Liebe Elke Engelhardt, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Jetzt im Sommer werde ich mit den Vögeln wach, ich mag das sehr. Aber noch lieber mag ich vielleicht, dass ich danach noch ein wenig länger schlafen kann. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann der Tag für mich beginnt hat natürlich auch Schattenseiten. Häufig ist die Zeit am Vormittag viel zu kurz, um wirklich in das Schreiben oder Rezensieren einzutauchen und am Abend, nach der Lohnarbeit bin ich häufig zu müde.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Solidarität und ganz unbedingt die Fähigkeit immer wieder den Blick auf das zu lenken, was trotz aller Katastrophen um uns herum schön und gut ist. Nicht verzweifeln, sondern weitermachen. So gut es eben geht.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
In diesem Jahr gab es zwei sehr beeindruckende Reden, die sich mit dieser Frage beschäftigen, oder jedenfalls eine Antwort auf diese Frage geben.
Einmal die Berliner Rede zur Poesie von Kim Hyesoon, die sehr von mir verkürzt, davon spricht, dass die Poesie dort anfängt, wo die Sprache, das Sagbare aufhört.
Und die Rede von Tanja Maljartschuk zu den diesjährigen Bachmann Tagen. Die sehr bewegend von der Korrumpierbarkeit der Sprache erzählt, davon, wie sie Einzelne retten kann, aber nie alle gemeinsam. Es ist eine traurige Rede einer Schriftstellerin, die den Glauben an die Sprache verloren hat, und doch erzählt sie ja davon, und erlaubt es uns somit, ein wenig zu verstehen, was Sprache ist und kann. Denn so hoffnungslos und desillusioniert Maljartschuks Sätze auch sind, sind sie doch der Beweis, dass die Literatur, die Sprache stark ist in ihrer Hilflosigkeit. Von diesem Widerspruch lebt vielleicht jegliche Kunst.
Was liest Du derzeit?
Ich lese immer mindestens drei Bücher gleichzeitig. Zur Zeit in den Essays und Poetikvorlesungen von Ingeborg Bachmann, Gaston Bachelards „Poetik des Raumes“ und „Elegie“ von Mary Jo Bang.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ich könnte nahezu alles von Marguerite Duras zitieren. Aber für jetzt und heute vielleicht das: „Alles ist Eitelkeit und Haschen nach Wind. Diese beiden Sätze ergeben die ganze Literatur der Erde.“

Vielen Dank für das Interview liebe Elke, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Elke Engelhardt, Schriftstellerin
Zur Person_Elke Engelhardt, geb. 1966 in Verl, lebt in Bielefeld. Schreibt Lyrik, Prosa und Besprechungen. Zuletzt:„Sansibar oder andere gebrochene Versprechen“, Elif Verlag, 2020
Hauptautorin der Wortschau, Ausgabe 39, Mai 2022, Mitglied der Lyrik-Performance Gruppe lichtstreu, im Herbst erscheint „100 sehr kurze Gespräche“ im Elif Verlag.
Fotos_Elke Klampeter
Walter Pobaschnig _ 8.7.2023