Lieber Georg Hasenzagl, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Dieser Theatersommer war für mich wieder sehr intensiv, da ich parallel beim Märchensommer Graz und auf der Tschauner Bühne Wien als Schauspieler tätig war. Trotzdem versuche ich in meiner freien Zeit etwas Kraft zu tanken und jogge gerne durch den Lainzer Tiergarten oder genieße mein soziales Umfeld.
Die letzten Vorstellungen finden im September statt und gleichzeitig bereite ich mich auf mein nächstes Projekt „Der Medicus“ im Deutschen Theater München vor.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Eine sehr allgemeine Frage, die meiner Meinung nach nicht klar zu beantworten ist. Im Kontext von Theater und Kunst wäre mein Wunsch, dass Schauspieler*innen in ihrer gesellschaftlichen Wertigkeit und Vielfältigkeit neue Akzeptanz finden.
Pandemiebedingt hat sich zumindest temporär innerhalb der Kulturszene ein Gefühl der Wertlosigkeit eingestellt. Finanzielle und existenzielle Sorgen der Künstler*innen sind aber auch gegenwärtig präsent und nicht einfach verschwunden. Gerade in der sogenannten „freien Theaterszene“ herrschen oft prekäre Bedingungen für alle Beteiligten vor, die, meiner Meinung nach, mit einem neuen gesellschaftlichen Kulturbewusstsein abgebaut werden können.
Kultur ist vielfältig und sollte nicht normativ in ein hierarchisches Konstrukt gezwängt werden (Hochkultur, Massenunterhaltung, usw.). Hier sehe ich eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die Kulturpolitik offener und breiter gestaltet, um der Vielfalt an Künstler*innen, auch außerhalb institutionalisierter Häuser, lebenswertere Bedingungen zu garantieren.
Da ich persönlich das Glück habe beide Seiten innerhalb der Theaterwelt erleben zu dürfen, kann ich auch nicht für alle Betroffenen sprechen.
Hier handelt es sich um eine subjektive Beobachtung meinerseits, welche nicht als allgemeingültig verstanden werden soll.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich bin der festen Überzeugung, dass zwischen Theater und Gesellschaft ein sich gegenseitig beeinflussendes Wechselverhältnis besteht. Historisch kann auch beobachtet werden, wie zum Beispiel Phänomene der Öffentlichkeit im Theater aufgegriffen wurden, aber auch Themen der Bühne, wieder zurück in den öffentlichen Raum geflossen sind.
Eine genaue Analyse würde hier zu weit führen, jedoch stellen gerade krisenbehaftete Themen (Klimawandel, globale Sicherheit, usw.) ein riesiges Potenzial dar, das künstlerisch genutzt werden kann. Gleichzeitig kann Theater uns auch temporär unsere Ängste nehmen und zerstreuen. Das sind meiner Meinung nach zwei wichtige Funktionen (kritische Betrachtung vorherrschender Verhältnisse und emotionale Ablenkung), die bewusst genutzt werden dürfen und sollen.

Was liest Du derzeit?
Kate Manne – Down Girl. Die Logik der Misogynie
Kate Manne, Down Girl. Die Logik der Misogynie, aus dem Engl. v. Ulrike Bischoff, Berlin: suhrkamp 2020.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“ (Johann Wolfgang Goethe)
Vielen Dank für das Interview lieber Georg, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:
Georg Hasenzagl, Schauspieler und Sänger
Zur Person _ Georg Hasenzagl, der Wiener Schauspieler absolvierte seine künstlerische Ausbildung am Performing Center Austria (vorm. Performing Arts) und erhielt zusätzlich die paritätische Bühnenreife. Schon während des Studiums verkörperte er Rollen in Musicals u.a. in der Wiener Stadthalle oder im Museumsquartier Wien. Neben diversen Engagements als Gesangssolist verkörperte er bereits mehrere Rollen im Sprechtheater u.a. in EIN KÄFIG VOLLER NARREN, MINISTER GESUCHT, OTELLO DARF NICHT PLATZEN oder DER SCHÜLER GERBER.
Auszüge aus seinem künstlerischen Weg sind u.a.: Neue Bühne Wien, Märchensommer Poysbrunn, Theater Akzent, Theater 82er Haus, Raimundtheater Wien, Tschauner Bühne Wien oder Theater mit Horizont.
Ab Oktober verkörpert Georg Hasenzagl die Rolle des Meir im Musical DER MEDICUS am Deutschen Theater München.
Instagram: https://www.instagram.com/georghasenzagl/
Fotos_Marie Bleyer
31.8.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.