Liebe Suse Lichtenberger, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Momentan probe ich für die Eröffnungspremiere im Theater am Werk in Meidling. Maria Sendlhofer inszeniert Ewald Palmetshofers Stück „Die Verlorenen“. Es sind ganz viele ganz tolle Kolleg:innen dabei und ich freu mich sehr arg, endlich mal mit denen spielen zu dürfen. Ein paar Mal die Woche gehe ich vor der Probe auf der Alten Donau Rudern. Oft schon um 6:00, weil die Kolleg:innen so früh in die Arbeit müssen. Für mich geht sich danach noch ein gscheites Frühstück (wichtigste Mahlzeit ever) aus. Und nochmal in den Text schauen geht auch.
Nach der Probe, oder wenn mal wer anderer dran ist, arbeite ich an meinem Social Media Auftritt. Das scheint die Maßeinheit des Erfolgs schlechthin zu sein, wenn man als Kabarettistin richtig gut ankommen will. Leider ist in meiner Altergruppe auf Instagram oder Tiktok nicht so irre viel los, ich hab trotz meiner #LockdownLinde nicht mehr follower als Leut, die nicht andauernd versuchen, witzig zu sein. Vielleicht liegt´s aber auch am Witzigsein wollen.
Und wenn dann noch Zeit ist, strawanze ich in der Gegend rum, weil das das Allerbeste überhaupt fürs Finden von Dingen und Gedanken ist. Meine Nerven finden das auch super, dass ich viel unterwegs bin.
Mit den Kindern und dem Mann verbring ich natürlich auch noch Zeit, manchmal sag ich aber auch nur, wer was machen muss.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Was besonders wichtig ist, dass wir nicht aufgeben, vehement für ein Umdenken in sämtlichen Belangen der Klimakatastrophe zu kämpfen. Es ist noch nicht zu spät, auch wenn das für viele Leute eine Coping Strategie zu sein scheint. „Ach, wir können eh nix machen. Wahrscheinlich ist es auch schon zu spät. Und gegen die Fossil Lobby kommt ja auch keiner an. Und auf Facebook hab ich gelesen, dass das alles eh nicht so eindeutig ist. Außerdem ist Zugfahren zu teuer.“ Gegen diese Wurschtigkeit, Ignoranz und Bequemlichkeit müssen wir auf die Straße. Wenn es keinen ganz großen gesellschaftlichen Rückhalt gibt, wird die Politik nix tun wollen oder müssen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich habe so das Gefühl, dass die Empathiefähigkeit ein bissl im Eimer ist. Wie es Menschen in anderen Erdteilen geht, die von der Klimakatastrophe schon direkt betroffen sind, wie es Menschen geht, die gesundheitlich angeschlagen sind und hoffen, dass die Gesellschaft an ihrem Schutz interessiert ist, wie es Menschen geht, die andere Lebensentwürfe haben, wie es Menschen geht, die Rassismus, Sexismus, Diskriminierung ausgesetzt sind.
Theater kann das wunderbar aufzeigen. So dass es berührt, dass es wegen der Form interessant ist, wegen der Unmittelbarkeit, wegen der Nähe oder der Weite, wegen des Aufeinandertreffens, wegen des Humors oder wegen des Spektakels.
Mein persönliches Anliegen ist es, alles rund ums Klima auf die Bühne zu bringen. Weil es alles in allem das größte Problem unserer Zeit ist.
Was liest Du derzeit?
Ich hab grad „The Latecomer“ von Jean Hanff Korelitz fertiggelesen. Eine wunderbar schräge, lustige und fein erzählte New Yorker Familiensaga.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Liebe Leute, Kopf hoch, uffbasse, uffd Stroß gange und bis bald!
Vielen Dank für das Interview, liebe Suse, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspiel-, Kabarettprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Suse Lichtenberger, Schauspielerin, Kabarettistin
Zur Person _ Suse Lichtenberger, 1975 in Nagold, Baden-Württemberg geboren.
Sie studierte Schauspiel an der Züricher Hochschule der Künste (ZHDK). Diplom 2000. Bis 2003 gehörte sie dem Ensemble des Schauspielhauses Graz an und lebt seit 2003 in Wien. Seitdem arbeitet sie überwiegend und mit Vorliebe in der Freien Szene. Arbeiten und Gastspiele an diversen Bühnen in Wien, sowie im europäischen Ausland u.a. Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen, Burgtheater Wien, Steirischer Herbst, Schauspielhaus Wien, Volkstheater Wien, Staatstheater Stuttgart, Deutsches Theater Göttingen, Krétakör Budapest, Kosmos Theater Wien, Theater Drachengasse Wien, Werk X Wien, etc.
2018 Nestroy Preis für die beste Off-Produktion mit makemake produktionen „Muttersprache
Mameloschn“.
2021 erfand sie die „Lockdown Linde“, eine schwäbische Kunstfigur, die in den diversen
Corona-Lockdowns täglich ihren Senf zu allem gab. Inzwischen schimpft sie regelmäßig über alles Mögliche. Hauptsächlich aber über Klimawandelleugner:innen.
Seit Frühling 2023 tourt sie mit ihrem ersten Kabarettprogramm „WILLKOMMEN ZUHAUSE“.
Außerdem wirkte sie in mehreren Film-und Fernsehproduktionen mit: u.a. in der österreichischen Comedy Kultserie Schlawiner, in den Vorstadtweibern, Soko
Kitzbühel ect. und arbeitet nebenbei als Sprecherin.
Suse Lichtenberger lebt mit ihrer Familie in Wien.
https://www.suselichtenberger.com/
Foto_Apollonia Theresa Bitzan
Walter Pobaschnig _ 8.9.2023