Liebe Doris Fleischmann, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich habe meinen finalen Text für die nächste Ausgabe der Zeitschrift „Entladungen“ der Arbeitsgemeinschaft Autorinnen abgegeben und befinde mich derzeit in einer Schreibpause. Allerdings habe ich zwei Projekte in der Pipeline: einen literarischen Reiseführer und eine Novelle. Ich habe mich noch nicht entschieden, welches Projekt ich als nächstes in Angriff nehmen werde.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wir dürfen nicht den Mut verlieren und wir müssen wieder diskutieren lernen. Mehr Selbstreflexion könnte uns auch nicht schaden. Durch die schwierigen letzten drei Jahre haben viele Menschen ihre Meinungen und Positionen in Stein gemeißelt. Das macht ein Miteinander sehr schwierig. Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder offen aufeinander zugehen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ob Literatur heute noch die Welt verändern kann? Es ist alles so schnelllebig geworden. Wer nimmt sich noch Zeit, einen tausendseitigen Roman zu lesen? Wir Schreibenden werden trotzdem weitermachen. Ich schreibe, weil ich erzählen will. Es macht mich glücklich, wenn die Gedanken in meinem Kopf explodieren. Und Themen? Themen gibt es genug, würde ich sagen.
Was liest Du derzeit?
Derzeit lese ich „Blue Skies“ von T. C. Boyle: „Der Planet stirbt, siehst du das nicht?“, wirft Cooper seiner Mutter vor, die ihre Küche gehorsam auf frittierte Heuschrecken umgestellt hat. Ein satirischer Roman über den Klimawandel, aber auch über den Wandel in unserer Gesellschaft. Ein brandaktuelles Thema.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Wenn der Roman wirklich verschwinden sollte, dann nicht, weil er am Ende seiner Kräfte ist, sondern weil er sich in einer Welt befindet, die nicht mehr die seine ist.“ Milan Kundera
Kundera, Milan: Die Kunst des Romans, Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuchverlag 1989, S. 24ff.
Vielen Dank für das Interview liebe Doris, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Doris Fleischmann, Autorin
Zur Person_ Doris Fleischmann, geboren 1970 in Wiener Neustadt, lebt und arbeitet in Wien; viele Jahre im Kulturbetrieb tätig; schreibt Prosa. Regelmäßige Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien, eine Co-Herausgeberschaft. Ihr Debütroman „Alles, was bleibt oder Ein Haus in Wien“ erschien 2018 im Hollitzer Verlag, Wien. Im April 2022 erschien ihr Kurzgeschichtenband „Spaziergänger zwischen den Welten“ im Pilum Literatur Verlag, Strasshof an der Nordbahn. Mitglied beim Literaturkreis Podium, der Literaturgruppe Textmotor sowie der Arbeitsgemeinschaft Autorinnen.
http://www.aga.at/autorinnen/fleischmann_doris.htm
https://www.facebook.com/doris.fleischmann.autorin/
Foto_privat
20.6.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.