Lieber Martin, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich seit längerem arbeitslos bin, versuche ich (bislang erfolglos), eine Anstellung zu bekommen. Ansonsten lese ich, schreibe ich, musiziere ich.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Sein können.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Wesentlich wird sein, zu erkennen, dass die Freiheit nicht beim Ich »beginnt«. Vielmehr zeigt sich die Freiheit in der Begegnung mit jedem anderen mitseienden Menschen. Denn in der Begegnung den Anderen und die Andere in seinem und ihrem Sein-können zu erkennen wird klar, dass sowohl die Begegnung selbst als auch ich immer schon frei sind. Das ist ein Grundvollzug des Daseins. Die Literatur und jede Art der Kunst könnten hier die Rolle spielen, immer wieder darauf aufmerksam zu machen. Sie geben uns zu denken und zu fühlen. So hoffe ich.
Was liest Du derzeit?
Nach Jahren lese ich wieder einmal das »Symposion« von Platon; diesmal gemeinsam mit Freundinnen und Freunden in einem Online-Lesekreis, den der Philosoph Daniel-Pascal Zorn vor zwei Jahren initiiert hat.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
»Schreibend wollte ich
Meine Seele retten.
Ich versuchte Verse zu machen
Es ging nicht.
Ich versuchte Geschichten zu erzählen
Es ging nicht.
Man kann nicht schreiben
Um seine Seele zu retten.
Die aufgegebene treibt dahin und singt.«
»Schreibend«, von Marie Luise Kaschnitz, 1962
Vielen Dank für das Interview lieber Martin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Martin Ross, Schriftsteller und Philosoph
Foto_privat
5.1.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Sehr geen gelesen. Seh inspirierend.
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