Bachmannpreis 2023 – Rückblickinterview: „Ein Zugewinn an Zuversicht, Vertrauen, und ein schöner Schwung fürs weitere Schreiben“ Anna Felnhofer, Deutschlandfunkpreisträgerin _ Wien 23.7.2023

Bachmannpreis _ Rückblickinterview

Anna Felnhofer _ Deutschlandfunk Preisträgerin 2023

Brigitte Schwens Harrant, einladende Jurorin _ Anna Felnhofer, Deutschlandfunkpreisträgerin _ Stefan Raue, Indentant Deutschlandfunk _
Preisverleihung ORF Klagenfurt 2.7.2023

Liebe Anna Felnhofer, Du hast 2023 am Bachmannpreis in Klagenfurt teilgenommen und den Deutschlandfunk Preis gewonnen. Wie kam es zu Deiner Teilnahme und wie gestaltete sich Deine Vorbereitung?

Eingeladen wurde ich mit meinem Text „Fische fangen“ von Brigitte Schwens-Harrant, und meine Vorbereitung umfasste ein so häufiges Üben und Lesen des Textes, dass ich diesen am Ende auswendig hätte vortragen können, was mir in meiner Lesekarriere noch nie passiert ist.

Welche Erwartungen hattest Du?

Keine Erwartungen im eigentlichen Sinne, eher die Hoffnung, versöhnt, bereichert, und mit jener Art Erinnerung davonzukommen, die sich einem Menschen in der bestmöglichen Weise einschreibt und so fortwirkt.

Gab es im Vorfeld der Veranstaltung Kontakte zu den Mitlesenden und der Jury und wie war der Kontakt (Kontaktmöglichkeiten) vor Ort?

Im Vorfeld hatte ich keinen Kontakt zu den Mitlesenden oder der Jury (den Kontakt zu Brigitte Schwens-Harrant ausgenommen), dafür vor Ort umso mehr, insbesondere zu den anderen Autorinnen und Autoren, deren faktische wie auch gedachte Präsenz in der Vorbereitung auf die Lesung und für das Überstehen selbiger eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat.

Lesende, Jury und Organisation Horst L-Ebner (ORF) vor der Eröffnung

Wie geht es mit Deinem Klagenfurt-Text weiter?

Der Text ist online abrufbar, und wird es, denke (und hoffe) ich, wohl auch länger bleiben. Mit dem Thema des Textes, der Unfähigkeit Gesichter zu erkennen, der sogenannten Prosopagnosie, werde ich mich weiter beschäftigen und dieses hoffentlich bis an jenen Punkt weitertreiben, an dem es, wie für ein Romanmanuskript wünschenswert, in verschiedenen Facetten vertreten ist und alle Positionen besetzt.

Text _ Anna Felnhofer _ https://bachmannpreis.orf.at/stories/3206847/

Wie hast Du Dich unmittelbar auf Deine Lesung vorbereitet?

Weil meine Lesung zu Mittag stattfand und ich Angst hatte, in eine Unterzuckerung zu schlittern, habe ich mich mit Schokolade vollgestopft und Cola getrunken, was letztlich dazu führte, dass ich während der Lesung (unter anderem) damit beschäftigt war, ein Aufstoßen zu unterdrücken.

Wie hast Du die Jurydiskussion persönlich erlebt?

Kurz vor der ersten Wortmeldung durch Insa Wilke stieg meine Anspannung auf ein Maximum, mit jeder weiteren Wortmeldung lockerte sie sich dann Stück für Stück, um am Ende in einer tröstlichen Woge aus Erleichterung und Glückstränen zu vergehen. Ich bin der Jury für ihre sachliche, konstruktive und außerordentlich lehrreiche Diskussion meines Textes unendlich dankbar, und darüber hinaus froh, dass dieser für diese sieben Menschen in genau jener Weise funktioniert hat, wie ich es mir für ihn nicht besser hätte wünschen können.

Jurydiskussion _ Klaus Kastberger und Mara Delius

Mit welchem Feedback und persönlichen Emotionen hast Du den Lesungsort danach verlassen?

Mit Dankbarkeit, Erleichterung, und einem nicht geringen Erstaunen darüber, dass ich tatsächlich Teil dieses Spektakels gewesen bin.

Wie gestalteten sich für Dich die weiteren Lesungstage und die Preisverleihung?

Die Lesungen der anderen Autorinnen und Autoren habe ich alle (bis auf jene an meinem Lesetag) im ORF-Garten live mitverfolgt, dies auch nach meiner Lesung, dann allerdings mit einer merklicheren Gelassenheit.

Die Preisverleihung selbst hingegen war eine nervliche Hölle, und als solche wohl auch inszeniert. Aus dramaturgischer Sicht der Medien ist das natürlich nachvollziehbar.

Portrait im Bachmannpark _ Anna Felnhofer, Deutschlandfunkpreisträgerin 2023 und Mario Wurmitzer, Bachmannpreis nominiert 2023

Mit welchen Erfahrungen, Erlebnissen bist Du als Schriftstellerin und persönlich von Klagenfurt abgereist und welche Erinnerung und Resümee hast Du in Abstand an den Bachmannpreis?

Ich bin weiterhin reichlich damit beschäftigt, den Abstand herzustellen. Die Eindrücke sind noch dringlich, frisch, und viel zu beweglich für ein Resümee, das eine solide Basis voraussetzt.

