„Literatur ist eine Säule demokratischer Freiheit“ Anne Mai, Schriftstellerin _ Mandelbachtal/Saarland 3.8.2023

Liebe Anne Mai, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Neben den alltäglichen Aufgaben gestaltet sich der Tag im Schreibprozess So stehe ich in aller Frühe auf, wenn ich mich konzentriert mit Texten beschäftigen will. Ist auch mein Tag noch ein unbeschriebenes Blatt, stellt sich die gewünschte innere Schwingungsebene leichter ein.

Seit der Beendigung meines Romans „Pfauenschreie in Treveris“ habe ich mich wieder mit Freude der Lyrik zugewandt. Ein neuer Gedichtband soll entstehen. Schreiben, erst recht die verdichtete Form, begreife ich als intensive Wortarbeit, an der kein Weg vorbeiführt. Worte sind Wege und Wege führen zu Worten. Die Endlosschleife der Lemniskate. So gehe ich immer wieder gerne zu Fuß und habe meine – zuweilen recht langen – Pilger- und Wanderwege als ein tiefes Verbundensein mit dem Element Erde empfunden, ein Entdecken und Begegnen, gleichzeitig Inspiration für das Schreiben.

Anne Mai, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Angesichts der globalen Entwicklung, die einer Zeitenwende gleicht, ist jeder gefordert. Wir sollten uns nicht von aggressiver Meinungsmache mitreißen lassen, sondern uns mittels sachlicher Informationen, um eine objektive Sichtweise bemühen.

Wer Verantwortung für unseren Planeten fühlt, stellt schnell fest, dass es auf Reduktion und Verzicht hinausläuft. Die zukünftigen Aufgaben sind riesig, und doch zählt darin der eigene kleine Mosaikstein.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Kunst ist ein Seismograf. Sie nimmt Entwicklungen und Strömungen sehr früh auf, macht sie sichtbar und setzt weiterführende Impulse. Darüber hinaus legt sie den Finger auf gesellschaftliche Wundstellen. Den Mächtigen gilt sie oft als unbequem und wird in autoritären Regimen seit jeher unterdrückt, obwohl sie einen wichtigen Bildungs- und Kulturauftrag erfüllt. Schon deshalb hätte die Politik die Pflicht, ihr diesen im Interesse aller zu ermöglichen, ohne sie zu instrumentalisieren. So wurde in Corona-Zeiten deutlich, wie sehr Kunst mit allem verwoben ist und unserer Gegenwart Sinn schenkt. Ich halte sie einschließlich der Literatur für eine Säule demokratischer Freiheit.

Was liest Du derzeit?

Natürlich Lyrik, mit Vorliebe zeitgenössisch, als nächstes den Gedichtband „Zeit ist eine Mutter“ von Ocean Vuong. Daneben schmökere ich in den „Versnetzen“, in Anthologien, im „Jahrbuch der Lyrik“ … An Prosa lese ich zurzeit Edgar Selge „Hast du uns endlich gefunden“, Ljudmila Ulitzkaja „Ein fröhliches Begräbnis“ und erneut eines meiner Lieblingsbücher, die wunderbar poetische Odyssee „Reise im Mondlicht“ von Antal Szerb.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Ein Zitat von Erich Kästner: Wunder erleben nur diejenigen, die auch an Wunder glauben.

Als Textimpuls gerne eines meiner Gedichte:

Unsere Art

im Genfluss geformt
die Krone des Blauen Planeten
herrschen wir nun als User
im aufrechten Gang
glauben an Börse + Wachstum
gehen der Leerstelle Liebe
nicht auf den Grund
dafür den Lügen
gern auf den Leim
fliegen zum Mond
den Mars im Visier – blind
für die Zeichen
als hätten wir Artenschutz

Vielen Dank für das Interview liebe Anne, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

Anne Mai, Schriftstellerin

5 Fragen an Künstler*innen:

Anne Mai, Autorin und Lyrikerin

Zur Person_Anne Mai, Autorin und Lyrikerin, lebt und schreibt in Mandelbachtal, Saarland, in einer UNESCO Biosphärenlandschaft. Seit 2009 veröffentlicht sie Lyrik und Prosa, darunter einen Gedichtband, zwei Reisebücher sowie regelmäßige Beiträge in Anthologien und Literaturzeitschriften, so in 2023 in der eXperimenta, bei Edition Maya und im Poesiealbum neu der Lyrikgesellschaft Leipzig. Im September 2021 erschien ihr historischer Roman „Pfauenschreie in Treveris“.

Wer gerne mehr erfahren möchte, kann dies unter: 

https://anne-mai-autorin.jimdosite.com/

Aktueller Roman:

Trier, das spätrömische Treveris, 380 n. Chr.:Die bedeutendste Stadt nördlich der Alpen ist die Residenz des jungen Westkaisers Gratian. Hier treffen Macht und Religion, Liebe und Intrigen aufeinander. Nach glanzvollen Jahren fürchtet der Dichter und Politiker Ausonius um Gratians Sicherheit und um das friedliche Leben an der Mosella. Auch der städtische Magistrat Armitari und seine Gemahlin Julia ahnen diebevorstehende Zeitenwende. Kann das Augustusfest die Kaisertreue stärken?Da geschieht etwas Ungeheuerliches.Der Roman taucht tief ein in die großartige römische Historie der Moselstadt Trier und in das Dasein einiger Menschen, die hier um ihre Zukunft und ihr Glück kämpfen. (Klappentext)

ISBN/EAN978-3-7543-1882-9

Gebunden, 354 Seiten

Verlag _ Books on Demand

Erscheinungsdatum: 28.09.2021; 2. Auflage

Foto_privat

24.7.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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