Station bei Malina _“ein Trauma, das die gesamte Generation betrifft“ Ingala Fortagne, Sopranistin _ Lörrach/D 16.7.2023

Ingala Fortagne _ Sopranistin, Schauspielerin_ Wien _
acting Malina _
Romanschauplatz „Malina“ Ingeborg Bachmann (1971) 50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)
Ingala Fortagne _ Sopranistin, Schauspielerin_ Wien _
acting Malina _
Romanschauplatz „Malina“ Ingeborg Bachmann (1971) 50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

Acting Malina _ „Es war Mord…“

Ingala Fortagne _ Sopranistin, Schauspielerin_ Wien _
acting Malina _
Romanschauplatz „Malina“ Ingeborg Bachmann (1971) 50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

Liebe Ingala Fortagne, herzlichen Dank für Dein Kommen in die Ungargasse!

Wir sind hier an literarischen Bezugsorten des Romans „Malina“ (1971) von Ingeborg Bachmann in Wien wie auch in unmittelbarer Nähe von biographischen Bezugspunkten der vor 50.Jahren verstorbenen Schriftstellerin.

Sind Dir die Bachmann-Orte hier in Wien/Bezirk Landstraße. vertraut?

Lustigerweise habe ich Wien vom 3. Bezirk aus kennengelernt.

Nicht die Ungargasse, die Bechardgasse hat mich beherbergt. Ich liebte dieses Ankommen: man traf sich im Café Engländer und von dort ging es „heim“ in die herrliche Wohnung in der Bechardgasse mit wunderschönem Stiegenhaus samt altem Aufzug. Die fehlende Natur  gab es als Ornamente an den Hauswänden. Die innere Stadt war nah und gleichzeitig der Prater. Im „Wild“ konnte man herrlich essen.

Welche Bezüge und Zugänge gibt es von Dir zu Ingeborg Bachmann und ihrem Werk?

Ingeborg Bachmann begegnete mir erst im Studium. Ich bekam von meiner Professorin in Sprecherziehung Gedichte und auch einmal einen Auszug aus „Malina“. Seither steht der Roman in meinem Bücherschrank. Gelesen habe ich ihn damals nur ansatzweise. Ich fand nicht hinein mit 20 Jahren (und die im Buch beschriebenen Orte sagten mir damals noch überhaupt nichts). Ihre Erzählung „Undine geht“ sprach leichter zu mir. Das Gedicht „Erklär mir Liebe“ war Teil meines Diplom Programms… .

Du bist Sopranistin und Schauspielerin. Auch Ingeborg Bachmann hatte eine große Liebe zur Musik, komponierte früh und arbeitete später als Librettistin mit Hans Werner Henze zusammen. Wie war Dein Weg zur Musik und welche Stationen gibt es da?

Oh was für eine große Frage!

Gerade sprach ich mit einer Freundin/Kollegin darüber, ob wir heute noch einmal diesen Weg der Sängerin einschlagen würden. Sie verneinte und hätte lieber Medizin studiert und für „Ärzte ohne Grenzen„ gearbeitet. Ich überlegte lang, aber mir fiel nichts ein, was ich lieber studierte, vielleicht einige Lehrer*innen auslassen und gleich zu denen gehen, die mich wirklich unterstützten. Bin auch nicht davon überzeugt, ob man den Beruf an einer Hochschule lernen muss. Die Liebe zur Musik und den Drang, mich damit auszudrücken empfinde ich seit dem Kleinkindalter. Glückliche Momente meiner Kindheit erlebte ich auf der Opernbühne bei „Hänsel und Gretel“, „Carmen“ oder „Jakob Lenz“. Ich liebte den Geruch und auch, hinter der Bühne stehen, von dem Orchesterklang berauscht auf unseren Auftritt wartend.

Leider ist mir eine Henze Oper dabei nicht begegnet. Ich hörte die Musik der Leipziger Komponisten Thiele, Stolzenbach und Pfundt… , die den u.a.Gottesdienst mit ihren Kompositionen begleiteten, bin überzeugt, dass meine Liebe zur neuen Musik dadurch entstand.

Im Roman „Malina“ ist der Hauptschauplatz Wien. Du bist wie Ingeborg Bachmann als Künstlerin nach Wien gezogen. Was bedeutet Dir diese Musik- wie Literaturstadt und welche Erfahrungen hast Du hier als Künstlerin gemacht?

In Wien fühle ich mich zu Hause. Aber woran das liegt, kann ich gar nicht sagen. Seit meinem ersten Besuch 1998 fasziniert die Stadt mich. Ich habe hier inzwischen die unterschiedlichsten und engsten Freund*innen, kann wohl wirklich von einem riesigen Freundeskreis sprechen. Auch wenn ich schon seit fast 6 Jahren weiter gezogen bin, ändert das nichts an der Vertrautheit, die mich hier erfasst. In Wien scheint für mich alles möglich- sicherlich eine Illusion! Die Stück-Genrevielfalt mit dem Ensemble „Schlüterwerke“, gegründet von Markus Kupferblum, entsprach  meiner Sicht auf Theater: nicht trennen zwischen Musik-Sprech-Tanztheater und aktuelle, politische Themen einbeziehen. Aber auch die Möglichkeit, ständig in qualitativ hochwertige Konzerte, Schauspiel- und Musiktheater zu gehen, habe ich trotz kleiner Kinder gut ausnutzen dürfen. Ich kann rückblickend sagen, dass es wunderbare mit Kultur durchtränkte Jahre in Wien waren.

Welche Bezüge hast Du zu Literatur? Schreibst Du auch?