Ziehung der Lesereihenfolge _ Anna Felnhofer

Welche unmittelbaren Impulse hat die Teilnahme am Bachmannpreis für Deine schriftstellerische Tätigkeit?

Ein Zugewinn an Zuversicht, Vertrauen, und ein schöner Schwung fürs weitere Schreiben.

Gibt es bleibenden Kontakt zu Mitlesenden, Jury, Journalisten*innen oder Bezugspersonen in Klagenfurt?

Ich hoffe es sehr!

Würdest Du noch einmal am Bachmannpreis teilnehmen?

Es ist jetzt (Anfang Juli) noch zu früh, diese Frage einigermaßen zurechnungsfähig zu beantworten. Derzeit würde ich sagen nein, aber wer weiß, was mich in einigen Jahren umtreibt.

Martin Piekar _ KELAG Preis und BKS Publikumspreis; Anna Felnhofer _ Deutschlandfunkpreis; Valeria Gordeev _ Bachmannpreis 2023; Laura Leupi _ 3sat Preis.

Was wünscht Du Dir für den Bachmannpreis?

Mehr Optionen, die leiblichen Bedürfnisse (Essen!) vor Ort zu stillen 🙂

Ansonsten aber, dass der Bachmannpreis in dieser oder auch einer leicht optimierten Version noch viele weitere Jahre besteht.


Was möchtest Du den nächstjährigen Teilnehmer*innen mitgeben?

Zuversicht, eine hinreichende Portion Freude und Lust am Auftritt, am Miteinander, an dieser besondere Atmosphäre eines Betriebsausfluges, sowie jede Menge Gelassenheit.

Welche Erinnerung hast Du an den Lesungsort Klagenfurt und welche Aktivitäten hast Du in der Stadt unternommen?

Es war ein ausgewogener Mix aus Arbeit, Auftritt, ausgelassenem Miteinander, dazwischen Strandbad Loretto und Schwimmen im Wörthersee, mit dem Leihrad quer durch die Stadt, Laufen, Sauna und – natürlich – eine Höchstdosis Literatur.

Welche aktuellen Projekte gibt es derzeit für Dich?

Derzeit arbeite ich an meinem Romanmanuskript zur Prosopagnosie weiter, arbeite Liegengebliebenes auf, schließe Studien zu Virtuellen Realitäten ab und beginne neue, und versuche mich in all dem auf meinen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Mailand ab September vorzubereiten.

Vielen Dank für das Interview liebe Anna Felnhofer und viel Freude und Erfolg weiterhin!

Vielen lieben Dank!

Anna Felnhofer,
Deutschlandfunk Preisträgerin 2023 _
Portrait bei Malina _ Wien

Bachmannpreis 2023 _ Rückblick _Interview:

Anna Felnhofer, Schriftstellerin _ Wien

Zur Person_Anna Felnhofer, geb. 1984 in Wien, Studium der Psychologie in Wien und Warschau, Promotion 2015. Arbeitet als Wissenschaftlerin und Klinische Psychologin an der MedUni Wien und ist Gründerin und Leiterin eines Virtuellen Realitäts-Labors (PedVR-Lab) (PedVR-Lab [HYPERLINK: https://kinderklinik.meduniwien.ac.at/paediatrische-psychosomatik/pedvr-lab/]) sowie auch Gründerin und Mitherausgeberin der internationalen wissenschaftlichen Zeitschrift Digital Psychology [HYPERLINK: https://ejournals.facultas.at/index.php/digitalpsychology]. Zu ihrem wissenschaftlichen Werk zählen zahlreiche Publikationen in internationalen Journalen sowie die Herausgabe von vier (Lehr-)Büchern (UTBBELTZ).

Parallel dazu veröffentlicht sie Erzählungen und Kurzprosa in literarischen Zeitschriften. Im Jahr 2018 war sie auf der Shortlist des FM4 Wortlaut Kurzgeschichten-Wettbewerbs und gewann 2020 den Emil-Breisach Literaturpreis der Akademie Graz (2. Platz, Preis der Energie Steiermark AG). Ihr Debütroman „Schnittbild“ (Luftschacht, 2021, [HYPERLINK: https://www.luftschacht.com/produkt/anna-felnhofer-schnittbild/]) erhielt die Buchprämie der Stadt Wien, wurde mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis 2021 ausgezeichnet und für die Shortlist des Österreichischen Buchpreises Debüt 2021 nominiert. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2023 liest sie auf Einladung von Brigitte Schwens-Harrant.

homepage Anna Felnhofer https://www.annafelnhofer.at/

Aktueller Roman_Anna Felnhofer „Schnittbild„. Roman, 336 Seiten. Luftschacht Verlag 2021.

Anna Felnhofer „Schnittbild„. Roman, 336 Seiten. Luftschacht Verlag 2021.

Hardcover
12,8 * 20,8 cm
ISBN 978-3-903081-86-4
€ 24.00 [D], € 24.00 [A]

2. Auflage erschienen am 30. März 2023
1. Auflage erschienen am 30. März 2021 (Vergriffen)

auch als E-Book erhältlich
ISBN 978-3-903081-87-1

ausgezeichnet mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis 2021

nominiert für: Österreichischer Buchpreis 2021 Debüt

Anna Felnhofer: Schnittbild

Interview&alle Fotos _Walter Pobaschnig 7_23

https://literaturoutdoors.com

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