„Literatur kann Wege aufzeigen, inspirieren, entlasten“ Myrna Maxam, Schriftstellerin  _ Hamburg 28.9.2023

Liebe Myrna Maxam, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich öffne die Augen. Es wird dunkler. Aufstehen wird schwerer.
Ich dusche warm und kalt. Gedanken starten stotternd.
Dann sitze ich am Fenster. Draußen sind auch andere wach, das hilft.
Neben mir brummt eine Fliege.
Ich versuche, gesund zu essen, radele am Deich entlang, bringe den Krähen Frühstück.

Dann höre ich zu. Und rede. Und höre zu. Und denke, wie es wäre, jemand anderes zu sein. Anderes erlebt zu haben. Andere Vorstellungen zu haben. Andere Wünsche. Denke, was ich tun würde. Was andere getan hätten oder haben und versuche, zu helfen, einen Weg zu finden, der vielleicht nicht meiner ist, aber gangbar.

Dann nach Hause. Am Deich warten die Krähen, sie kennen mich schon.
Am Abend brummt die Fliege langsamer als am Morgen.
Die Katzen interessieren sich schon nicht mehr für sie.
Ich bin froh, zu schweigen, und höre Stimmen ohne Worte und das Stühlerücken aus dem Restaurant unter mir.
Neben mir auf der Fensterbank dreht sich die Fliege zum Sterben auf den Rücken. Ihre Beine strampeln, während sie rückwärtige Kreise dreht. Das sieht anstrengend aus. Dann ist es ruhig und sie liegt still neben ihren toten Freunden.

Ich muss staubsaugen. Ich gehe aus.

Myrna Maxam, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Das, was vorher auch schon wichtig war:
Aufmerksamkeit. Rücksicht. Freundlichkeit. Hilfsbereitschaft.
Freude suchen und schaffen.
Denn sie hilft letzten Endes dabei, ausgeglichen zu bleiben oder zu werden und somit auch dabei, aufmerksam, rücksichtsvoll und freundlich zu sein.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die oben genannten Werte sind generell wesentlich, denke ich.
Gemeinschaft zu pflegen ist wichtig, zu teilen, was geht, auch die Aufmerksamkeit.
Kunst und Musik können auf einer vorsprachlichen Ebene Denkprozesse anstoßen, Kritik üben, die nicht in Worte gefasst werden kann oder darf. Sie können Trost und Heimat sein.
Literatur kann Wege aufzeigen, inspirieren, entlasten – letzteres vor allem den Autor/die Autorin.

Allerdings habe ich Zweifel, ob die Menschen, die die Welt durch Kriege, Gewalt, Korruption und andere Machtausübungen in den Graben reiten, sich für die bildenden oder darstellenden Künste interessieren.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Welt in diesem Zustand wäre, würden sie das tun. Aber dennoch ist es ein schöner Gedanke, ein Wunsch…

Was liest Du derzeit?

Aktiv:
“Eines Tages wird es leer sein“ von Hugo Lindenberg

Was ich angefangen habe und schleichend lese (u. a.):
“The Body keeps the score” von Vessel van de Kolk
„Der schöne 27. September“ von Thomas Brasch


Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Leonard Cohen:
“Act the way you’d like to be and soon you’ll be the way you act.”

Vielen Dank für das Interview, liebe Myrna, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

Myrna Maxam, Schriftstellerin

5 Fragen an Künstler*innen:

Myrna Maxam, Schriftstellerin

Musikprojekt _ Band Pop Lobster.

Das erste Video unserer Band aus dem Reiherstieg in Hamburg-Wilhelmsburg:

https://www.youtube.com/channel/UCMvLoayMw9U8GV4_avK-A4A

Fotos: privat

Walter Pobaschnig _ 20.9.2023

https://literaturoutdoors.com


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