Ich liebe Literatur, lese leider viel zu langsam, daher zu wenig. Selbst habe ich als Kind gern Briefe geschrieben. Aufsätze schrieb ich, einmal im Thema angekommen, wie im Rausch. Aber ich würde mich nicht als Schreibende sehen. Seit zwei Jahren habe ich ständig, Texte für Konzepte und für die Kommunikation zu schreiben. Letztendlich bin ich aber froh, wenn eine gute schreibende Freundin das Lektorat übernimmt.

Welche Eindrücke hast Du von den Romanschauplätzen in der Ungargasse?

Dieses riesige Tor mit den Löwenköpfen lässt mich in einen Ort eintreten, der von der lauten, stark befahrenen Ungargasse unberührt scheint. Das weite Stiegenhaus, der Innenhof mit Brunnen, ein weiterer Hof, völlig mit Efeu bewachsen… – Stille in der Stadt fasziniert mich! Fast nichts erinnert an die heutige Zeit und lässt Raum für viel Phantasie.

Was sind für Dich zentrale Themen und Aussagen des Romans „Malina“?

Für mich ist Trauma das große Thema, das den gesamten Roman bestimmt. Am liebsten möchte ich die Romanfigur in den Arm nehmen und sie weinen, weinen , weinen lassen, mit ihr gemeinsam toben und schreien. Dieses schwelende Trauma, das eine verrückte, unfreie Liebesbeziehung infiziert , Alpträume hervorholt, Malina als unhaltbaren Anker sucht… . Vielleicht ist das große gesellschaftliche Thema, dass dieses Trauma die gesamte Generation betrifft, deren Eltern den ersten und zweiten Weltkrieg erlebten und sie selbst im Krieg aufgewachsen sind. Die Künstlerin, die namenlose Romanfigur, versucht mit ihren Mitteln, dem Trauma Herr zu werden, trotzdem zu leben, in das Leben hineinzufinden, wobei nur Selbstzerstörung herauskommt. Mit diesem Roman versteh ich den Befreiungsdrang der nachfolgenden Hippiebewegung neu, ein gesellschaftlicher Versuch, sich vom Trauma zu befreien, sich zu heilen.

Wie siehst Du die gesellschaftspolitischen Aussagen bei „Malina“ heute?

Erst einmal wirken die Themen auf mich fremd. Ich lese über gesellschaftliche Normen, Zustände, Zwänge, die ich in dieser Form nicht kenne. Auch das intellektuelle Wissen scheint heute nicht mehr selbstverständlich. Es ist die Zeit der 50/60ziger, ein anderes Jahrhundert … . Ja, es macht Spaß, Bachmanns Formulierungen zu lauschen, sich auf ihre intellektuellen Gedankenspiele einzulassen, sich durch diesen Text zu beißen. Aber die Fremdheit bleibt mir bis zum Schluss.

Es sind für mich eher individuelle Grundprobleme als heutige gesellschaftspolitische, die es wohl immer im menschlichen Zusammenleben geben wird: Missverständnisse, das Gefühl allein, von Allem abgeschnitten zu sein, der Versuch sich mit Phantasiewelten zu trösten…. Diese Selbstzerstörung ist heute genauso als Kraft im Menschen verankert.

Was sind Deine derzeitigen Projektpläne?

Ich beschäftige mich seit diesem Jahr intensiv mit dem Komponisten Leo Kok.  Er war wie der Komponist Max Kowalski in Buchenwald interniert. Seine Lieder sind nahezu vergessen. Wir wollen in einem Liederabend sein spannendes Leben erzählen und auch seine Kompositionen wieder hörbar machen. Ich bereite außerdem Konzerte mit den Liedern meiner CD Obhut vor, bin noch mitten in einem Projekt zu Hanns Eisler und beginne gerade, für ein Musiktheaterstück über Kurt Weill zu proben, das im November in Basel uraufgeführt wird.  Und ich darf noch in diesem Jahr eine Arie der Mozart-Gräfin in dem Schauspiel „Der Besucher“ von E.E.Schmitt singen.

Hättest Du mit Ingeborg Bachmann gerne einen Tag in Wien verbracht und wenn ja, wie würde dieser aussehen?

Ach ja, einen Tag mit Ingeborg Bachmann…, ich weiß fast nichts über sie als Person. Ich möchte mit ihr über Malina reden, bin gleichzeitig sicher, dass sie dazu überhaupt keine Lust haben wird. Warum sich mit ihr nicht am Neusiedler See treffen und gemeinsam segeln, einen Tag auf dem Wasser, zum Haus im See (das es wohl auch nicht mehr gibt, mich aber an meine Zeit in Wien erinnert) schippern, gut essen, trinken und  das Leben genießen!

Ingeborg Bachmann Rom 1962 _ Foto_Heinz Bachmann

Darf ich Dich abschließend zu einem Malina Akrostichon bitten?

Meer

atmend,

liegend

in der Son-

ne

ankommen. (Samos Mai, 2023)

Ingala Fortagne _ Sopranistin, Schauspielerin_ Wien _
acting Malina _
Romanschauplatz „Malina“ Ingeborg Bachmann (1971) 50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

Vielen Dank, liebe Ingala, für Deine Zeit in Wort und Acting im „Ungargassenland“, alles Gute für alle Projekte!

Fotonovel_Ingala Fortagne _ Sopranistin, Schauspielerin_acting Malina _

Acting/Style_Ingala Fortagne

Konzept/Regie/Fotos_Walter Pobaschnig

Station bei Malina_Roman Ingeborg Bachmann_Wien_1971

2023 _ 50.Todesjahr_Ingeborg Bachmann_ Schriftstellerin (25.Juni 1926 Klagenfurt – 17.Oktober 1973 Rom)

Romanschauplatz _ Malina_Wien _ Walter Pobaschnig

Walter Pobaschnig, 7_23

https://literaturoutdoors.com

Hinterlasse einen Kommentar