„Die Rolle der Literatur: Beschreiben, nicht urteilen, Lebensrealitäten eröffnen, Zwänge sichtbar machen“ Anna Felnhofer, Schriftstellerin _ Wien 2.6.2023

Liebe Anna Felnhofer, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Jeder Tag ein bisschen anders, aber insgesamt beschleunigter, wie mir scheint, als vor Corona; meist an der Kinderklinik, dazwischen Tagungen, Vorträge, Sport, und immer wieder, sofern es sich einrichten lässt, Lesen und Schreiben.

Anna Felnhofer
Schriftstellerin, Wissenschaftlerin,
Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin


Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Das Gefühl der Bedrohtheit bewältigen, die Distanz überwinden, in ein aufrichtiges Gespräch finden.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die Rolle der Literatur dabei: Beschreiben, nicht urteilen, Lebensrealitäten eröffnen, jene Zwänge sichtbar machen, die diese Lebensrealitäten bedingen, Nuancen herausarbeiten, vorurteilsfrei sein und zärtlich allen Formen gegenüber, die der Mensch anzunehmen im Stande ist.

Was liest Du derzeit?

Witold Gombrowicz, das Tagebuch, als Vorbereitung auf meine Teilnahme am Bachmann-Wettbewerb, weil Gombrowicz, wie kein anderer, die ebenso zweifelhafte wie zwingende Beziehung zwischen Schriftstellern und ihren Kritikern thematisiert hat.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Zumal es angesichts der Corona-Krise beeindruckend aktuell ist, jenes von Sigmund Freud aus der Massenpsychologie und Ich-Analyse: „eine Religion [muß], auch wenn sie sich die Religion der Liebe heißt, hart und lieblos gegen diejenigen sein, die ihr nicht angehören. […] Wenn eine andere Massenbindung an die Stelle der religiösen tritt, wie es jetzt der sozialistischen zu gelingen scheint, so wird sich dieselbe Intoleranz gegen die Außenstehenden ergeben wie im Zeitalter der Religionskämpfe, und wenn die Differenzen wissenschaftlicher Anschauungen je eine ähnliche Bedeutung für die Massen gewinnen könnten, würde sich dasselbe Resultat auch für diese Motivierung wiederholen.“

Vielen Dank für das Interview liebe Anna, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

Vielen lieben Dank!

5 Fragen an Künstler*innen:

Anna Felnhofer, Schriftstellerin, Wissenschaftlerin,
Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin

Zur Person_Anna Felnhofer, geb. 1984 in Wien, Studium der Psychologie in Wien und Warschau, Promotion 2015. Arbeitet als Wissenschaftlerin und Klinische Psychologin an der MedUni Wien und ist Gründerin und Leiterin eines Virtuellen Realitäts-Labors (PedVR-Lab) (PedVR-Lab [HYPERLINK: https://kinderklinik.meduniwien.ac.at/paediatrische-psychosomatik/pedvr-lab/]) sowie auch Gründerin und Mitherausgeberin der internationalen wissenschaftlichen Zeitschrift Digital Psychology [HYPERLINK: https://ejournals.facultas.at/index.php/digitalpsychology]. Zu ihrem wissenschaftlichen Werk zählen zahlreiche Publikationen in internationalen Journalen sowie die Herausgabe von vier (Lehr-)Büchern (UTBBELTZ).

Parallel dazu veröffentlicht sie Erzählungen und Kurzprosa in literarischen Zeitschriften. Im Jahr 2018 war sie auf der Shortlist des FM4 Wortlaut Kurzgeschichten-Wettbewerbs und gewann 2020 den Emil-Breisach Literaturpreis der Akademie Graz (2. Platz, Preis der Energie Steiermark AG). Ihr Debütroman „Schnittbild“ (Luftschacht, 2021, [HYPERLINK: https://www.luftschacht.com/produkt/anna-felnhofer-schnittbild/]) erhielt die Buchprämie der Stadt Wien, wurde mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis 2021 ausgezeichnet und für die Shortlist des Österreichischen Buchpreises Debüt 2021 nominiert.

Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2023 liest sie auf Einladung von Brigitte Schwens-Harrant.

Bachmannpreis 2023 _ von 28. Juni bis 2. Juli finden die 47. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt statt.

homepage Anna Felnhofer https://www.annafelnhofer.at/

Aktueller Roman_Anna Felnhofer „Schnittbild„. Roman, 336 Seiten. Luftschacht Verlag 2021.

Anna Felnhofer „Schnittbild„. Roman, 336 Seiten. Luftschacht Verlag 2021.

Hardcover
12,8 * 20,8 cm
ISBN 978-3-903081-86-4
€ 24.00 [D], € 24.00 [A]

2. Auflage erschienen am 30. März 2023
1. Auflage erschienen am 30. März 2021 (Vergriffen)

auch als E-Book erhältlich
ISBN 978-3-903081-87-1

ausgezeichnet mit dem
Franz-Tumler-Literaturpreis 2021

nominiert für:
Österreichischer Buchpreis 2021 Debüt

Anna Felnhofer: Schnittbild

Foto_Nina Rechnitzer

30.5.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com/

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