„Musik kann uns so direkt berühren, wie sonst nur Weniges auf der Welt“ Sophie Katharina Schollum, Musikerin _Wien 14.9.2023

Liebe Sophie Katharina Schollum, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich versuche jeden Tag verschiedene Aktivitäten einzubauen, die meinen unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden: Kreatives, Sportliches, Soziales, Inspirierendes oder Interessantes, Zeit am Instrument, etwas, das mich beruflich weiterbringt und etwas Entspannendes. Zum Glück stillen viele meiner regelmäßigen beruflichen und privaten Aktivitäten viele dieser Bedürfnisse gleichzeitig.

Meistens schreibe ich gleich in der Früh ein paar Seiten, um im Tag anzukommen, in den produktiven, kreativen Fluss zu kommen, dann mache ich etwas Bewegung – je nach Lust und Laune Yoga oder tanzen oder laufen oder nur ein bisschen dehnen. Dann folgt in unterschiedlichsten Reihenfolgen eine Auswahl aus üben am Instrument, proben, Songs oder Texte schreiben, komponieren, Organisationsarbeit für meine Projekte, lesen, unterrichten, Gottesdienste in der Justizanstalt musikalisch umrahmen, Musikgruppen in der Justizanstalt oder in einer Musikschule leiten, Konzerte spielen, laufen, Fahrrad fahren, Tennis spielen, slacklinen, paragleiten, Landhockey spielen, Musik hören, Konzerte besuchen, Zeit mit FreundInnen, KollegInnen, meinem Freund oder meiner Familie verbringen.

Sophie Katharina Schollum,
Flötistin, Sängerin, Komponistin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Dass wir das, was wir machen mit Freude und vollem Fokus machen. Dann machen wir es auch richtig gut und tragen zu einer starken, positiven und gut funktionierenden Gesellschaft bei, in der wir alle gemeinsam für eine gute, friedvolle, gleichberechtigende, offene und gesunde Zukunft kämpfen können.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Die Kunst hat zum Glück zurzeit bei uns in Österreich die Freiheit alles auszudrücken, was der Künstlerin oder dem Künstler am Herzen liegt. Sie kann Stimmen hörbar machen, die sonst in der Gesellschaft oft zu kurz kommen. Im Falle von Zensur kann sie über für die Allgemeinheit nicht sofort verständliche Wege immer noch aussagen, was vermeintlich unsagbar geworden ist. Dadurch hat sie eine nicht zu unterschätzende Kraft, Menschen und dadurch Gesellschaften zu verändern. Sie kann uns so direkt berühren, wie sonst nur Weniges auf der Welt, da sie es vermag Körper, Geist und Seele gleichzeitig anzusprechen und in Bewegung zu setzen. Der Musik schreibe ich eine besondere Qualität zu, da sie zunächst direkt Emotionen auslöst und erst wenn sie diese hervorgerufen hat, Gedanken und Ideen wachsen lässt; durch Schallwellen bringt sie unsere Körper automatisch in Schwingung. So kann sie uns innerhalb von Millisekunden auf so vielen Ebenen packen und verändern.

Was liest Du derzeit?

Vieles gleichzeitig auf unterschiedliche Weisen. Ich arbeite mich durch ein Heft von Robert Dick über die Flöte und die Zirkularatmung, schreibe mit Doris Dörries „Leben, schreiben, atmen: eine Einladung zum Schreiben“, studiere Schönbergs Harmonielehre, schmöckere in Alexander Jehles Gedichtband „TrotzDem“ und lese Matt Haigs „The Midnight Library“.

Meine absolute Leseempfehlung des letzten Jahres ist allerdings Daniel Kehlmanns „Tyll“.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Es gibt ein Gedicht von Robert Frost, das mich seit ich 14 war, begleitet. Mein Englischlehrer gab es mir damals zu lesen. Den letzten Satz daraus habe ich im ersten Lockdown an eine Wand in meiner Wohnung geschrieben:

 „Two roads diverged in a yellow wood, and I –

I took the one less traveled by,

and that has made all the difference.”

Im anderen Zimmer steht ein Zitat von Christian Morgenstern:

„In allem pulsieren, an nichts sich verlieren.“

Vielen Dank für das Interview, liebe Sophie Katharina, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Sophie Katharina Schollum, Flötistin, Sängerin

Zur Person _ Sophie Katharina Schollum, geboren in Mödling, lebt als Musikerin und Musikpädagogin in Wien. Seit ihren Studien an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ist sie in den verschiedensten Bands, Ensembles und Orchestern als Flötistin, Sängerin und Komponistin tätig. Aktuelle Projekte sind ihre Band „Sanyoo“, die aktuell an neuen Songs mit Schlagzeug, Bass und Flöte/ Gesang arbeitet, sowie das Trio „Mister Montelli“, welches im September 2023 sein erstes Album veröffentlicht.

Biographie

Foto_Maria Frodl

Walter Pobaschnig _ 1.9.2023

https://literaturoutdoors.com

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