Lieber Andreas Wutte, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im besten Fall nicht allzu früh aufstehen, etwas Text lernen, Kabarettprogramm schreiben, Musik hören, zur Theaterprobe fahren, am Abend Vorstellung spielen und den Abend mit guten Freunden und Kollegen, bei einem oder zwei Getränken und guten Gesprächen ausklingen zu lassen. Da mich aber noch kein Theater mit massenhaft Geld überschüttet hat, habe ich auch noch einen Teilzeitjob im Büro.
Dass ich aber schon einen Teil meines Lebens aus dem finanzieren kann, was mir wirklich am meisten Freude bereitet, nämlich der Kunst, bedeutet für mich Lebensqualität. Das passiert auch nicht von heute auf morgen und ist harte Arbeit. Dafür bin ich sehr dankbar.
An den anderen Tagen gehe ich ins Büro und erledigt dort meine Aufgaben. Das mache ich aber auch nicht ungern, vor allem, weil ich in einer großartigen Firma angestellt bin, wo ich flexibel sein kann und die stets auf meine Bedürfnisse als Künstler eingeht. Das ist auch nicht selbstverständlich.
Ich denke 95% der berufstätigen Bevölkerung möchte im tiefen Herzen gerne etwas anderes machen, entscheiden sich aber, aus welchen Gründen auch immer dagegen. Diese Gründe sind meistens durchaus nachvollziehbar. Ich bin jedoch sehr froh diesen Schritt ernsthaft gewagt zu haben.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die Floskel „Wir brauchen jetzt alle Zusammenhalt“ ist zwar richtig, wird aber leider zumeist von den Menschen gepredigt, die nicht einmal wissen wie man Zusammenhalt schreibt. Zusammenhalt war auch bereits vor der Pandemie und dem Krieg in Europa nicht ganz unwesentlich. Die Menschen in den vom Krieg betroffenen Regionen weltweit wird es auch recht wenig interessieren ob die Leute in Österreich „eh gut“ zusammenhalten.
Was jetzt besonders wichtig ist, muss denke ich jeder für sich selbst entscheiden. Für mich ist es das, was es schon immer war – den Humor niemals zu verlieren und dankbar zu sein für das, was man hat, bzw. nicht hat.
Darüber hinaus wo es geht, Menschen, denen es nicht so gut geht im Rahmen meiner Möglichkeiten zu unterstützen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Das Theater hat die Möglichkeit verschiedenste Blickwinkel aufzuzeigen. Generell bietet Kunst Abstand zum Alltag. Diese Möglichkeit sollte vermehrt genutzt werden.
Was mir persönlich auch sehr wichtig wäre ist, dass die Freunde des Kabaretts, bzw. der Comedy vermehrt jüngeren, sowie nicht der breiten Masse bekannten Künstlern, bzw. die Menschen generell der Off-Szene des Theaters mehr Aufmerksamkeit schenken. Sie werden es nur in den allerseltensten Fällen bereuen. Erfahrungsgemäß seltener als in den großen Häusern.
Was liest Du derzeit?
Hope Street von Campino
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Abgenutzt, aber wahr und zeitlos:
Wie Menschen andere Menschen behandeln, ist eine direkte Reflexion davon, wie sie sich selbst fühlen. (Paulo Coelho)
Vielen Dank für das Interview lieber Andreas, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspiel-, Kabarettprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Andreas Wutte, Schauspieler, Kabarettist, Sprecher
Zur Person_Andreas Wutte, geboren und aufgewachsen in Kärnten, lebt in Wien, hat die Schauspielschule 2016 abgeschlossen und erhielt im gleichen Jahr auch das Diplom zum staatlich anerkannten Schauspieler. Im Zwangsurlaub während der Pandemie begann er sich dem Kabarett zu widmen, was ihm auch gleich den Sieg bei der Talente-Show des Wiener Kabarettfestivals 2022 einbrachte. Sein erstes abendfüllendes Soloprogramm „Reine Gedanken“ feierte ebenfalls 2022 Premiere. Ein zweites Programm ist in Arbeit.
Foto_Jacqueline Katzer
24.5.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.