magdalena Schrefel, Grischka Voss
Darsteller:innen: Julia Schranz, Grischka Voss, Phillipp Laabmayr, Valentin Postlmayr
Ausstattung: Valentin Hämmerle
Kostüm: Nina Samadi
Outside Eye: Carolyn Amann
Regieassistenz, Social Media: Alina Hainig
Produktionsleitung, Öffentlichkeitsarbeit: Magdalena Stolhofer
TICKETS: http://www.ntry.at/lagerkollapsinsideout
Walter Pobaschnig _ 3.10.2023