Lieber Bernhard Blöchl, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Von den lieben Katzen geweckt werden. Also die lieben Katzen füttern und kraulen. Kaffee trinken. Lesen und schreiben. Kraft- und Dehnübungen. Dann in die Redaktion der Süddeutschen, wo ich als Kulturredakteur das Schöne beflügle, wann immer es möglich ist. Abends mit meinem Lieblingsmenschen kochen oder essen gehen und über tollkühne Buchideen oder Lesungen sprechen, die wir umsetzen (oder auch nicht). Katzen kraulen. Schlafen. Bis wieder die Katzen maulen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Der Glaube an Liebe und Hoffnung. Kultur forever. Und Zuhören, immer wieder zuhören und Fragen stellen. Wenn das Interesse am Gegenüber einschläft, ersticken wir an uns selbst. Apropos: Was ist deine Antwort auf die Frage, Walter?
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Literatur schult Empathie. Aufs Schärfste und Schönste. Wer Romane liest, kann unterschiedlichste Menschen verstehen. Das sollte helfen, mitfühlend und guter Dinge durchs Leben zu dribbeln. Manchmal hilft die Kunst aber auch einfach dabei, dem Jammertal zu entfliehen. Auch gut.
Was liest Du derzeit?
Ich habe kürzlich „Morgen, Morgen und wieder morgen“ von Gabrielle Zevin gelesen und geliebt, eine hinreißende Coming-of-Age-Geschichte über Kreativität, Freundschaft und den bipolaren Halunken namens Leben. Jetzt schon meine Anwärterin auf den Roman des Jahres. Derzeit lasse ich mich von Max Porters „Shy“ und seinem unvergleichlichen prosapoetischen Gedankenstrudel mitreißen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Der Umweg ist das Ziel.“ Dieses Motto beherzigt der Protagonist meines jüngsten Romans, „Eine göttliche Jugend“ (Volk Verlag), und fährt gut damit. Eine ganze Weile zumindest. Dem schließ ich mich gerne an.

„Ein Dorf am Wald. Eddie wächst unter schwierigen Bedingungen auf. Der Vater trinkt, die Mutter träumt von Bella Italia, einziger Halt ist Oma Elfie aus dem Sudetenland. Es sind die frühen Neunziger, als es Eddie reicht. Er haut ab. Mit dem Mofa raus aus dem konservativen Bayern, ab nach Amerika, fest entschlossen, dort sein großes Idol zu treffen: Popstar Madonna, Sinnbild für Toleranz und Freiheit. Doch von zuhause reisen Eddie dramatische Nachrichten hinterher. Er muss eine folgenschwere Entscheidung treffen, und am Ende kann ihm nur noch einer helfen: Gott persönlich.„
Mit feinem Humor und poetischer Sprache erzählt Bernhard Blöchl die Geschichte von Eddie und dem Sommer, in dem er beinahe erwachsen wurde. Eine nostalgische Heldenreise von einem bayerischen Kaff bis nach Amerika – und von Madonna zu Gott
Benedict Wells
Eine göttliche Jugend. Roman. Bernhard Blöchl
Out of Bavaria: Ausreißergeschichte mit Herz, Hirn und Humor
ISBN: 978-3-86222-439-5Ausstattung: Hardcover, 240 Seiten
€20,00
https://volkverlag.de/shop/eine-goettliche-jugend/
Vielen Dank für das Interview lieber Bernhard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an Künstler*innen:
Bernhard Blöchl, Schriftsteller und Journalist
Zu Person _
„I write because I don’t know what I think until I read what I say.“
(Flannery O’Connor)
Bernhard Blöchl, Jahrgang 1976, ist Journalist und Schriftsteller und lebt in Bayern. In München hat er Diplom-Journalistik studiert und sich an der Deutschen Journalistenschule (DJS) zum Redakteur ausbilden lassen. Seit er erwachsen ist arbeitet er für die Süddeutsche Zeitung, schreibt vorrangig über Film, Literatur, Pop und Menschen. Seit Juli 2016 ist er SZ-Redakteur und kümmert sich als stellvertretender Teamleiter um die Ressorts Kultur in München und Bayern sowie SZ Extra print und digital (mehr dazu hier).
Kulturkonsumierend. Kulturrezensierend. Kulturschaffend
Groß geworden in den Neunzigern, zählt er sich zu der Autorengeneration, die das Schreiben offline lernte, sich aber auch online nach Herzenslust austobt. Er mag Gedrucktes und Antiquariate ebenso wie Blogs und Social-Media-Spielereien. Unter Lieblingssaetze.de hat er ein Museum der schönen Sätze eingerichtet, wo er famose Romananfänge und steile Songzeilen sammelt und kommentiert.
Inspiriert von Wortkünstlern wie Wolf Haas oder Tom Robbins, widmet er sich seit 2010 der Schriftstellerei. Die erste Kurzgeschichte „Querulant im Amt“ belegte den zweiten Platz der Jury-Wertung bei Oliver Uschmanns Autorenwettbewerb „Hartmut und Du“. Blöchls Debütroman Für immer Juli erschien 2013 im MaroVerlag. Die schelmische Komödie zur Frage, was den modernen Mann ausmacht, ist Teil eines literarischen Experiments. Unter Schlussmitluschig.de ließ er viele Jahre lang seine Hauptfigur Julian Hartmann bloggen. Sie spann die Handlung des Romans im Netz weiter – und hat die Website zu einem der beliebtesten Männerblogs in Deutschland hochgejazzt. Das Sachbuch zum Blog zum Roman ist 2014 bei Rowohlt erschienen. Blöchls zweiter Roman, die tragikomische Roadnovel Im Regen erwartet niemand, dass dir die Sonne aus dem Hintern scheint kam 2017 bei Piper heraus. Unter dem Titel Die Wochen wehen im zähen Takt erschien im Frühjahr 2021 sein erster Gedichtband. Im November 2022 folgte der dritte Roman, Eine göttliche Jugend (Volk Verlag), Blöchls bisher persönlichstes Buch. Coming of Age made in Bavaria.
Bloechl 2022_1
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Fotos_Portraits: piz; Cover: Volk Verlag
17.7.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.