GIVE PEACE A CHANCE
Ganz andere Gesetze gelten im Krieg. Im Krieg wiegt die eigene Menschlichkeit weniger als das eigene Leben.
I n Drago Jančars Roman „Die Nacht, als ich sie sah“ bekommt man einen Eindruck davon, was Krieg mit uns macht.
Verschiedene Figuren müssen sich ihrer Funktion entsprechend verhalten.
E s wird ihnen im Krieg die Möglichkeit genommen, einfach nur Mensch zu sein. Krieg ist immer politisch, ist eine Waffe, ist Kalkül mit dem eigenen Leben und dem Leben anderer.
Politik macht den Krieg. Die Menschen sind nicht mehr als ihr Instrument.
E r ist einem immer einen Schritt voraus, greift auf etwas Unbestimmtes zurück, was uns bekannt erscheint – das Wir, eine Geschichte, eine Erzählung, die nur uns gehört, die uns sagt, wer wir sind und woher und warum und wer die anderen.
A m Ende sind es Menschen, die in den Krieg ziehen. Sie erfüllen eine Pflicht, sie lassen sich überzeugen, führen.
Chronologisch lässt sich schwer vom Krieg erzählen. Niemand will Krieg und doch werden Kriege geführt, seit es Menschen gibt.
E s ist so leicht, den Moment zu verpassen, wann man aufstehen muss, wann sprechen. Zu schnell passiert es, dass man keine Wahl mehr hat.
Aus Freunden werden Feinde, aus Nachbarn mutwillige Zerstörer, im Krieg bekommst du die Legitimation, das Unmenschliche auszukosten.
C ourage gibt es nur an Ort und Stelle, als Hypothese ist sie wertlos.
Heute sagen die Menschen, sie wollten keinen Krieg. Aber sie kennen ihn nicht und sie können auch nicht wissen, wer oder was aus ihnen wird im Krieg. Im Krieg gibt es keine Autonomie.
Also wie mit Wut, wie mit dem eigenen Hass umgehen, nachdem du gesehen hast, wie grausam Menschen sind, wenn man es ihnen erlaubt? Wenn grausam zu sein das neue Gesetz ist?
Nein zum Krieg zu sagen ist eine Sache. Nein zum Krieg zu sagen, wenn man sich im Kriegszustand befindet, eine andere.
Chancen hatte der Krieg viele, der Friede aber kaum eine.
E s gibt etwas in uns, das wir nicht benennen können. Irgendwo muss der Hass herkommen, den man in uns weckt, zu wecken versteht. Ich vertraue niemandem. Auch mir selbst nicht. Seit dem Krieg. Das muss man wissen, damit es tatsächlich eine Chance gibt für Frieden: Man muss wachsam sein.
Sanja Abramovic, 18.7.2023

Give Peace A Chance_Akrostichon for peace:
Sanja Abramović, Schriftstellerin
Zur Person_Sanja Abramović wurde 1982 in Karlovac/Kroatien geboren. Im Alter von neun Jahren kam sie nach Österreich. Sie studierte Germanistik und Slawistik in Wien und lebt in Eisenstadt, wo sie am Gymnasium Kurzwiese Deutsch und Kroatisch unterrichtet.
2003 wird Sanja Abramović beim Literaturpreis „Schreiben zwischen den Kulturen“ der Edition Exil ausgezeichnet, 2016 mit dem zweiten Platz beim Lyrikpreis der Energie Burgenland, 2018 wird ihr der Literaturpreis des Landes Burgenland zuerkannt.
Sanja Abramović schreibt Kurzprosa und Lyrik, veröffentlicht in Zeitschriften und Anthologien – zuletzt bei lex liszt 12 „Junge Literatur Burgenland: Volume 4.“
Foto_Hans Wetzelsdorfer
Walter Pobaschnig _ 18.7.2023